Meist springt eine Abfindung heraus, wenn ein Arbeitsverhältnis in einem Aufhebungsvertrag endet. Foto: imago//Zoonar.com

Airbus, ZF, Bosch, Bertrandt, VW: Viele Firmen bauen Stellen ab, oft bieten sie ihren Beschäftigen Abfindungen. Worauf sollte man achten, wie hoch fallen sie aus und was kommt letztlich auf dem Konto an? Ein Gespräch mit einem Arbeitsrechtler.

Viele Firmen reagieren auf die schwache Konjunktur, strukturieren um und wollen Personalkosten sparen. VW etwa will sich bis 2030 in Deutschland von 35 000 Beschäftigten trennen – und das ohne betriebsbedingte Kündigungen. Solche Pläne funktionieren nur, wenn Firmen viel Geld in die Hand nehmen – unter anderem für üppige Abfindungsregelungen, um Mitarbeitern das freiwillige Ausscheiden zu erleichtern.

 

„Das hat absolut zugenommen“, sagt Frank Hahn, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in der Stuttgarter Kanzlei Kasper Knacke. Viele Unternehmen, vor allem größere, setzten auf solche Freiwilligenprogramme, vor allem, wenn Beschäftigungsgarantien bestünden, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließen und man Personalkosten sparen wolle.

Bandbreite bei Abfindungen ist groß

Mit einvernehmlichen Lösungen schaffen Firmen Rechtssicherheit und können auch Kündigungsschutzprozesse vermeiden, die oft teuer und langwierig sind. Die Bandbreite bei Abfindungen ist groß. In der Regel fielen sie deutlich höher aus, als im Kündigungsschutzgesetz vorgesehen sei, sagt Hahn. Das Gesetz sieht bei Auflösungsverträgen eine maximale Höhe der Abfindung von bis zu zwölf Monatsgehältern vor. Wer 50 Jahre oder älter ist und mindestens 15 Jahre im Betrieb, kann auf bis zu 15 Monatsgehälter kommen, über 55-Jährige auf bis zu 18 Monatsgehälter. In der Praxis setzen Gerichte bei Auflösungsanträgen ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung an.

Arbeitsrechtler Frank Hahn hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung. Foto: Kasper Knacke

Bei großen Arbeitgebern in der Region Stuttgart werde mehr gezahlt. Mercedes etwa habe bei früheren Abfindungsprogrammen ein Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr gezahlt „und da wird auch ziemlich dran festgehalten“, sagt Hahn. Großzügigere Regelungen habe es in der Vergangenheit mit zwei bis drei Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr bei der Schwarz-Gruppe in Neckarsulm gegeben. Mittlerweile herrsche dort ein vergleichsweise „rigider Kurs“, in der Regel betrage die Abfindung dort maximal ein Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Selbst wenn der Vorstand eingeschaltet werde, kämen Beschäftigte nicht über 1,4 Gehälter pro Beschäftigungsjahr hinaus, weiß Hahn aus seiner Berufspraxis. Der Arbeitsrechtler hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung, zu seinen Mandaten gehören Arbeitnehmer und Führungskräfte, aber auch Unternehmen, die er berät oder bei juristischen Auseinandersetzungen vertritt.

Prinzip der doppelten Freiwilligkeit

Welche Summe bei welchem Monatsverdienst herauskommen kann, zeigt diese Beispielrechnung: Wer etwa 15 Jahre bei in einem Unternehmen gearbeitet und zuletzt 6000 Euro brutto im Monat verdient hat, könnte sich mit 90 000 Euro verabschieden, wenn die Firma ein Bruttomonatsgehalt für jedes Beschäftigungsjahr zahlt. Zahlt das Unternehmen das 1,2-fache eine Bruttogehalts, wären es 108 000 Euro, bei 0,5 Prozent lediglich 45 000 Euro.

Oft sind Unternehmen an schnellen Lösungen interessiert und zahlen noch zusätzlich Turboprämien, wenn sich ein Mitarbeiter kurzfristig für einen Aufhebungsvertrag entscheidet. Dabei gelte stets das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit, so Arbeitsrechtler Hahn. Will heißen: Es reicht nicht, dass sich der Beschäftigte für ein Abfindungsangebot meldet, auch das Unternehmen muss zustimmen.

Firmen wollen keine Präzedenzfälle

Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung gebe es ausgenommen vom seltenen Fall eines erfolgreichen Auflösungsantrags nicht, sagt Hahn – es sei denn, es kommt zu betriebsbedingten Kündigungen mit einem Interessenausgleich und Sozialplan, der mit dem Betriebsrat ausgehandelt wird. Dann entscheidet die Sozialauswahl, wen die Kündigung trifft. Der Sozialplan regelt auch Ansprüche auf Abfindungen.

Beim freiwilligen Ausscheiden eines Mitarbeiters mit einer Abfindung ist es am Ende oftmals auch Verhandlungssache, wie viel der Arbeitgeber zahlt. „Das kann schon mal sein, dass ein Unternehmen bereit ist, bei einer Führungskraft nochmal 100 000 Euro draufzulegen“, sagt Hahn. Aber das sei nicht im Interesse der Firmen, denn das Schaffen von Präzedenzfällen sei ein Problem.

Beim Softwarekonzern SAP etwa, der im April 2024 ein Abfindungsprogramm aufgesetzt hat, war das Interesse viel größer als erwartet, weil Management und Betriebsrat ein großzügiges Abfindungs- und Vorruhestandspaket ausgehandelt hatten – das 1,5-fache eines Monatsgehalts und mehr wurde als Abfindung gezahlt. Ein Entwickler etwa, der 20 Jahre bei SAP gearbeitet und ein Jahresgehalt von 90 000 Euro hat, konnte mit einer Sonderzahlung von mehr als 250 000 Euro rechnen. Auch bei VW ist von üppigen Abfindungen die Rede.

Marktübliche Abfindungspakete bei Bosch

Viele Firmen scheuen sich Zahlen zu nennen. Autozulieferer ZF etwa spricht von Einzelfällen und Sonderregelungen für einzelne Standorte, konzernweit setze man vor allem auf Altersteilzeit. Ein konzernweites Abfindungsprogramm gibt es auch bei Bosch nicht. Üblich seien mit den Arbeitnehmervertretern getroffene bereichsspezifische Vereinbarungen, sagte eine Sprecherin. Zusätzlich gebe es Turboprämien für einen zügigen Abschluss. Man biete im Rahmen der Restrukturierungsmaßnahmen marktübliche Abfindungspakete sowie attraktive Vorruhestandslösungen an, die durch interne Qualifizierungs- und Vermittlungsprogramme ergänzt würden.

Steuern und Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

Unterm Strich kommt von einer Abfindung aber deutlich weniger auf dem Konto an, als es auf den ersten Blick scheint. „Abfindungen müssen grundsätzlich in voller Höhe versteuert werden“, sagt Hahn. Im Schnitt fielen rund 40 Prozent Steuern an, auch wenn man mit der „Fünftelregelung“, bei der es zum 1. Januar 2025 Änderungen gab, Steuern sparen könne. In der Regel gebe es bei einem Aufhebungsvertrag auch eine Sperrzeit von drei Monaten beim Arbeitslosengeld. Zudem könne bei einer Sperrzeit auch noch die Gesamtbezugszeit des Arbeitslosengeldes um ein Viertel gekürzt werden. Das werde oft übersehen, sagt Hahn.

Er rechnet mit einer Zunahme der Kündigungen, vor allem weil sich viele kleinere und mittlere Firmen großzügige Abfindungsprogramme nicht leisten könnten.

Fünftelregelung – alt und neu

Fünftelregelung
Abfindungen gelten als Sonderzahlungen und müssen komplett versteuert werden. Während die Abfindung innerhalb eines Jahres ausgezahlt wird, wird mit der Fünftelregelung der Steuersatz auf die Abfindung gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt, um den Progressionseffekt abzumildern. Das vermindert die Steuerlast. Bisher konnten Arbeitgeber die Fünftelregelung direkt bei der Auszahlung einer Abfindung anwenden – im Rahmen des sogenannten Lohnsteuerabzugsverfahrens. Das ändert sich.

Änderung
Seit dem 1. Januar 2025 ist das Prozedere anders, nicht mehr die Arbeitgeber sind für die Fünftelregelung zuständig, sondern die Finanzämter übernehmen die Erstattung des Steuervorteils. Wer von der Fünftelregelung profitieren will, muss sie über die Einkommenssteuererklärung geltend machen. Abfindungen werden seit Jahresbeginn 2025 im Monat der Auszahlung voll versteuert.