Pendler wie hier auf der Heilbronner Straße, der B 10/B 27, brauchen im stockenden Verkehr mehr Zeit für die Fahrt und oft viel Geduld. Foto: dpa

In der Landeshauptstadt haben die Autofahrer 2012 tagsüber mehr Zeit als in jeder anderen deutschen Stadt verloren. Die Verkehrsleitzentrale führt dies unter anderem auf Staus auf der Autobahn zurück. Einige Blockaden könnten allerdings mit neuer Steuertechnik verhindert werden.

Stuttgart - Jeden Morgen und jeden Abend dasselbe: Schritttempo, Stillstand, meterweises Vorrücken – der Berufsverkehr für Autofahrer ist nervtötend in Stuttgart. Nun hat sich die Landeshauptstadt den wenig schmeichelhaften Superlativ „Stau-Metropole“ eingehandelt.

Der Navigationsgerätehersteller Tomtom hat im Jahr 2012 die Daten von Navi-Nutzern erhoben, darunter die von Autofahrern, die in und um Stuttgart rund acht Millionen Kilometer zurückgelegt haben. Verglichen wurden dann die Fahrzeiten tagsüber mit Fahrten in der Nacht, wenn keine Verkehrsstörungen vorliegen.

Das Ergebnis: In Stuttgart brauchen Autofahrer tagsüber für dieselbe Strecke im Schnitt ein Drittel länger als bei Nacht. Den größten Zeitverlust haben Autofahrer, die für Fahrten am Dienstagmorgen (59 Prozent) und am Donnerstagabend (67 Prozent) im Berufsverkehr unterwegs sein müssen. Zu Spitzenzeiten wie beispielsweise am Freitag, 20. Juli 2012, an dem die Sommerferien in Baden-Württemberg begonnen haben, sind aus einer Stunde Fahrzeit ruckzuck eine Stunde und 38 Minuten geworden.

An der Aussagekraft der Studie zweifelt der Automobilclub ADAC Württemberg nicht. Volker Zahn, der Leiter des Bereichs Verkehr und Technik, führt bekräftigend die täglichen Stauerlebnisse ins Feld und hält die von Tomtom ermittelten Größenordnungen für realistisch – „und erschreckend“. Die Stadt müsse, so Volker Zahn, „dringend etwas tun, um den Verkehrsfluss zu verbessern“. Momentan sei die Bevorzugung des öffentlichen Nahverkehrs, des Radverkehrs und der Fußgängerströme zu beobachten, während die Stadt eher eine „bewusste und gewollte Priorisierung des Individualverkehrs nötig“ hätte.

Fahrbahnen auf A 8 saniert

Insbesondere an den neuralgischen Punkten wie am Heslacher Tunnel, der B 14 und der B 27 fehle eine intelligente Verkehrssteuerung, wie man sie bereits am Neckarpark habe. Einzig an der Wilhelma-Kreuzung zeichne sich durch die Planfeststellung für den Rosensteintunnel eine Besserung ab.

Den hohen Zeitaufwand für Fahrten in der Stadt im Jahr 2012 führt Ralf Thomas unter anderem auf die Baustelle auf der A 8 zurück. Dort sind bis August 2012 die Fahrbahnen saniert worden, was auch zu verkehrsschwachen Zeiten immer wieder zu Staus geführt hatte. Die Autofahrer suchten deshalb massenhaft eine staufreie Route durch die Stadt. Für den Leiter der Integrierten Verkehrsleitzentrale im Amt für öffentliche Ordnung ist Volker Zahns Forderung nach einer besseren Verkehrssteuerung allerdings Wasser auf die Mühlen. Dem Verkehrsexperten fehlen an einigen Stellen in der Stadt die nötigen technischen Voraussetzungen. „Wir haben insbesondere im Süden, in Möhringen, Vaihingen und Degerloch eine Menge Umfahrungsverkehr, wenn es auf der Autobahn 8 Störungen und Staus gibt, aber genau dort sehen wir nichts! Es gibt keine Kameras, es gibt keine Messstellen, wir wissen aktuell also nicht, wie sich der Verkehr dort entwickelt.“

Zusammenarbeit mit deutschem Navigationsgerätehersteller Garmin

Dort hält Ralf Thomas eine bessere Verkehrslenkung für machbar, zumal viele Ampeln regelbar wären. Ähnlich sei die Situation am Waldaupark rund um das Gazistadion. „Wenn wir dort den Verkehr lenken wollen, brauchen wir allerdings auch Tafeln für Umleitungshinweise“, so Thomas. In den vergangenen zwei Haushaltsplanberatungen sei die Integrierte Verkehrsleitzentrale allerdings „fast leer ausgegangen“. Jetzt setzt Thomas auf die kommenden im Herbst.

Bisher gibt die Verkehrsleitzentrale ihre Staumeldungen und Umfahrungsempfehlungen an Radiosender weiter. Die Strategie aber ist, mit dem deutschen Navigationsgerätehersteller Garmin zusammenzuarbeiten. „Der Antrag für das Projekt ist beim Land eingereicht“, sagt Ralf Thomas. Dann könnten die Autofahrer die Empfehlungen auf ihrem Navigationsgerät abrufen.

Übers Jahr gerechnet haben Pendler bei einer 30-minütigen Anfahrt laut Tomtom-Studie 89 Stunden Zeit verloren.Wirksam gegen Stockungen und Staus wäre der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel im großen Stil, doch die, so Volker Zahn vom ADAC, „sind jetzt schon voll ausgelastet“. Durch die derzeitige Verkehrspolitik wolle man die Autofahrer zum Umstieg zwingen, statt Bus und Bahn schmackhaft zu machen.