Der 41-jährige Angeklagte im ersten von sieben Prozessen im Staufener Missbrauchsfall Foto: dpa

Der Hauptbeschuldigte im Staufen-Fall ist derzeit nur Zeuge, berichtet nun aber vor Gericht in Freiburg erstmals erschütternde Details der Taten.

Freiburg - Nach dem jahrelangen sexuellen Missbrauch eines Kindes aus Staufen bei Freiburg hat der Hauptbeschuldigte vor Gericht die Taten gestanden. Der heute neun Jahre alte Junge sei mehr als zwei Jahre lang von mehreren Männern und von ihm selbst vergewaltigt worden, sagte der 39-Jährige am Mittwoch als Zeuge im ersten Prozess um den Fall vor dem Landgericht Freiburg. Er und seine Lebensgefährtin, die 47 Jahre alte Mutter des Kindes, hätten den Jungen für Vergewaltigungen im Internet angeboten und mehreren Männern hierfür überlassen. Sie hätten dafür Geld erhalten. Einer der Männer habe mehrere Zehntausend Euro bezahlt.

Der 39-Jährige sitzt seit Herbst in U-Haft

„Ich werde aussagen“, betonte der Stiefvater des Jungen, nachdem er am Mittwoch den Gerichtssaal betreten hatte. Er und die Mutter des Kindes gelten in dem Fall, der vor rund drei Monaten bekannt wurde, als Hauptbeschuldigte. Zudem sind sechs Männer angeklagt. Im ersten von sieben geplanten Prozessen in dem Fall ist ein 41-Jähriger angeklagt. Er hat bereits gestanden, den Jungen nach Vermittlung des 39-Jährigen zweimal vergewaltigt zu haben. Der zweite Verhandlungstag wurde erneut in weiten Teilen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des angeklagten Gelegenheitsarbeiters aus der Ortenau hinter verschlossenen Türen verhandelt. Es wurde unter anderem der Sexualtherapeut des vorbestraften Kinderschänders angehört. Ein Urteil wird es laut Gericht voraussichtlich an diesem Donnerstag geben. Dem Mann droht nach Angaben von Staatsanwältin Nikola Novak eine langjährige Haftstrafe sowie Sicherungsverwahrung.

Auch der 39-Jährige, der nun als Zeuge im öffentlich verhandelten Teil des Prozesstages aussagte, ist mehrfach als Kinderschänder vorbestarft. Seit Herbst 2017 sitzt er in Untersuchungshaft und hat die Taten nun erstmals öffentlich einräumt. Seine Aussage trug er ohne erkennbare Gefühlsregung und ohne ein Wort des Mitgefühls oder des Bedauerns vor. Warum er nun als Belastungszeuge auftrete, wollte der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin wissen. Der 39-Jährige antwortete, ihm sei klar, dass er „Scheiße gebaut“ habe. Und er wolle nun, dass die anderen Täter ebenfalls „aus dem Verkehr gezogen werden, die dort hingehören, wo ich auch bin“.

„Wir haben wie eine normale Familie gelebt.“

Es habe von 2015 bis Herbst 2017 schätzungsweise mehr als 60 Taten gegeben, sagte der Mann. Genau wisse er es nicht mehr. „Ich habe nicht mitgezählt.“ Der Junge habe die ihm unbekannten Männer im Freien, in der eigenen Wohnung oder ihn hierfür angemieteten Ferienwohnungen treffen müssen. Er selbst habe sich im Schnitt einmal pro Woche an dem Kind vergangen, so der Stiefvater. „Dazwischen haben wir gelebt wie eine ganz normale Familie.“ Auch die Mutter sei beteiligt gewesen. So seien die Taten gefilmt, die Filme weiterverbreitet worden. Der Mutter habe dies der sexuellen Erregung gedient, antworte ihr Lebensgefährte auf die Frage nach dem Motiv der Frau. Der Prozess gegen ihn und die Mutter des Kindes beginnt am 11. Juni in Freiburg. Er soll der Anklage zufolge, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, auch ein drei Jahre altes Mädchen missbraucht haben.

Gericht erhebt auch Anklage gegen einen Spanier

Der erste Zeuge, den das Gericht anhörte, war ein pensionierter Polizist aus der Ortenau, der mit dem 41-jährigen Angeklagten im Rahmen eines Programms für rückfallgefährdete Sexualstraftäter nach dessen erster Haftentlassung in Kontakt war. Der Pensionär stellte dem Programm ein verheerendes Zeugnis aus: Die Rückfallzahlen seien viel zu hoch. Außerdem habe man zu wenig Personal und kaum eine Handhabe gegen die Teilnehmer.

Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat am Mittwoch auch Anklage gegen einen Spanier erhoben. Der 33-Jährige soll von September 2016 bis August 2017 mehrfach in die Region bei Freiburg gereist sein und den Jungen missbraucht haben. Es habe 15 Taten gegeben. Auch zu ihm nannte der Stiefvater des Jungen erstmals Details. Der Spanier habe beim ersten Treffen für die Vergewaltigung 10 000 Euro bezahlt,. Das Geld sei an ihn und die Mutter des Kindes gegangen. Wann der Prozess gegen den Spanier beginnt, ist laut Landgericht Freiburg noch offen. Das neunjährige Opfer ist inzwischen in staatlicher Obhut.