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Ministerpräsident Mappus bemüht sich, in der Atomdebatte nicht mehr der Scharfmacher zu sein.

Stuttgart - Welche Konsequenzen wird die Atomkatastrophe von Japan auf den Ausgang der Landtagswahl in Baden-Württemberg haben? In der Südwest-CDU wachsen die Sorgen vor einem Machtverlust.

Wenn es biologisch möglich wäre, würde sich Stefan Mappus in diesen Tagen sicher gerne aufteilen. Mal Ministerpräsident, mal Wahlkämpfer, mal Privatmann. Nun kommt noch eine weitere Rolle hinzu: die des Krisenmanagers in eigener Sache. Denn die Tatsache, dass Mappus seit Monaten einer der glühendsten Verfechter der Atomenergie war und Bundesumweltminister Norbert Röttgen ob dessen zögerlicher Haltung bei diesem Thema gar zum Rücktritt aufforderte, wird für ihn nun zur Belastung. "Wir müssen alles dafür tun, um ihn aus der Schusslinie zu holen", heißt es seit Montag aus dem Umfeld von Mappus.

"Vertrauen der Bürger zurückgewinnen"

Schon am vergangenen Wochenende begann das interne Krisenmanagement. Erst traf sich eine Runde mit CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk, CDU-Generalsekretär Thomas Strobl, den Ministern Heribert Rech (Innen), Helmut Rau (Staatsministerium) und Tanja Gönner (Umwelt) bei Mappus in der Stuttgarter Regierungszentrale, einen Tag später tagte das ähnlich besetzte Krisenkabinett im Umweltministerium. Die entscheidenden Fragen: Was ist zu tun, damit die Landesregierung nicht zum Getriebenen wird? Man wolle "nicht die gleichen Fehler wie beim Thema Stuttgart 21 machen", lautete die Parole, es gelte jetzt, "das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen", so ein führender CDU-Mann.

Aus diesem Grund beantragte die CDU flugs, noch bevor die Landtagsopposition auf die Idee kam, für heute 14 Uhr eine Sondersitzung des Landtags. Thema: Welche Folgerungen zieht das Land aus den Ereignissen in Japan für seine Energiepolitik? Zugleich schickte die Landesregierung Experten los, um die Sicherheit der vier Meiler in Neckarwestheim und Philippsburg zu überprüfen. In der CDU-FDP-Koalition gibt es aber auch Stimmen, die diese Initiativen kritisch sehen. "Wenn gestern noch gesagt wurde, die Kernkraftwerke sind sicher, wirkt es etwas hilflos, nun deren Sicherheit zu überprüfen", meint ein Koalitionär.

Mappus hat gerade Ärger genug

Die Landtagsopposition sieht in den Maßnahmen und in der Ankündigung von Bundeskanzlerin Merkel, die Laufzeitverlängerung für drei Monate auszusetzen, um die Sicherheit aller Kernkraftwerke zu überprüfen, vor allem Taktik. Offensichtlich gehe es Merkel vor allem darum, "mit diesem Vorschlag irgendwie über die Wahltermine zu kommen", so Grünen-Landtagsfraktionschef Winfried Kretschmann. Auch SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid betont: "Baden-Württemberg braucht kein Moratorium, sondern die endgültige Stilllegung von Neckarwestheim I und Philippsburg I."

Damit aber nicht genug des Ärgers für Mappus. Ihm droht zudem eine neue Diskussion um den Wiedereinstieg des Landes bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Im alten Jahr hatte der Regierungschef den milliardenschweren Deal noch als Coup gefeiert, auch wenn er für die Missachtung des Parlaments scharf kritisiert worden war. Wenn nun aber im Zuge des Moratoriums das Aus für Neckarwestheim I kommt, fürchten Experten einschneidende Konsequenzen für die EnBW. "Wenn der Wert des Energiekonzerns sinkt, bekommt man die Aktien nicht zu dem Preis los, wie man sie gerne los gehabt hätte." Die Folge: Das Land muss womöglich finanziell draufzahlen. Erschwerend kommt hinzu: Das Land kann sich nun nur bedingt an der Debatte über die Zukunft der Atomkraft beteiligen. "Als Hauptanteilseigner der EnBW ist man quasi befangen", warnt einer.

Nach Stuttgart 21 folgten weitere heikle Themen

So rückt die Landtagswahl am 27. März immer näher, und selbst Optimisten im Umfeld von Mappus räumen ein, "dass die Unwägbarkeiten vor einer Wahl noch nie so groß wie diesmal waren". Das Debakel um Stuttgart 21 schien schon fast vergessen, dann kamen andere heikle Themen wie der EnBW-Deal, die Plagiatsaffäre um Publikumsliebling Guttenberg, die unverhohlene Kritik von Mappus an Stuttgarts OB Schuster - und nun die Atomdebatte.

Noch vor wenigen Tagen dürfte das kaum jemand erwartet haben. Bester Beleg: Der CDU-Wirtschaftsrat lud zur Klausur "Energie- und Umweltpolitik" nach Berlin ein. Hinter verschlossenen Türen im vornehmen Hotel Adlon ging es um den "Aufbruch ins neue Energiezeitalter", so das Tagungsmotto. Mit dabei: EnBW-Chef Hans-Peter Villis. Und der dachte - nach übereinstimmenden Berichten von Tagungsteilnehmern - laut darüber nach, dass er gerne in Frankreich ein Kernkraftwerk bauen würde. Ob er das jetzt auch noch so sagen würde?