Volkswagen braucht weniger Mitarbeiter, um Elektroautos zu bauen. Im Falle der Automobilindustrie mag der demografische Wandel sogar hilfreich sein – viele andere Branchen trifft er dagegen schwer, meint Thomas Thieme.
Stuttgart - Nicht einmal 24 Stunden sind zwischen der Ankündigung von VW-Chef Diess, dass die Elektrooffensive Arbeitsplätze kosten wird, und der Präzisierung durch den Wolfsburger Konzern vergangen: Im Zuge der Automatisierung von Routinearbeiten sollen bis 2023 bei der Kernmarke VW bis zu 7000 Stellen wegfallen, die durch sozialverträgliche Altersteilzeit abgebaut werden sollen. Gleichzeitig sollen 2000 Arbeitsplätze in der Entwicklung aufgebaut werden. Ein Kahlschlag ist das freilich nicht, in einen Konzern mit mehr als 650 000 Beschäftigten. Die Wolfsburger machen sich bei ihrem eigenen technologischen Wandel eine Entwicklung zunutze, die andere Branchen im kommenden Jahrzehnt vor noch größere Schwierigkeiten stellen wird: den demografischen Wandel.
Am gleichen Tag, an dem VW plausibel darlegt, dass der Abbau vieler Stellen die bis 2025 geltende Beschäftigungssicherung im eigenen Haus nicht beeinflusst, beklagt das Handwerk zum Start der Internationalen Handwerksmesse in München bundesweit bis zu 250 000 offene Stellen. Auch Maurer, Maler und Schreiner, deren Tätigkeiten deutlich schwieriger durch automatisierte Verfahren ersetzt werden können, gehen in den kommenden Jahren in großer Zahl in den Ruhestand. Das Transportwesen, der Dienstleistungssektor und der Gesundheits- und Pflegebereich sind weitere vom Fachkräftemangel betroffene Branchen. Die Warnsignale mehren sich.
Die Digitalisierung wird nach Ansicht der Arbeitsmarktexperten in Summe wenige Arbeitsplätze kosten, sondern vor allem die Tätigkeiten der Beschäftigten verändern. Der entscheidende Faktor, ob diese Prognosen eintreffen werden, ist die Vorbereitung der Betriebe und Mitarbeiter durch Weiterbildung und Umschulungen. Nicht nur die Produktionsmitarbeiter bei Volkswagen oder beim Zulieferer Bosch in Stuttgart, wo am Mittwoch bis zu 6000 Beschäftigte gegen den drohenden Wegfall ihrer Arbeitsplätze demonstrieren wollen, brauchen klare Perspektiven, wie ihre Arbeit in Zukunft aussehen wird.