Der Cannabis-Unternehmer Finn Hänsel (links) bei der Weinprobe mit Jungwinzer Thomas Diehl in den Weinbergen von Rotenberg. Foto: ubo

Mit Erfolg vertreibt er Medizin auf der Basis von Hanf: In den Weinbergen von Rotenberg hat der Berliner Startup-Unternehmer Finn Hänsel für die Legalisierung von Cannabis geworben.

Stuttgart - Bisher kannte Finn Hänsel, ein Star der deutschen Startup-Szene, der groß ins Cannabis-Geschäft eingestiegen ist, von Stuttgart nur den Kessel, also Staus, Baustellen, dicke Luft. Dass er jetzt zum Stuttgart-Fan geworden ist, liegt daran, dass er bei seinem jüngsten Besuch die Stadt als grünes Paradies entdeckt hat. Beim Fernsehturm hat der Wahl-Berliner im Waldhotel geschlafen, zur Grabkapelle Württemberg ist er emporgestiegen, um dann als Gast einer Online-Weinprobe auf dem Weingut Diehl mitten in den Weinbergen von Rotenberg den Blick über das Neckartal zu genießen. Ach, die Toskana kann nicht schöner sein!

Für die Legalisierung von Hanf setzt sich der 38-Jährige ein, seit er Schüler in Flensburg war. Der Vater einer Mitschülerin, ein Arzt, der an Krebs erkrankt war, befreite sich von seinen Schmerzen, in dem er sich 2002 illegal Cannabis aus Holland besorgte und sich damit medikamentierte. Davon tief bewegt, beantragte Finn Hänsel als Mitglied der Jungen Union die Entkriminalisierung von Cannabis im Landesverband der CDU. Dass er vor 18 Jahren nur knapp unterlag, mit 46 zu 54 Prozent, hat bundesweit Schlagzeilen gemacht und ihn zum ersten Mal in den Fokus der Medien gerückt.

In Australien hat er einen Zalando-Ableger aufgebaut

Mit 29 Jahren hat er für Rocket-Internet einen Zalando-Ableger in Australien aufgebaut und danach die Umzugsplattform Movinga stabil gemacht. Jetzt erzielt er, da seit 2017 in Deutschland die medizinische Nutzung von Cannabis erlaubt ist, mit Extrakten aus der Hanf-Pflanze rasant steigende Umsätze. Seine Produkte aus CBD (Cannabidiol) werden gegen Migräne, Menstruationsbeschwerden, Schlaflosigkeit, innere Unruhe und Schmerzen eingesetzt. Tropfen, Kapseln, Hautcremes, Badezusätze und Verdampfer zum Einatmen gibt es bei ihm oder in Apotheken und Drogeriemärkten, die er beliefert. In der Corona-Krise ist sein Verkauf nach oben geschnellt, wie er berichtet: „Die Leute waren daheim, habe sich mit sich beschäftigt und wollten sehen, was ihnen gut tut.“

Bald kommt der Hamsterwein in der Sommeredition

Auch Jungwinzer Thomas Diehl hat mit einer guten Idee in der Pandemie Verkaufserfolge übers Netz erzielt. Sein Hamsterwein war bundesweit ein Renner. Jetzt folgt die Sommeredition. Der allerliebst gezeichnete Hamster auf dem Etikett fährt Motorrad, liegt am Strand oder angelt. Ein begehrtes Sammlerstück sind diese Flaschen geworden. Als „Corona-Gewinner“ wollen sich Diehl und Hänsel, die auf der Rotenberger Terrasse bei einer Zoom-Konferenz Weine und eine Flasche Berliner Weiße (der Startup-Unternehmer aus Berliner braut auch Bier) mit Teilnehmern aus allen Teilen Deutschlands besprechen, nicht bezeichnen. Denn das positive Wort „Gewinn“ passe nicht zu einer Krankheit, die so viele negative Folgen hat.

Finn Hänsel hat schon viele Start-ups gegründet. Mit seiner Canabis-Firma Vaay fühlt er zum erstem Mal „so etwas wie eine Berufung“. Im Höhepunkt der Coronakrise hatte er Lieferschwierigkeiten. Die USA seien, sagt der 38-Jährige, mit der Entwicklung fünf Jahre voraus. Dort sei 90 Prozent der Menschen CBD ein Begriff, 40 Prozent hätten es schon probiert. In Deutschland seien das höchstens fünf Prozent. „Die Themen Entspannung, Erholung und Schlaf“ stünden in den USA im Zusammenhang mit Wirkstoffen aus der Hanfpflanze an erster Stelle. Während in Deutschland Cannabis vor allem als Mittel gegen Schmerzen gilt. In den USA sei die Beliebtheit über die Werbung durch Profisportler gesteigert worden, dann über Yoga und Meditation. „Die wirkliche Wende“, sagt Hänsel, „haben die Haustiere gebracht.“ Als Tierbesitzer sahen, wie ihre damit behandelten Tiere sich entspannten, wollten sie CBD auch selbst probieren.

Hänsel will wieder nach Stuttgart kommen

Finn Hänsel glaubt, dass in seiner Partei, in der CDU, das Umdenken längst begonnen hat. Dass Cannabis eine Einstiegsdroge sei oder dumm mache, glaube inzwischen ernsthaft keiner mehr. Sollte es zu einer schwarz-grünen Koalition kommen, ist der Vaay-Chef überzeugt, werde die Legalisierung nicht mehr aufzuhalten sein. Das Beispiel Stuttgart, wo am dunkle Eckensee nachts Kiffer den noch verbotenen Hanf zu überhöhten Preisen kaufen, ist vielleicht ein Beispiel dafür, wie verheerend sich die Kriminalisierung von Cannabis auswirkt. Wäre Stuttgart die Krawallnacht erspart geblieben, wäre Hanf legal? Wegen eines Drogendelikts hatten sich die Ereignisse vor zwei Wochen hochgeschaukelt.