Bis zu 300 Stellen sollen bei Ratiopharm wegfallen. Foto: Ratiopharm

Die israelische Konzernmutter des Arzneimittelherstellers streicht rund zehn Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland. Auch Ulm und Blaubeuren sind betroffen. Der Standort Berlin soll komplett geschlossen werden.

Ulm - Düsterer Jahresstart für die Beschäftigten des Arzneimittelherstellers Ratiopharm: Das Unternehmen, das zum israelischen Pharmakonzern Teva gehört, hat in dieser Woche mit dem strukturellen Abbau von Arbeitsstellen begonnen. In einem am Montag verbreiteten, internen Brief hat die aktuell mit fünf Geschäftsführern besetzte deutsche Unternehmensspitze „harte Entscheidungen“ angekündigt. Aktuell arbeiten 2700 Beschäftigte an den Standorten Ulm, Blaubeuren-Weiler im Alb-Donau-Kreis und Berlin. Davon würden „rund zehn Prozent der Stellen“ abgebaut, heißt es. Bis zu 300 Stellen könnten somit wegfallen.

Am heftigsten betroffen ist der Teva-Standort Berlin, intern Business Unit Speciality genannt, der komplett geschlossen wird. Von der Bundeshauptstadt aus hat Teva bisher den selbst entwickelten Wirkstoff Copaxone vertrieben, ein Medikament, das die so genannte Schubrate der Krankheit Multiple Sklerose reduzieren kann. Für die Arznei läuft in Kürze der Patentschutz aus. Billige Nachahmer-Medikamente, sogenannte Generika, die dann auf den Markt kommen können, lassen in der Regel die Preise rapide fallen.

Von der Berliner Schließung wird, zumindest teilweise, die Ratiopharm-Zentrale in Ulm profitieren. Künftig soll von dort aus der gesamte deutsche Markt mit Generika, Spezialmedikamenten und rezeptfreien Arzneimitteln beliefert werden. Die Abteilung Marketing und Vertrieb, so die interne Ankündigung, werde entsprechend gestärkt werden.

Die Gewerkschaft tappt noch im Dunkeln

Die Stellenzuwächse dürften den geplanten Abbau allerdings nicht annähernd kompensieren. Das Unternehmen äußerte sich am Donnerstag nicht zu Details der geplanten Streichungen. Intern haben noch am Montag Gespräche mit Beschäftigten, deren Stellen wegfallen sollen, begonnen. Betroffen sind nach ersten internen Rückmeldungen verschiedene Forschungsabteilungen sowie die Bereiche Finanzen und IT. Die Geschäftsführer kündigten an, es sei Ziel, „die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen durch sozial verträgliche Lösungen so gering wie möglich zu halten“. Ein Teil der Abbauquote werde geschafft, indem offene Stellen nicht besetzt würden.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (BCE) tappt nach eigenen Angaben noch im Dunkeln. „Ich habe selbst noch keine näheren Infos“, sagte am Donnerstag die Landesbezirksleiterin für Baden-Württemberg, Catharina Clay. Insbesondere der Ratiopharm-Standort Ulm gilt als profitabel. Der jetzt in Gang gekommene großflächige Arbeitsplatzabbau hat offenbar vor allem mit einer Weisung der Teva-Zentrale in Israel für sämtliche Standorte weltweit zu tun. Mit Datum vom 14. Dezember wurde eine „Restrukturierung“ angekündigt, in deren Rahmen ein Viertel der Belegschaft abgebaut würde – insgesamt 14 000 Stellen. Branchenkenner mutmaßten schon vorher, Teva habe sich mit der Übernahme des US-Herstellers Allergan (unter anderem „Botox“) im Juli 2015 übernommen. 40,5 Milliarden Dollar zahlte der Teva-Konzern, der sich zugleich rühmte, damit in die Riege der weltweit zehn größten Pharmakonzerne aufgestiegen zu sein. Seitdem, urteilt auch Gewerkschafterin Clay, sei Teva vor allem hoch verschuldet.

Mitte November wurde der Grundstein für ein neues Biotech-Zentrum in Ulm gelegt

Für die Beschäftigten in Ulm und Blaubeuren bestätigen sich seit dieser Woche schon lange gehegte Vorahnungen. Im Mai vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass Ratiopharm bei der Arbeitsagentur in Ulm einen Antrag auf Massenentlassungen gestellt hatte. Gemäß einer Gesetzesvorschrift müssen Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern die Agentur informieren, wenn die Entlassung von mehr als 30 Beschäftigten bevorsteht. Wenig später, im Juni, wurde überraschend der Ratiopharm-Deutschlandchef Markus Leyck Dieken abberufen.

So dämpfte die Erwartung eines harten Arbeitsplatzabbaus auch die Euphorie, als Teva Mitte November auf dem Firmengelände im Ulmer Donautal den Grundstein für ein neues Biotech-Zentrum legte, genannt „Projekt Genesis“. Zum Preis von 500 Millionen Dollar – aktuell die größte Einzelinvestition des Konzerns – entsteht bis 2019 eine Biotech-Produktionsanlage, die im großen Maßstab mikrobielle und tierische Zellkulturen vermehren und so tausende Liter an Wirkstoff jährlich produzieren soll. Im neuen Gebäude sollen ab 2020 bis zu 300 zusätzliche Fachkräfte arbeiten. Die im Konzernvergleich sehr hohen deutschen Gehälter, sagte bei der Grundsteinlegung im November der Teva-Geschäftsführer Christoph Stoller, seien nur durch besondere Leistungen zu begründen.