Auch eine Zahnzusatzversicherung gibt es per App. Foto: Getsafe

Das Heidelberger Start-up Getsafe will für Versicherungen das erreichen, was bei Bankangeboten das inzwischen milliardenschwere Berliner Start-up N26 vormacht. Man will die jüngere, digitalaffine Generation mit schlanken Angeboten und smartphonefreundlichen Abläufen locken. 

Stuttgart - Mal schnell die Haftpflicht- oder Hausratversicherung am Smartphone abschließen. Und im Schadensfall die Belege kurzerhand abfotografieren und auf Senden drücken. Für die Altersgruppe der unter 30–Jährigen, sagt Christian Wiens, sei das der einzige Weg, mit dem sie sich  mit Versicherungskram beschäftigen wollten. Bequemlichkeit und Schnelligkeit, damit lockt das von ihm  2015 gegründete Heidelberger Start-up Getsafe  eine jüngere Zielgruppe.

Der Horror vor den dicken Versicherungsordnern der Eltern, so besagt die Getsafe-Legende, sei das entscheidende Aha-Erlebnis des Gründers gewesen. Der saß angebliche eines Tages bei seinen Eltern im Wohnzimmer und stellte fest, dass die Frage wer, wo und wie versichert war, nur durch stundenlanges Wühlen in Papieren beantwortet wurde.  Als studierter Maschinenbauer und Wirtschaftsinformatiker hatte er vom Versicherungsgeschäft keine Ahnung – doch damit hatte er den nötigen Blick von außen.

Den Mitgründer per Facebook gefunden

Einen Mitgründer fand er in Heidelberg über eine Facebook-Anfrage.  „Es gibt in der Stadt noch wenige Menschen, die unternehmerisch denken“, sagt er. „Es sind mehr Angestellte, Wissenschaftler oder Ärzte - aber es gibt wenig Technologie.“ Getsafe soll aber in der Region Heidelberg bleiben, auch wenn dort Büros für ein junges, expandierendes Unternehmen teuer seien.

Zunächst plante er gar kein eigenes Angebot, sondern wollte als digitaler Versicherungsmakler agieren. Schnell merkte er aber, dass es besser war, eigene Versicherungen zu offerieren.  „Wir wollen selber entlang der ganzen Kette das bestmögliche Angebot für den Kunden bieten,“ sagt Wiens. Damit ist auch besser Geld zu verdienen. Getsafe will kein Vollversicherer sein.

Das Angebot konzentriert sich auf weniger komplexe Produkte wie für die Haftpflicht oder die Absicherung des Hausrats. Als Extra bietet man einfache Auswahlwerkzeuge an, mit denen man beispielsweise schnell herausfindet, bei welcher Versicherung man am besten das Fahrrad mit einschließt.  Mit fünf Fragen in der Smartphone-App und einem Klick auf die Einzugserlaubnis per Lastschrift soll alles erledigt sein. Das meiste ist automatisiert. Nur die Überweisung im Schadensfall muss am Ende ein Mitarbeiter freigeben. Kompliziertere Produkte wie Lebens- und Krankenversicherungen sind bisher nicht im Portfolio.

Getsafe bietet ein eingeschränktes Angebot

„Wir wollen aber die bei uns abzuschließenden Versicherungen Schritt um Schritt ausweiten“, sagt Wiens. Die Hoffnung: Wer einmal bei Getsafe abgeschlossen hat, wird im Laufe des Lebens weitere Versicherungen abschließen. Festgehalten werden die Kunden nicht: Die Versicherungen sind täglich kündbar, auch das Zugeständnis an die flexible Digitalgeneration. Seit Dezember  2017 hat Getsafe  50 000 Kunden gewonnen,  das Durchschnittsalter liegt bei nur  29 Jahren. Damit ist man nach eigenen Angaben im Segment der 24 bis 29-Jährigen das am schnellsten wachsende Versicherungsunternehmen in Deutschland.

Das Durchschnittsalter der Kunden liegt bei 29 Jahren

Schlankes Angebot und automatisierter Service – Getsafe will bei Versicherungen erreichen, was in der Bankenbranche das Start-up N26 aus Berlin vorgemacht hat. Erst im Januar haben die 2013 gestarteten Internetbanker 260 Millionen Euro an frischem Kapital eingesammelt. Seit Jahren gehört dieses Unternehmen aus dem Bereich der sogenannten Fintechs, also den Start-ups im Bereich der Finanztechnologie, im Ranking des Risikokapitals zu den erfolgreichsten in Deutschland.

Auch Getsafe braucht solvente Finanziers.  Mit der großen Rückversicherung Münchner Rück hat man einen Partner, der die Risiken abdeckt. Die Münchner halten keine Anteile, die liegen bei den Gründern und diversen Risikokapitalgebern. Allerdings redet man bei der Preispolitik mit. Eine eigene Lizenz der Genehmigungsbehörde der Bafin braucht Getsafe nicht. Christian Wiens hat große Pläne:  „Natürlich möchten wir einmal an die Börse.“

Mit dem Wachstum können auch Probleme kommen

Mit dem Wachstum kommen allerdings für Fintechs mit ihren kargen Strukturen einige Risiken dazu. Das erlebt das Bankenvorbild N26.  Die Finanzaufsicht Bafin hat im vergangenen Jahr bei einer Sonderprüfung der Smartphone-Bank eine Reihe von Mängeln festgestellt, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Zuvor hatte es Meldungen gegeben, dass auf Reklamationen von Kunden, die zum Opfer von Onlinebetrug wurden, nur unzureichend reagiert wurde.  Doch N26 spielt mit 2,5 Millionen Kunden schon in einer anderen Liga. Binnen einer Woche wächst  man nach eigenen Angaben um etwa so viele Neukunden wie Getsafe insgesamt unter Vertrag hat. Getsafe hat für 50 000 Kunden bisher vier Servicemitarbeiter. Ziel sei es, 80 Prozent der Anfragen binnen einer Stunde zu beantworten - mit weiterem Wachstum werde das Personal aufgestockt.