Joachim Löw will’s gegen Frankreich wissen. Foto:  

Der Bundestrainer hat zum Start der Nations League einen Plan: Joachim Löw will sich an der Stabilität des Weltmeisters orientieren, sein Ballbesitzspiel aber nicht komplett aufgeben.

München - Die Raumwahl des DFB im Münchner Hilton-Hotel, ob gewollt oder nicht, passt ins Bild. Im so genannten Raum Foyer I/II im Erdgeschoss finden vor dem Auftaktspiel in der Nations League gegen den Weltmeister Frankreich an diesem Donnerstag (20.45 Uhr/ZDF) die Pressekonferenzen statt, dort sprach also auch Bundestrainer Joachim Löw am Mittwochmittag zum Volke. Wer sich aber ein bisschen umschaut in den Gängen der schmucken Unterkunft zwischen der Isar und dem Englischen Garten, der erkennt auch noch ganz andere Säle. Ein Stockwerk über dem Ballsaal etwa finden sich Räume mit weitaus künstlerischerem Anspruch, zumindest vom Namen her. Picasso, Miro (nicht von Klose) und Dali heißen sie.

Hier hätten Löw und seine Spieler auch vorsprechen können – das aber würde kaum ins Bild dieser Tage passen. Denn Löw will seinem Team einen neuen Anstrich verpassen. Einfaches Handwerk statt manchmal verschnörkelter Kunst, einfaches Erdgeschoss statt schmucker Dachterrasse, Foyer I/II statt Picasso, das ist das Motto vor dem ersten Länderspiel nach der miesen WM in Russland. Joachim Löw, der Feingeist, gibt vor dem Duell mit dem Weltmeister den einfachen Handwerker.

Abwehr steht im Mittelpunkt

Löw betont, wie die Defensivarbeit bei den Trainingseinheiten in München im Vordergrund stand. Er redet davon, dass alle Mann schnell hinter den Ball kommen müssen. Dass die Außenverteidiger absichern müssen. Dass alle in der Defensive mitarbeiten müssen. Und so weiter.

Löw, sonst ein Mann des feinen Pinsels und der großen Kunst, holt jetzt den großen Malerpinsel raus. Und korrigiert sein virtuoses Bild des Offensivfußballs mit klaren, neuen Trennlinien. Die Abwehr steht im Vordergrund. Bis hierher und nicht weiter. Das soll das Motto für den Gegner sein – aber auch für die eigenen Spieler, die ihren Vorwärtsdrang künftig besser dosieren sollen. Sonst gibt es von außen neuerdings bald den Glattstrich des Bundestrainers.

Arroganz räumte Löw bei sich selbst ein, als es um den von ihm bei der WM ausgerufenen Ballbesitzfußball ging – jetzt, nach dem grandiosen Scheitern, ist Demut angesagt. Und dabei dient der Gegner von diesem Donnerstag in einigen Punkten als Vorbild. Frankreich, sagte Löw, sei verdient Weltmeister geworden, denn: „Sie haben eine große Ausgewogenheit im Spiel, sie haben eine starke Defensive und sehr viele zweikampfstarke Spieler in ihren Reihen, die die Bälle gewinnen können – und dann haben sie im Umschaltspiel nach vorne schnelle Spieler, die tief gehen.“ Dann sagte Löw den entscheidenden Satz: „Sie haben eine unglaubliche Balance in ihrem Spiel.“

Keine 70 Prozent Ballbesitz

Genau dahin will der Bundestrainer mit seinem Team auch wieder kommen, nachdem das WM-Turnier in Russland verdammt einseitig verlief. Alle rannten und dachten da nur nach vorne, und hinten klafften Löcher, die größer als halb Moskau waren. Frankreich ist mit seiner gesamten Stabilität ein Vorbild für Löw – der allerdings auch betonte, nicht alles ändern zu wollen. Es gehe um Anpassungen, sagte er: „Wir haben es über die Jahre hinweg hervorragend gemacht mit dem Ballbesitz und dem spielerischen Element.“ Das sei weiter die Grundbasis des Spiels, so Löw: „Allein schon deshalb, weil es weiter etliche Gegner geben wird, die sich gegen uns tief hinten rein stellen.“ Gegen starke Teams vom Kaliber Frankreichs aber will Löw nun abkehren vom alten Dogma: „Da brauchen wir keine 70 Prozent Ballbesitz – da muss die Ausgewogenheit zwischen Offensive und Defensive stimmen.“

Genau das probten die Spieler nun auch schon in den Trainingseinheiten von München, von denen Offensivmann Thomas Müller so berichtete: Es sei in Unterzahlsituationen darum gegangen „mit Mann und Maus das eigene Tor zu verteidigen“. Generell, so Müller, wolle man „den Ballbesitzfußball nicht mehr so weit ausschmücken, dass wir nicht mehr erfolgreich sind“. Nicht nur Frankreich, sondern auch Club-Mannschaften wie der FC Liverpool und in Teilen Real Madrid setzen ja schon länger auf Konterfußball. Ballbesitz, sagte Müller noch, sehe oft zähflüssig aus: „Wir wollen wieder zu dem energiereichen Spiel hinkommen, das nach Powerfußball aussieht.“

Kroos gibt den Takt vor

Dabei soll Frankreich nun Anschauungsunterricht geben – aber nicht nur. Toni Kroos, Taktgeber des deutschen Spiels, betonte, dass man Frankreich nicht kopieren könne: „Wir müssen unseren eigenen Weg finden“, sagte der Mittelfeldmann: „Frankreich hat andere Spieler, die machen aus dem Nichts Tore. Wir müssen wieder vernünftigen Fußball nach vorne spielen, wir müssen eigene Mittel finden, wie wir den Gegner wieder besser bespielen können.“ Und, so Kroos weiter: „Wir müssen wieder auf unser eigenes Tor aufpassen.“