Erinnerung an den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus: Helmuth Caspar Graf von Moltke bei der Stauffenberg-Gedächtnisvorlesung im Neuen Schloss. Foto: jan

Der Sohn des Widerstandskämpfers Helmuth Caspar Graf von Moltke war Gast bei der diesjährigen Stauffenberg-Gedächtnisvorlesung in Stuttgart. Eine Geschichtsstunde mit aktuellen Bezügen.

Stuttgart - Der Mann, der im voll besetzten Weißen Saal des Neuen Schlosses am Rednerpult steht – Helmuth Caspar Graf von Moltke – trägt einen großen Namen, und er sorgt am Samstagnachmittag für einen großen Moment in der Reihe der jährlichen Stauffenberg-Gedächtnisvorlesungen. Denn dem aus den USA angereisten Gast gelingt es, die Geschichtsstunde in eine auf die Gegenwart und Zukunft hin ausgerichtete Lehrstunde für Versöhnung zu verwandeln. Ein Gewinn nicht nur für die Mitglieder der ehrwürdigen Stauffenberg-Gesellschaft, sondern auch für die Schüler des einst von Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seinem Bruder Berthold besuchten Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums, die die Gedenkstunde musikalisch begleiten und bereichern.

Moltkes Vater, Helmuth James Graf von Moltke, war Kopf der Widerstandsbewegung, die sich nach dem Ort ihrer Zusammenkunft in Niederschlesien Kreisauer Kreis nannte. Im Januar 1945 wurde Moltke von den Nationalsozialisten im Alter von 37 Jahren ermordet. Damit starb eine zentrale Figur des deutschen Widerstands. Das müssen auch die Nazis geahnt haben. Zwei Tage vor seiner Hinrichtung schrieb Moltke an seine Frau Freya, die Machthaber hätten begriffen, dass in Kreisau die Axt an die Wurzel des Nationalsozialismus gelegt worden ist.

Spannende Geschichtsdetails

Anders als die Verschwörer des 20. Juli 1944 um Claus Schenk Graf von Stauffenberg sind Moltke und sein Kreis nicht zur Tat geschritten; sie entwickelten jedoch konkrete Vorstellungen für ein demokratisches Nachkriegsdeutschland und das zu einem Zeitpunkt, als Adolf Hitler noch von Sieg zu Sieg eilte. Sein 1937 geborener ältester Sohn fügt dem Bild von Helmuth James Graf von Moltke spannende Details hinzu. Demnach fragte er 1941 über einen Verwandten bei Claus Schenk Graf von Stauffenbergs an, ob dieser für einen Umsturz zu gewinnen sei. Stauffenberg, den er später auch persönlich traf, habe damals mit dem Hinweis abgelehnt, nach dem Krieg werde mit der „braunen Pest“ aufgeräumt. Sein Vater, so folgert Moltke, „war aktiv in der Suche nach einer Entmachtung Hitlers. Er suchte Partner, um die Nazis loszuwerden.“ Er sei ein Denkender und ein Handelnder gewesen. Sogar ein Datum für einen Umsturz sei genannt worden: 18. Dezember 1941.

Gleichwohl hatte sich der überzeugte Christ gegen ein Attentat auf Hitler ausgesprochen und sich nach dem 20. Juli 1944 – wohl auch aus Gründen des Selbstschutzes – davon distanziert. „Beim ersten Kontakt aber war es mein Vater, der Stauffenberg für einen Putsch rekrutieren wollte.“ Sein Sohn unterstreicht im Neuen Schloss: Ohne das Attentat auf Hitler würde dem Widerstand „sein Kern und seine herausragende Tat fehlen“. Das andere Deutschland von damals würde weniger stark wahrgenommen.

Kreisau ist heute eine Jugendbegegnungsstätte

Die Wirkung der Tat und damit des Widerstands insgesamt hat Helmuth Caspar Graf von Moltke intensiv erlebt. Auf seinen Stationen im Ausland – Südafrika, England, USA – machte der gelernte Jurist die Erfahrung, dass aufgrund des Widerstands viele Brücken entstanden sind, über die später eine Verständigung erfolgen konnte: „Die Geschichte des Widerstands ist eine Brücke zu ehemaligen Feinden.“ Moltke stellt besonders die Brücke zwischen Deutschland und Polen heraus, „die auf dem Fundament des Widerstands gebaut wurde“. Das ehemalige Gut seiner Eltern in Kreisau (Krzyzowa) ist heute eine von der Bosch-Stiftung unterstützte internationale Jugendbegegnungsstätte, die jährlich von 5000 Jugendlichen besucht wird. Kreisau, das betont auch Thomas Schnabel, der scheidende Leiter des Hauses der Geschichte, sei „ein Symbol für Menschen, die über Alternativen zum NS-Staat nachgedacht haben“ und stehe gleichzeitig für die deutsch-polnische Aussöhnung.

Moltke hält den Austausch zwischen jungen Menschen im „neuen Kreisau“ für wichtiger denn je – auch mit Blick auf aktuelle Entwicklungen: „Die Historie des Widerstands passt gut in die Notwendigkeit, in heutiger Zeit die demokratische Gesellschaft zu verteidigen. Das ist das stolze Vermächtnis unserer Väter.“ Wolfgang Schneiderhan, Vorsitzender der Stauffenberg-Gesellschaft, nimmt den Faden auf: „Dieses Vermächtnis wachzuhalten und in die staatsbürgerliche Bildungsarbeit einzubinden, ist unsere Pflicht.“ Man müsse mit historischem Wissen das „widerwärtige Geschwätz“ der Geschichtsverleugner entlarven.