Julian Kofler ist einer der Gründer des Start-ups Intertrop. Er und seine Mitstreiter wollen, dass Jute künftig nicht nur zu Beuteln verarbeitet wird. Foto: Cedric Rehman

Jute ist nicht nur für Einkaufsbeutel gut. Ein Start-up-Unternehmen an der Universität Hohenheim hat etwas ganz anderes damit vor. Die Gründer vermarkten die Faserpflanze als Tee. Der hat verschiedene Wirkungen...

Hohenheim - Ein Esslöffel getrockneter Blätter schwimmt auf der Oberfläche von Julian Koflers Tasse. Er rührt das Getränk um und nimmt einen Schluck. „Viele sagen ja, der Geschmack erinnere an Brennnesseltee oder auch an Grüntee“, sagt er. Den zweiten Vergleich findet der Hohenheimer Doktorand eher unpassend. Jute-Tee habe anders als Grüntee keinen ausgeprägten Eigengeschmack. Deshalb eigne er sich auch dafür, etwa mit Minze oder Zitronenverbene gemischt zu werden, meint Kofler. Für einen echten Grünteetrinker seien solche Mischungen ja eher etwas, was sich Banausen genehmigen. „Beim Jute-Tee ist das kein Problem“, sagt er.

Von dem dampfenden Getränk in der Tasse geht ein kaum wahrnehmbarer Geruch nach Jute aus. Doch der erste Schluck gibt Kofler recht. Der Tee hat eine leicht blumige Note mit einer Spur Heu, aber er schmeckt nicht nach Jutebeutel. Die Geschmacksknospen, die sich auf Eigentümliches eingestellt haben, zeigen sich angenehm überrascht.

Marketing-Produkt zum Uni-Jubiläum

Der Tee aus der Nutzpflanze ist derzeit im Onlinehandel und bei der Filiale des Wittwer Verlags auf dem Campusgelände erhältlich. Im kommenden Jahr wird er im Jubiläumsjahr der 1818 gegründeten Universität im Uni-Shop als Marketing-Produkt verkauft. Kofler und seine Mitstreiter hoffen, dass die Jute so eine größere Anzahl von Verbrauchern erreicht.

Sie haben sich bei Vorlesungen der Agrarwissenschaft an der Hohenheimer Universität kennengelernt. 2016 haben Kofler, Julian Börner und Mizanur Rahman das Start-up-Unternehmen Intertrop gegründet. Zunächst sei es um die bekannten Arten der Jute-Verarbeitung als Verpackungsmaterial gegangen, sagt Kofler. Das Unternehmen bezieht die Jute aus Bangladesch.

Sie haben die Blätter in Deutschland analysieren lassen

Dort arbeitet Intertrop unter anderem mit einer Frauenkooperative zusammen. Dabei ist der aus Bangladesch stammende Mizanur Rahman von einem Bauern zu einer Tasse Tee eingeladen worden – aus der Nutzpflanze, die auf seinen Feldern wuchs. Rahman habe gar nicht gewusst, dass die Blätter der Pflanze auch als Tee genutzt werden können, sagt Kofler. Doch in den ländlichen Gegenden Bangladeschs wurde schon in früheren Zeiten ein Aufguss aus Jute gebraut. „Die Tradition ist aber in Vergessenheit geraten.“

Die Gründer von Intertrop entschieden sich, die Blätter in Deutschland analysieren zu lassen. Im Labor wurden große Mengen an Mineralien wie Kalium gefunden. Außerdem weisen sie einen hohen Orac-Wert auf. Er bestimmt die Fähigkeit von Lebensmitteln, Sauerstoffradikale unschädlich zu machen. Diese schädigen die Zellen. Die Theorie der freien Radikale macht diesen Vorgang für die Alterung von Organismen mitverantwortlich. Da der Orac-Wert allerdings im Labor ermittelt wird und nichts darüber aussagt, ob der Effekt auch im Körper auftritt, gilt er nicht als Beleg für eine zellschützende oder das Altern verlangsamende Wirkung. Die Europäische Union will mit der 2006 beschlossenen sogenannten Health-Claim-Verordnungsicherstellen, dass Unternehmen nicht mit unbelegten gesundheitlichen Nutzen Werbung machen. Intertrop weist auf seiner Internetseite zwar auf den hohen Orac-Wert des Jute-Tees hin. „Wir machen aber keine Aussagen darüber, ob das der Gesundheit nutzt“, sagt er. Der Hinweis, dass der Tee bei regelmäßigem Konsum zur Aufrechterhaltung der Mineralienversorgung beitragen kann, sei dagegen mit der EU-Verordnung vereinbar, betont Kofler.

Tee aus dem Strauch?

Eine Vermarktung von Jute als Tee soll aber nicht nur dem Mineralienhaushalt deutscher Verbraucher zuträglich sein. Bauern in Bangladesch würden sich neue Absatzmöglichkeiten für ihre Jute eröffnen, wenn Deutsche nicht nur Taschen, sondern auch Tee aus dem Strauch kaufen würden. Für Kofler geht es um eine neue Philosophie der Landwirtschaft. Bauern, die Jute für die Herstellung von Verpackungsmaterial auf ihren Feldern hätten, hätten bereits das Know-how, um diese auch als Teepflanze anzubauen.

Je mehr Verwendungsarten es für bereits gebräuchliche Nutzpflanzen gebe, desto schonender sei der Umgang mit Ressourcen, erklärt er. Er selbst trinke derzeit eine Tasse Jute-Tee am Abend. Veränderungen – etwa eine ausgeprägtere Fitness – habe er nicht festgestellt. Dafür sei das Getränk für den Tagesausklang gut geeignet, da es kein Koffein enthält. Aus demselben Grund meidet Kofler den Jute-Tee am Morgen. „Da brauche ich eben doch eine Tasse Kaffee“, sagt er.