Als Kulturlandschaft sind die Weinberge aus Remstal und Kaiserstuhl nicht wegzudenken. Foto: /Gottfried Stoppel

Im Remstal gebe es „g’scheiten Wein und ebbes G’scheits zum Essen“, sagt Top-Weinmacher Fritz Keller. Mit Gert Aldinger hat er sich über die Zentren der Weinbaudynamik in Baden und Württemberg unterhalten.

Die Frage, was ihm eigentlich am Remstal so gefällt, dass er immer wieder bei Weinbaukollegen wie Gert Aldinger oder Hans Haidle vorbeischaut, die beantwortet Fritz Keller erst einmal ganz einfach: „Da gibt es g’scheiten Wein und ebbes G’scheits zu Essen – und nette Leut, die was vom Leben verstehen.“ Und es gibt Trollinger, sagt der einstige DFB-Präsident beim Treffen unter alten Weinfreunden im baden-württembergischen Weindiskurs. „Das lohnt sich, vor allem, wenn es einer ist wie der vom Aldinger – wir haben eher Spätburgunder.“

Acht verschiedene Vulkanböden

Scherz beiseite, der Hauptunterschied seien schon mal die Böden und die Kleinterrassen im Kaiserstuhl. „Bei uns gibt es insgesamt acht verschiedene Vulkanböden, ein bisschen Löss und auch ein paar Steillagen.“ Die wiederum seien ausschließlich von Hand zu bewirtschaften. „Wir haben keinen Trollinger, dafür etwas mehr Spätburgunder, Weißburgunder, Grauburgunder oder Chardonnay und nur ganz wenig Riesling.“ Auch der hat eine eigene Geschichte: „Mein Vater hatte eine Freundin im Rheingau, da hat sich das so ergeben.“ Ach ja und der Lemberger, den er selbst einst auf Tipp des damaligen Chefs der Weinbauschule aus Weinsberg mit nach Hause gebracht hat, der ist auch noch in kleinerem Maßstab präsent im Keller’schen Weinkeller. Unter dem Namen „Vino da verbotula“ – der Lemberger-Anbau war damals in Baden nicht erlaubt – habe er einst als Tafelwein klammheimlich sogar einige Preise eingeheimst.

Der Kaiserstuhl liege u-förmig in der Landschaft, während das Remstal ein lang gezogenes, gut durchlüftetes Tal in Ost-West-Richtung sei, sagt zu den grundlegenden Unterschieden wiederum Gert Aldinger. Es gebe aber auch eine ganz wichtige weinwirtschaftliche Funktion, bei der sich Kaiserstuhl und Remstal ziemlich gleich seien, sagt der Fellbacher Starwengerter: „Der Innovationsschub in Baden kommt vom Kaiserstuhl, in Württemberg kommt er vom Remstal.“ Er freut sich über Top-Jungbetriebe und „sehr viele VdP-Kollegen“. Ein Grund, auch da ähnele sich die Situation in den beiden Weingegenden, warum sich die Privatvermarkter in den vergangenen Jahrzehnten so gut entwickelt hätten, sei schlicht, dass die ganz großen genossenschaftlichen Betriebe „nicht unbedingt top sind“.

Krise im Weinbau auch als Chance für Neues

Die vom Remstal ausgehende Dynamik für Württemberg werde ganz klar auch andernorts wahrgenommen, stimmt Fritz Keller zu. Der Kaiserstuhl habe zusätzlich den Vorteil, dass es dort schon seit Jahrhunderten viele bekannte, hervorragende Lagen gebe. „Wir haben eine Krise, die vor allem bei den Großkellereien liegt“, betont er. Aber jede Krise habe eben auch einen Vorteil: „Wir konnten in den vergangenen Jahren all diejenigen Lagen kaufen, die nicht mit dem Vollernter bearbeitet werden können.“ So seien in seinem Besitz und Rebflächenbestand nun auch viele bekannte, teils steile Lagen, „die hätten wir vor 20 Jahren absolut nicht bekommen“. Dabei handele es sich zugleich um ökologisch höchst wertvolle Lagen mit über Jahrhunderte gewachsener großer Biodiversität. Keller: „Wenn Sie Weine aus solchen Lagen trinken, sind Sie der beste Naturschützer, den man sich vorstellen kann.“

Weinsberg bei Heilbronn samt der dortigen Weinbauschule spielt im Übrigen auch mit eine Rolle beim Verhältnis von Gert Aldinger zu den Badener Weinbaulanden. Einst, als er dort war, sei es obligatorisch gewesen, um viertel zehne (9.15 Uhr) mit den Badener Kollegen ein Vesper samt Wein einzunehmen. „Da ging es um Baden mit, nicht gegen Württemberg.“ Eines allerdings sei etwas „domm glaufa“: Fritz Keller war in Weinsberg gerade fertig, als Gert Aldinger dorthin kam – „sonst wäre dort noch viel mehr guter Wein getrunken worden“, sind sich beide sicher.

Weinbau ohne Pflanzenschutz?

Eine Frage, bei der Kaiserstuhl und Remstal in ähnlicher Weise betroffen sein könnten, das ist nach Ansicht der beiden Grandseigneurs des Weinbaus die der drohenden neuen EU-Verordnungen in Sachen Pflanzenschutz. Gerade auch in den schwer zu bearbeitenden, aber ökologisch wie weinbautechnisch wertvollen steilen Lagen sei Weinbau ganz ohne Pflanzenschutz völlig undenkbar. Sollten denn, da sind sich Keller und Aldinger einig, um das Jahr 2030 Bestimmungen EU-weit Geltung erhalten, wie sie Mitte 2022 in einem Entwurf präsentiert wurden, dann fürchten sie um den Bestand des Weinbaus im Südwesten. Ausdrücklich zum Schutz der Biodiversität ist dort bisher ein komplettes Verbot von Pflanzenschutz für jegliche Schutzgebiete vorgesehen. Eine üble Ironie aus Sicht der beiden: „Die Biodiversität wird oft erst durch die Nutzung als Weinbaufläche erreicht.“