Einen Tag nach Verkündung des Stellenabbaus ist die Stimmung bei Bosch in Stuttgart im Keller. Foto: Christoph Müller

Der Stellenabbau bei Bosch ist für die Mitarbeiter eine Zäsur. Beim Schichtwechsel am Freitagmorgen in Feuerbach wird klar: Hier herrscht jetzt Zukunftsangst.

Der Schock ist auch am Tag danach noch präsent. Es ist Freitagmorgen, 5.45 Uhr, und vor dem Schichtwechsel blickt man vor dem Bosch-Werk in Stuttgart-Feuerbach in viele lange Gesichter. Kein Wunder: Hat der Technologiekonzern doch am Donnerstag bekannt gegeben, dass zum ohnehin geplanten Stellenabbau nochmals 13 000 Stellen in Deutschland wegfallen sollen in den nächsten Jahren. Die meisten davon in der Region Stuttgart, viele hier in Feuerbach.

 

Gerüchte, dass der Stellenabbau heftiger ausfallen könnte als angenommen, hatten manche bereits vorher gehört, sie machten in den vergangenen Tagen die Runde. Aber andere, die jetzt zum Tor 1 im Industriegebiet laufen, hat die Botschaft kalt erwischt. Für Olaf Boden, der in der Kfz-Branche beschäftigt ist, die besonders betroffen sein soll, war die Nachricht ein „Schock“, obwohl auch er das Gefühl hatte: „Da wird noch was kommen.“ Er selbst sei mit 57 Jahren ohnehin im Herbst seiner beruflichen Karriere, „aber für die Jungen sieht es richtig mies aus.“

Betriebsrat soll den Tränen nah gewesen sein

Auch Thomas Gann, Entwicklungsingenieur bei Bosch Power Solutions, sagt, er habe geahnt, „dass etwas im Busch ist“. Hart getroffen hat ihn die Mitarbeiterversammlung am Donnerstag, als die Chefs die Karten auf den Tisch legten, aber trotzdem. Dass ausgerechnet Frank Sell, Gesamtbetriebsratschef der Kfz-Sparte Mobility, den Tränen nah gewesen sei, habe ihn besonders besorgt, erzählt der 49-Jährige: „Der ist einiges gewohnt.“ Dem Unternehmen fehle aktuell eine klare Vorstellung für die Zukunft, sagt Gann dazu, dass Bosch der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit mehr und mehr Personalabbau begegne.

Bei Tamer Burgazli, 41 Jahre, lösen die Entwicklungen Zukunftsängste aus. „Ich habe irgendwann auch keinen Bock mehr, immer wieder neu anzufangen“, sagt Burgazli, der nach eigener Auskunft nur einen befristeten Vertrag besitzt und nun um seinen Arbeitsplatz bangt. Auch er habe der Versammlung beigewohnt, die Stimmung sei „nicht prickelnd“ gewesen. Einerseits mache sich die Marke Bosch mit der Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer „selber kaputt“. Andererseits sieht Burgazli die Politik in der Pflicht, weil diese die Bedingungen für die Flucht der Industrie ins Ausland erst schaffe. „Existenzängste sind halt da“, sagt er – außerdem habe er einen Sohn und gegenüber ihm auch Verpflichtungen.

Ausmaß des Stellenabbaus kam für viele überraschend

Auch Steffen Marshall sieht die alleinige Schuld an der dramatischen Situation nicht bei Bosch: „Die Politik hat die Probleme verursacht“, deswegen könne er den Schritt ein stückweit verstehen. Aber irgendwie müsse das Unternehmen „den Weg da rausfinden.“ Er fragt sich: „Was ist der langfristige Plan? Muss erst ganz Deutschland arbeitslos werden?“ Marshall, der im Bereich Brennstoffzellen tätig ist, leidet unter den Umständen: „Man wacht jeden Morgen auf, fragt sich, kommt die Nachricht: Wird abgebaut?“ Außerdem seien die Aussichten auch außerhalb von Bosch nicht rosig.

Der nächste Bosch-Mitarbeiter, der zum Schichtwechsel Richtung Firmengelände unterwegs ist, kann seinen Missmut ebenfalls nicht verbergen. „Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch und versuche, das nicht so sehr an mich ranzulassen“, sagt Marcus Kristen, „aber irgendwo beschäftigt es einen natürlich schon als Vater von drei Kindern, die noch in der Ausbildung sind.“ Kristen ist seit über 30 Jahren im Unternehmen. Sehr überrascht habe ihn der Stellenabbau nicht, „aber die hohe Anzahl an Stellen.“

Damit unterstreichen viele Mitarbeiter, was Bosch-Betriebsrat Frank Sell bereits am Donnerstag kritisiert hatte. Zu einseitig werde auf die Personalkosten geschaut, effizientere Organisation könne seiner Ansicht zumindest einen Teil der Stellenkürzungen abfangen. Gleichzeitig kündigte Sell mit Blick auf Verhandlungen zum Stellenabbau einen „extrem heißen Herbst“ an: „Wir werden kämpfen wie die Löwen.“

Adrian Hermes, bei der Gewerkschaft IG Metall für Bosch verantwortlich, befürchtet, dass die Unternehmensführung um Stefan Hartung die Krise nutze, um schleichend Jobs in Billiglohnländer zu verlagern. Tatsächlich wurde im September bekannt, dass die Elektrowerkzeug-Sparte von Bosch 2026 die Produktion am Stammsitz in Leinfelden-Echterdingen schließen und verstärkt in Ungarn, wo die Löhne niedriger sind, ansiedeln will.

13 000 Stellen, die wegfallen – das entspricht mehr als zehn Prozent der 129 600 Mitarbeiter, die das Unternehmen eigenen Angaben nach in Deutschland beschäftigt. Weltweit arbeiten über 400 000 Menschen bei Bosch.