Wie entstehen eigentlich Staus? Klicken Sie sich durch unser Schaubild Foto: AP

Stau-Experte Michael Schreckenberg erklärt, wie sich Autofahrer im Stau verhalten sollten.

Stuttgart - Bricht die Urlaubskarawane in die Ferien auf, ist der Stau programmiert. An den nächsten Wochenenden ist es wieder so weit. Stau-Experte Michael Schreckenberg rät: Das Navi ignorieren, auf der Autobahn bleiben und mit Abstand zum Vordermann im Stop-and-go mitschwimmen. Alles andere dauert länger.

Herr Schreckenberg, gibt es ein bestimmtes Tempo bei der Fahrt auf Autobahnen oder Schnellstraßen, bei dem die Autos am besten im Fluss bleiben?

Bei 80 Stundenkilometer fließt der Verkehr am effektivsten. Das hat damit zu tun, dass dann die Fahrzeuge auf beiden Spuren gleich schnell unterwegs sind, da die Lkw zumeist sowieso mit Tempo 80 fahren. Bei höheren Geschwindigkeiten geht es links schneller voran, und es wird schwieriger, die Spur zu wechseln - etwa zwischen zwei Lkw. Pkw-Fahrer haben vor nichts so viel Angst wie vor Lkw.

Wenn es zu einem Stau kommt, was raten Sie in solchen Fällen den Autofahrern?

Was man nicht machen sollte, ist, die Lücke zwischen einzelnen Autos zu schließen. Bei großer Verkehrsdichte, die durch Auffahrten oder Steigungen noch verschärft wird, geht die Geschwindigkeit runter auf zehn bis 30 km/h. Dann gibt es Stauwellen nach hinten, so dass einzelne Fahrzeuge wirklich stehen bleiben müssen, wenn die Lücken geschlossen sind und man nicht mehr rollten kann. Die meisten Leute fahren aber dicht auf, weil sie Angst haben, dass sonst andere Fahrzeuge wegen einer Lücke die Spur wechseln. Gerade dieses ständige Spurwechseln muss man auch vermeiden. Aber Autofahrer haben immer das Gefühl, dass sie auf der langsameren Spur fahren. Außerdem müssen die Autofahrer, die auf eine Autobahn auffahren, das zügig tun. Sonst bremsen sie die hinten kommenden Fahrzeuge ab, was wiederum eine Stauwelle nach hinten auslösen kann.

Sind Autofahrer, die im Stau stecken und ein Navi haben, im Vorteil?

Im Allgemeinen nicht. Das Umfahren von Staus über das nachgeordnete Straßennetz suggeriert zwar Bewegung. Wenn man am Ende aber bilanziert, hat man doch länger gebraucht. Denn die Umfahrungsstrecken sind - vor allem in Ballungsräumen - meist auch vollkommen überlastet. Man sollte daher versuchen, sich im Stau im Stop-and-go möglichst gut mitzubewegen. Bei Vollsperrungen gibt es aber natürlich keine andere Wahl, als abzufahren.

Was machen Autofahrer, wenn Stau droht?

Wir haben festgestellt, dass 44 Prozent schnell abfahren. Das sind die sogenannten Sensiblen. Dann gibt es 14 Prozent Taktierer. Die fahren gezielt an den Stau heran, weil sie hoffen, dass alle anderen den Stau umfahren und er sich somit schnell wieder auflöst. 42 Prozent sind Konservative. Die machen das, was sie für richtig halten. 1,5 Prozent sind sogar stoisch konservativ. Das heißt, die fahren immer die gleiche Strecke, egal, was ist. Die kommen nach unseren Tests am schnellsten ans Ziel.

Wie entstehen eigentlich Staus?

Staus entstehen meistens da, wo man viele Auffahrten oder Steigungen hat. Dann wird die Verkehrsdichte automatisch größer, und es gibt die Stauwellen. 60 bis 70 Prozent der Staus kommen daher durch reine Überlastung zustande. Den Rest verursachen Baustellen und Unfälle.

Die Bevölkerung in Deutschland nimmt schon in wenigen Jahren nach den Voraussagen der Demoskopen stark ab. Dürfen wir hoffen, dass es bald weniger Staus gibt?

Das kann man. Wir werden künftig weniger Individualverkehr und weniger Binnengüterverkehr haben. Der Lkw-Transitverkehr wird aber zunehmen. Unterm Strich kann man jedoch davon ausgehen, dass sich die Verkehrssituation insgesamt wegen des Bevölkerungsrückgangs entspannen wird. Wir müssen trotzdem die Autobahnen sanieren und gut instand halten sowie die noch vorhandenen Lücken im Autobahnnetz schließen. Gute Fahrbahnen sorgen für besseren Verkehrsfluss und mehr Sicherheit.

Müsste die Verkehrserziehung um das Thema Stauvermeidung erweitert werden?

Auf jeden Fall. Wir müssen das den jungen Leuten erklären. Wie wir uns überhaupt auf andere Verkehrsbedingungen einstellen müssen. Dazu zählt auch das Thema Elektromobilität. Ich schlage zudem vor, dass nach zehn Jahren jeder Führerscheinbesitzer eine Fortbildung bekommen sollte.