Wie viel Prozent der Schuldsprüche fallen auf Ausländer? Und sind Frauen gesetzestreuer als Männer? Die neueste Strafverfolgungsstatistik wurde am Dienstag präsentiert – und gibt interessante Einblicke und Zahlen.
Stuttgart - Wenn die Autos erst einmal autonom und ohne den Unsicherheitsfaktor Mensch im Verkehr unterwegs sind, dann werden vielleicht auch die Strafgerichte im Land weniger Arbeit haben. Bis dahin sind Straßenverkehrsdelikte nach wie vor der größte Arbeitsbeschaffer für Staatsanwälte und Richter. Innerhalb dieser Fallgruppe sind es mit großem Abstand die Trunkenheitsfahrten, die vor Gericht abgeurteilt werden. Das geht aus der neuesten Strafverfolgungsstatistik hervor, die am Dienstag von Justizminister Guido Wolf und Carmina Brenner, der Präsidentin des Statistischen Landesamts in Stuttgart, vorgestellt wurde.
Der Gesamtüberblick
Im Jahr 2018 wurden in Baden-Württemberg 104 797 Personen von den Gerichten im Land verurteilt. Das sind 4100 Menschen oder 4,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Den stärksten Anstieg an Schuldsprüchen gab es in der Altersgruppe der Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren. Hier wurden sechs Prozent oder 230 Jugendliche mehr verurteilt als im Jahr zuvor. Um den Einfluss der Demografie auszuschließen, berechnen die Statistiker die sogenannte Verurteiltenziffer. Dabei wird die Zahl der Verurteilten ins Verhältnis zu 100 000 Menschen gesetzt. Auch diese Ziffer ist um 3,5 Prozent gestiegen. Von 100 000 Baden-Württembergern im strafmündigen Alter sind demnach im vergangenen Jahr 1092 Menschen verurteilt worden. Das sind 37 mehr als im Jahr zuvor.
Deutsche und Ausländer
Von den 104 797 Verurteilten hatten 43 100 Personen einen ausländischen Pass, das sind 41,2 Prozent. Das waren 2900 (7,3 Prozent) Schuldsprüche mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der deutschen Verurteilten nahm um zwei Prozent auf 61 700 zu. Während es bei den nicht deutschen Erwachsenen und Heranwachsenden mit 8,2 Prozent beziehungsweise 3,9 Prozent deutlich mehr Schuldsprüche gab, nahm die Zahl bei den nicht deutschen Jugendlichen deutlich ab, nämlich um 11,4 Prozent. Bei den Deutschen nahm die Zahl der Verurteilten hingegen in allen Altersgruppen zu.
Struktur der Delikte
Mehr als 70 Prozent der gerichtlichen Verurteilungen lassen sich in insgesamt fünf Tatkomplexe einteilen. Straßenverkehrsdelikte stehen mit 24 Prozent der Fälle klar an der Spitze, gefolgt von Betrug und Untreue (19,4 Prozent) und Diebstahlsdelikten (14,9 Prozent). Es folgen Verurteilungen wegen Drogendelikten (9,4 Prozent) und Gewaltdelikten (3,6 Prozent). Straßenverkehrsdelikte bringen sowohl Deutsche wie Ausländer am ehesten vor Gericht. Bei den Deutschen Gesetzesbrechern folgen Betrug und Untreue, bei den ausländischen kommt es häufiger zu Diebstählen.
Männer und Frauen
Den mit Abstand höchsten absoluten Zuwachs gab es mit mehr als 1000 Verurteilungen im Bereich Betrug und Untreue – und dort bei der Leistungserschleichung. Das ist zum Beispiel das Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Frauenanteil ist in dieser Gruppe mit mehr als 27 Prozent vergleichsweise hoch. Von den 10 600 Personen, die wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt wurden, waren hingegen nur 1500 Frauen. Insgesamt sank die Frauenquote unter den Verurteilten von 18,4 Prozent im Jahr 2017 auf nunmehr 18,1 Prozent.
Art der Sanktionen
Bei den 104 797 Schuldsprüchen wurde in 83 400 Fällen, das sind 79,6 Prozent, eine Geldstrafe verhängt. 14 900 Straftäter (14,2 Prozent) wurden zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Davon setzten die Gerichte mehr als 10 000 zur Bewährung aus. Letztlich mussten also rund 4800 Verurteilte eine Gefängnis- oder Jugendstrafe antreten. Die übrigen Schuldsprüche verteilen sich auf Jugendarrest, Verwarnungen und andere sogenannte Zuchtmittel.
Aussagekraft der Statistik
Die Strafverfolgungsstatistik gibt keine erschöpfende Auskunft über die Kriminalität im Land. Viele Bereiche werden nicht erfasst. Taten, die nicht zur Anzeige gebracht werden, bleiben ebenso unerwähnt wie nicht ermittelte Täter oder von der Staatsanwaltschaft eingestellte Verfahren. Die Statistik gibt aber Hinweise auf die Belastung der Strafjustiz – die bleibt extrem hoch. Justizminister Guido Wolf erklärt daher, bei den Haushaltsberatungen weitere 95 Stellen für Richter und Staatsanwälte zu fordern. In dieser Legislaturperiode hatte er zuvor bereits 150 neue Stellen durchgesetzt.