„Krisenzeiten sind Gründungszeiten“, sagt Adrian Thoma, Geschäftsführer der Innovationsplattform NXTGN und des Wagniskapitalfonds Mätch VC. Im Südwesten sieht er so manches Unternehmen mit viel Potenzial.
Die Krise im Automobil- und Maschinenbau hat auch eine gute Seite, meint Start-up-Experte Adrian Thoma, der selbst schon einige Unternehmen gegründet hat. Weil Jobs bei Bosch, Mercedes & Porsche weniger attraktiv erscheinen, werden mehr Hochschulabsolventen zu Gründern. Doch reicht das, damit neue Weltkonzerne entstehen? Und können Mercedes & Co. sich mithilfe von Start-ups transformieren?
Herr Thoma, sind Krisenzeiten wie diese gut oder schlecht für Unternehmensgründungen?
Krisenzeiten sind Gründungszeiten. Die Zahl der Start-ups steigt – und damit meine ich keine neuen Kosmetikstudios oder Imbisse, sondern Start-ups im engeren Sinn: technologieorientierte Unternehmen mit einem innovativen Geschäftsmodell und einer hohen Wachstumsdynamik. Viele Gründer nehmen damit ihr Schicksal in die eigene Hand. Das ist sozusagen ein Gegentrend zu den großen Unternehmen, die leider weniger investieren.
Früher gingen die Uni-Absolventen lieber zu Mercedes und Bosch. Ändert sich das?
Früher haben die großen Unternehmen der Region ganze Jahrgänge für sich gewonnen, das hat sich in den vergangenen zwölf bis 18 Monaten massiv gedreht. Die Absolventen können sich ja auch nicht mehr ihre Jobs aussuchen wie einst, und auch die Einstiegsgehälter sinken. Dadurch werden wohl viel mehr Talente zu Gründern.
Sie versuchen, mit der Innovationsplattform NXTGN Start-ups mit Unternehmen im Südwesten zusammenzubringen. Wie läuft es?
NXTGN – was für „nächste Generation“ steht – ist aus der Plattform „Gründermotor“ hervorgegangen. Wir verbinden Hochschulen, Start-ups, Unternehmen, Investoren und Politik. Uns haben sich fünf Hochschulen, die Universitäten in Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg und Ulm sowie die Hochschule der Medien in Stuttgart, der KI-Park und die Campus Founders in Heilbronn sowie Unternehmen wie Festo, Vector und ADS-Tec angeschlossen. Es geht um Wissenstransfer, Marktzugänge und auch darum, Bürokratie zu entschlacken. Jetzt wollen wir zur „Start-up Factory“, dem Leuchtturm-Projekt der Bundesregierung werden.
Was heißt das?
Die scheidende Bundesregierung hat eine Strategie entworfen, die Start-ups zu künftigen Weltmarktführern machen soll. Hintergrund ist, dass bestehende Industrien wie der Automobil- und Maschinenbau massiv unter Druck stehen. Damit sollen Forschung und Industrie besser zusammenkommen – ähnlich wie es in der Region München gelungen ist, wo Unis, Mittelstand und Konzerne eng zusammenarbeiten. Dieses Münchner Modell soll multipliziert werden. Wir sind als einzige Bewerber aus Baden-Württemberg in der Runde der letzten 15 und hoffen, dass wir eine der fünf bis zehn Förderungen bekommen.
Wird das Projekt nach der Bundestagswahl überhaupt fortgeführt?
Praktisch alle Parteien sind dafür und auch die Unterstützung in den Bundesländern ist groß. An der Wahl wird es also nicht scheitern.
Was könnten die Effekte für Baden-Württemberg sein?
Wir wollen Start-ups vor allem im Technologiebereich Zugang zu Kapital und Unternehmen ermöglichen. Dazu vernetzen wir die verschiedenen Start-up-Zentren in Baden-Württemberg, wo es kein so großes Ballungszentrum wie in München gibt. Der Vorteil von Baden-Württemberg ist ja, dass es hier noch so viele Industrieunternehmen gibt, die sich allerdings transformieren müssen – etwa bei KI und neuen Geschäftsmodellen. Die Innovationen hierfür müssen auch von außen, von Start-ups, kommen. Die Unternehmen wiederum speisen ihre wichtigsten Zukunftsthemen in NXTGN ein, damit Lösungen erarbeitet werden.
Um Projekte schnell groß zu machen, braucht es aber viel Geld.
Hier kommt der Wagniskapitalfonds Mätch VC ins Spiel, den Tim Gegg, Daniel Dilger und ich zusammen gegründet haben. In den vergangenen eineinhalb Jahren ist das Investitionsvolumen von 16 Millionen auf 40 Millionen Euro gewachsen. Inzwischen sind 60 Familienunternehmen und Persönlichkeiten dabei, darunter Ritter Sport, Vector, Bucher Stahl aber auch erfolgreiche Gründer wie Benedikt Brand von Flip, die nun wieder zurück investieren in die nächste Generation.
Welche Beispiele gibt es?
Der Fonds hat unter anderem in das Stuttgarter Start-up Assemblio investiert, das mit seiner KI-Software die Montageplanung radikal vereinfacht. Ein weiteres Beispiel ist das Stuttgarter Energie-Start-up Metergrid. Es hilft, Mieter mit günstigem, lokal produziertem Strom zu versorgen und gleichzeitig die Energienetze zu entlasten.
Gibt es in Baden-Württemberg die Chance auf ein neues SAP?
Es gibt zumindest Unternehmen mit viel Potenzial. Der Chat GPT-Konkurrent Aleph Alpha aus Heidelberg hat Investorengelder in dreistelliger Millionenhöhe eingesammelt. Ähnlich erfolgreich ist das Schwarzwälder Black Forest Labs unterwegs, das fotorealistische KI-Bilder ermöglicht. Und da ist noch das Metzinger Roboter-Start-up Neura Robotics, das KI mit Robotik verknüpft.
Den jüngeren Generationen wird ein Faible für eine gute Work-Life-Balance nachgesagt. Passt das zu Gründungen?
Mit einer Vier-Tage-Woche ist Erfolg nicht möglich. Eine Gründung ist eine extreme Beanspruchung für Geist und Körper, da geht praktisch nichts anderes. Aber wer gründet, brennt mit jeder Faser seines Köpers für seine Idee.
Die Beschäftigten der Gründerinnen und Gründer gehen das aber lockerer an.
In Start-ups arbeiten sie in der Regel mehr, merken aber auch, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten. Manchmal werden sie auch am Unternehmenserfolg beteiligt. Mein Eindruck ist es, dass es funktioniert. Wir unterstützen das mit Coaching-Angeboten, damit sich die Start-up-Teams nicht zu sehr verausgaben.
Start-up-Urgestein aus Baden-Württemberg
Biografie
Adrian Thoma wurde 1983 in Heilbronn geboren und studierte an der HDM Stuttgart audiovisuelle Medien. Thoma ist seit 2023 Mitgründer und Geschäftsführer des baden-württembergischen Risikokapital-Fonds Mätch VC. Außerdem ist er seit 2019 Geschäftsführer und Mitgründer der Innovationsplattform NXTGN (ehemals Gründermotor). Zuvor war er lange Geschäftsführer des Stuttgarter Start-up-Hubs STEYG, der Start-ups Pioniergeist, Sellaround und Simpleshow sowie Sprecher des Bundesverbands Deutsche Start-ups in Baden-Württemberg. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
NXTGN
Über die Innovationsplattform NXTGN (für „next generation“ – nächste Generation) haben sich fünf Hochschulen im Land sowie der KI-Park und die Campus Founders in Heilbronn sowie Unternehmen wie Festo und Vector zusammengeschlossen. NXTGN will die Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft für Gründungen stärker nutzen. Sie soll Start-ups unterstützen und Unternehmen in der Transformation mithilfe von Start-ups begleiten.
Mätch VC
Mätch VC ist ein Wagniskapitalfonds, der vor allem in Technologie-Start-ups im Business-to-Business-Bereich investiert. Teil davon sind mehr als 60 Gründer und Unternehmen wie Ritter Sport und Vector.