OB Frank Nopper (CDU) bindet sich während der CSD-Rede eine Regenbogen-Krawatte um. . Foto: Lichtgut/Leif/chowski

Mitten in seiner CSD-Rede hat sich OB Frank Nopper (CDU) am Freitagabend eine Regenbogen-Krawatte umgebunden und blieb – anders als angekündigt – doch bis zum Schluss beim Rathausempfang. Deutliche Worte fielen zur Eröffnung des Stuttgarter CSD.

Stuttgart - Auf Leihgaben ist die Stadt Stuttgart nicht mehr angewiesen. Bisher hat sich die Verwaltung Jahr für Jahr Regenbogen-Fahnen beim CSD-Verein ausgeliehen, um damit das Rathaus zu den LSBTTIQ-Feiertagen zu schmücken. OB Frank Nopper (CDU) hat veranlasst, dass sich die Stadt erstmals eigene Flaggen mit den Symbolfarben besorgt. Dafür gibt es im Großen Sitzungssaal Beifall von den etwa 50 Gästen, darunter Abgeordnete, Stadträte und Staatssekretärin Ute Leidig (Grüne), die vor Ort sein dürfen.

Die neuen Fahnen im Stadtbesitz sind nicht alles! Bei seiner ersten Rede zum CSD („In Backnang hab’ ich keine gehalten“) bindet er sich vor dem Mikro plötzlich einen selbst mitgebrachten Regenbogen-Schlips symbolträchtig um.

Ist das eine Sympathieerklärung an die Rainbow-Community?

Ist das etwa „Symbolpolitik“, die Nopper im Streit um fehlende Flaggen beim EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn abgelehnt hat – oder gar eine Sympathieerklärung? Bisher rätselte die Rainbow-Community, wie ernst es der neue OB mit der Akzeptanz der Vielfalt hält.

„Mit allem Nachdruck“, versichert Frank Nopper, sei er „gegen jedwede Form der Diskriminierung oder Ausgrenzung“ und „mit aller Entschiedenheit“ auch gegen Homophobie . Er sei allerdings dafür, dass sich der Oberbürgermeister zum CSD-Empfang eine Regenbogenkrawatte umbindet. Spricht’s, und Symbolbilder können entstehen.

Vorgänger Kuhn liebte die intellektuellen Deutungen des CSD-Mottos

Sein Vorgänger Fritz Kuhn (Grüne) lieferte sich in den Vorjahren einen intellektuellen Austausch von Deutungen zum jeweiligen CSD-Motto mit dem langjährigen CSD-Geschäftsführer Christoph Michl. Eine hauptamtliche Kraft gibt es aus finanziellen Gründen nicht mehr (der Verein muss sparen und lässt deshalb selbst beim Empfang Werbefilme in den Redepausen auf den Bildschirmen laufen). Der neue OB präsentiert lieber seine Standfestigkeit. Er ist keiner, der sein Regenbogen-Fähnlein in den Wind hält. Emotional hoch ging’s her während der Fußball-EM, die Mehrheit des Gemeinderats stellte sich in der Flaggenfrage gegen ihn. Beim Empfang bekräftigt der Mann mit der bunten Krawatte sehr ausführlich seine Haltung, weicht keinen Millimeter davon zurück, obwohl er weiß, dass es die meisten Gäste bei der per Live-Stream übertragenen Eröffnung des CSD-Kulturfestivals völlig anders sehen als er. Streit könne konstruktiv sein. „Wenn wir uns aneinander reiben“, bringe dies die Sache vielleicht sogar voran.

Vor dem Empfang liegt Spannung in der Luft

Der Sport solle nicht mit gesellschaftspolitischen Fragen aufgeladen werden, sagt Nopper, auch nicht mit Fragen der sexuellen Orientierung. Provokant spricht er das Thema Katar an. Die Fußball-WM werde von vielen gutgeheißen in einem Land, „in dem man als Homosexueller die Todesstrafe befürchten muss“.

Vor dem Empfang liegt Spannung in der Luft. Der CSD-Verein hat verärgert reagiert, als das OB-Büro mitteilte, Nopper müsse um 20 Uhr zum nächsten Termin, zum 175-Jahr-Jubiläum des Turnvereins Cannstatt. Die Drohung, man werde darauf deutlich reagieren, bleibt nicht ohne Wirkung. Der OB geht erst um 20.40 Uhr, als alles rum und der letzte Gitarrenton verklungen ist.

CSD-Vorstandsmitglied Raasch beklagt „zunehmende Hasskriminalität“

„Vielfalt kann heute offener gelebt werden“, erklärt Detlef Raasch, Vorstandsmitglied des CSD-Vereins erfreut. Früher habe man die Vielfalt verbergen müssen, heute sei sie sichtbar. Die oft gestellte Frage „Brauchen wir noch einen CSD?“ beantwortet der Altenpfleger, der sich ehrenamtlich für den CSD engagiert, mit einem klaren Ja. Was ihm Sorge bereitet, ist „die zunehmende Hasskriminalität“ gegen Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle. Wer sich im öffentlichen Raum als queer zu erkennen gebe, lebe gefährlich. Beschimpfungen wie „Schwule Sau“ würden immer noch zur Diskriminierung gebraucht. Zum Streit mit OB Nopper sagt Raasch: „Regenbogen-Fahnen sind keine politische Fahnen, sondern Menschenrechts-Fahnen!“