Landtagswahl 2011: Stefan Mappus (CDU) im Porträt - Beobachtungen aus dem Wahlkampf.

Gammertingen - Er war für kurze Zeit der jüngste Ministerpräsident Deutschlands, jetzt kämpft Stefan Mappus darum, nicht der Ministerpräsident mit der kürzesten Amtszeit zu werden. Beobachtungen aus dem Landtagswahlkampf des CDU-Vormannes.

Die Luft ist stickig, der Geruch von Gummi hängt in der Luft. Eine riesige Fabrikhalle in Gammertingen. Wo sonst Reifen montiert werden, stehen jetzt Bierbänke. Es ist der passende Ort für Stefan Mappus, um Gas zu geben. Die Landtagswahl rückt näher. Und der Ministerpräsident, erst ein Jahr im Amt, kämpft um sein politisches Überleben. Vor einem halben Jahr schien Mappus unter der Macht der Bilder vom katastrophalen Polizeieinsatz bei Stuttgart 21 die politische Macht schon verloren zu haben. Nun, da die Umfragen besser werden, strotzt der 44-jährige CDU-Spitzenkandidat vor Selbstvertrauen.

3000 Zuhörer sind gekommen. Hier in Oberschwaben, das weiß er, wird in den meisten Geburtsurkunden neben der Konfession quasi auch die CDU-Mitgliedschaft eingetragen. Also legt er los. Er preist die Schaffenskraft der Unternehmer, dankt den Ehrenamtlichen für ihren Einsatz, betont den Stellenwert der Familie - und fährt mit bebender Stimme volle Breitseiten gegen die politischen Gegner. "Dieses Land kann es sich nicht leisten, am 27. März die Grünen zu wählen." Mit Blick auf die SPD fügt er bissig hinzu, "die Wowereits" dieser Republik würden jetzt im Wahlkampf wieder im Südwesten das Sparen predigen, dabei seien die finanziell so klamm, "dass sie sich nicht mal das Fahrtgeld nach Baden-Württemberg leisten können". Mappus, der Einpeitscher. Die Halle tobt, das Bier schwappt aus den Plastikbechern.

Mappus freut sich auf Wahlkampf

Mappus ist in seinem Element. Er habe sich selten so auf den Wahlkampf gefreut wie diesmal, betont der studierte Diplom-Ökonom, der mal bei Siemens für den Vertrieb von Telefonanlagen zuständig war. Jetzt, da es um alles oder nichts geht, ist im ehemaligen Mittelstürmer von Viktoria Enzberg der Kampfesinstinkt ausgebrochen. Viele Sätze beginnt er mit dem Wörtchen "wir", oft spricht er von "unserem Land". Das soll Nähe schaffen zu den Menschen, die sich landauf, landab noch immer schwer tun, wenn sie den bullig wirkenden Mann aus Pforzheim im Fernsehen sehen und ihr Urteil nicht selten nach einer persönlichen Begegnung korrigieren. Da mögen die Umfragewerte für seine Politik auch auf Wachstumskurs sein, seine Popularitätswerte gelten eben noch als optimierungsfähig.

Mappus versucht dieses Defizit mit Einsatz wettzumachen. Seit Wochen quillt sein Terminkalender über. Keine Zeit zum Innehalten, zum Nachdenken über die Frage, ob ein Ministerpräsident eigentlich Handlungsreisender sein muss oder eher Handelnder sein sollte. Aber er hat (derzeit) keine andere Wahl. Und er holt sich prominente Hilfe. Neunmal ist die Kanzlerin in diesem Wahlkampf in Baden-Württemberg - so oft wie in keinem anderen Bundesland. Angela Merkel weiß nur zu gut: Geht die CDU-Bastion Baden-Württemberg nach 57 Jahren verloren, bekommt auch sie ein Problem. Also kämpft sie für Mappus - und damit auch für sich selbst. So wie an diesem Nachmittag. Erst in Gammertingen, später in Ravensburg. Sie dankt dem "lieben Stefan" für seinen Einsatz, sie zeigt Verständnis für seine Klage gegen den Länderfinanzausgleich, sie keilt gegen Hartz-IV-Schnorrer, und sie stärkt Mappus den Rücken für seine Haltung beim umstrittenen Milliardenprojekt Stuttgart 21. "Baden-Württemberg muss auf Kurs bleiben, sonst wird es abgehängt." Ein Satz, der verkehrs- und parteipolitisch gemeint ist.

Merkel und Mappus: Schulterschluss im Wahlkampf

Merkel, der Machtmensch. Wie Mappus. Sie spielen sich verbal die Bälle zu. Das war nicht immer so. Aber jetzt im Wahlkampf herrscht Schulterschluss. "Danke für die grandiose Leistung, liebe Angela", lobt Mappus das Krisenmanagement der Kanzlerin. Die wiederum ernennt die Zuhörer flugs zu "Leuchttürmen". Es gelte, die CDU-Botschaft ins Land zu tragen, "dass Stefan Mappus Ministerpräsident bleiben muss und Experimente am 27. März fehl am Platz sind".

Aber was ist das für ein Mensch, der in seiner gepanzerten Karosse von Wahlkampftermin zu Wahlkampftermin rast, die kurzen Haarstoppel stets gegelt hat und sich oft krampfhaft an das Redemanuskript hält, um ja keinen Fehler zu machen? Die einen loben seine Verlässlichkeit, seine Bodenständigkeit, seine Fähigkeit zum Zuhören. Die anderen beklagen seinen Dickkopf, seinen Hang zum verbalen Hinlangen. So wie neulich beim Parteitag in Donaueschingen, als Mappus die Finanzpolitik anderer Bundesländer brandmarkte und seinem rheinland-pfälzischen Kollegen Kurt Beck (SPD) vorwarf, der habe ja nun nicht nur den Kindergartenbesuch kostenlos gestellt, der werde wohl "demnächst auch noch Freibier für die Eltern ausschenken lassen, die ihre Kinder abholen". Die einen johlen, andere runzeln nachdenklich die Stirn. Darf ein Ministerpräsident so polemisch sein?

"So ist der Stefan", sagt ein Weggefährte, "er kann sehr zuvorkommend, aber auch sehr impulsiv sein." Enge Mitarbeiter bestätigen das. Da kann es schon mal passieren, dass der Chef genervt das Telefonat mit Beamten in der Regierungszentrale beendet oder eine erboste Mail schreibt, weil sie ihm nach dem Aktenstudium mitteilen, dass etwas rechtlich nicht geht, was er politisch gerne hätte. Jeden Morgen um 8.30 Uhr werden die engsten Vertrauten zur Telefonkonferenz zusammengeschaltet, um mit ihm die Lage zu erörtern. "Widerspruch gibt's dort selten", erzählt einer übers sogenannte "Küchenkabinett", das Mappus mit Weggefährten besetzt hat. Angefangen bei Staatsminister Helmut Rau über Büroleiter Christian Schaufler (Sohn des früheren Verkehrsministers) bis zu Regierungssprecher Heiko Kusche, der Mappus schon als CDU-Kreisgeschäftsführer in Pforzheim diente.

Mappus hätte Ärger vermeiden können

In diesem Kreis ist er unangefochten der Chef. Aber ist dieser Kreis auch ein Korrektiv? Insider sind sicher, dass mancher politische Ärger - von den Steuerdaten-CDs bis zu den Turbulenzen um den Rückkauf des EnBW-Aktienpakets - vermeidbar gewesen wäre, wenn Mappus "nicht nur auf seine engsten Berater, sondern öfter auf das Haus hören würde". Dass die Sturheit manchmal als Scherbenhaufen enden kann, hat er jüngst erleben müssen, als er die verlängerte Wochenarbeitszeit für Beamte verordnen wollte und erst auf Druck der CDU-Fraktion einlenkte. "Ich hätte gestanden", sagte Mappus später in kleiner Runde. Soll heißen: Er hätte sein Ding durchgezogen.

Mancher in der CDU sinniert deshalb, "wie sehr Mappus seine Macht wohl erst ausspielen wird", wenn er die verloren geglaubte Landtagswahl wirklich gewinnen sollte. Für dieses Ziel gibt er Vollgas - und wird von Alt-Landesvater Erwin Teufel unterstützt. Etwa beim Seniorennachmittag in Ispringen. Auf dem Tisch stehen Frühlingsblumen, der Kaffee blubbert, Käsekuchen wird serviert. Erst spricht Lokalmatador Mappus. Er habe Teufel viel zu verdanken, damals, als der ihn ins Kabinett holte. Und er halte es mit seinem Mentor: "Politik lebt von Vertrauen, muss berechenbar sein." Dann redet Teufel. Der Vor-Vorgänger von Mappus zeichnet das große Bild der Politik, lobt die Aufbauarbeit der Menschen nach dem Krieg, spricht über Frieden und Freiheit, soziale Marktwirtschaft und Werte. Und stellt die Suggestivfrage: "Möchten Sie in einer anderen Zeit oder in einem anderen Land leben als jetzt?" Keine Hand erhebt sich. Genau auf diesen Effekt hat der alte Fuchs gesetzt. Und so verpackt Teufel seine Wahlempfehlung in freundliche Worte: "Stefan Mappus hat mein Vertrauen. Wenn ich ihm vertraue, machen Sie keinen Fehler, wenn Sie ihm auch vertrauen." Fehlt nur noch, dass jetzt die Stimmzettel verteilt werden. So weit kommt es nicht. Er sei überzeugt, die Wahl zu gewinnen, sagt Mappus. Und wenn Grün-Rot-Rot ihn doch aus dem Amt verdrängt? Das sei für ihn kein Thema, heißt es in seinem Umfeld. Es geht für ihn um alles oder nichts.