Gerhard Schröder, Helmut Kohl und Franz Josef Strauß wurden als Ministerpräsidenten politische Schwergewichte, die die Republik prägten – die heutigen Länderregierungschefs bleiben blass. Foto: dpa  Montage: Detsch

Die Ministerpräsidenten haben nicht mehr den Einfluss früherer Regierungschefs. Dies liegt nicht nur am Mangel charismatischer Politiker in den Landeshauptstädten. Auch eignet sich der Bundesrat nicht mehr als Blockadeinstrument.

Stuttgart - Vor der Landtagswahl in Niedersachsen sah Bernd Althusmann monatelang wie der sichere Sieger aus – nun könnte er doch noch scheitern. Bernd wer? Der CDU-Kandidat ist außerhalb des Landes ein unbeschriebenes Blatt. Und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gilt auch nicht gerade als politisches Schwergewicht. In vier Jahren hat er es nicht geschafft, der Hannoveraner Staatskanzlei die Bedeutung zurückzugeben, die sie beispielsweise unter Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel noch hatte.

Bei vielen Ministerpräsidenten reicht der Einfluss mittlerweile höchstens bis zur Landesgrenze: Daniel Günther (Schleswig-Holstein, CDU), Annegret Kramp-Karrenbauer (Saarland, CDU) oder Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD) sind lediglich Interessierten ein Begriff. Armin Laschet (CDU), neuer Matador in der Düsseldorfer Arena, wurde bis zu seiner Wahl selbst in den eigenen Reihen nicht für voll genommen. Seine Talkshowpräsenz und sein Amt als CDU-Bundesvize können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der einstmals mächtige Landesverband nur noch ein Scheinriese ist.

Allein Horst Seehofer lehnt sich auf

Symptomatisch ist das Verhalten von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Er verwaltet seit neun Jahren eine scheinbar betonierte Bastion der CDU. Doch bei der Bundestagswahl wurde seine Partei im Freistaat ausgerechnet auf der rechten Seite überholt. Tillich war so ratlos, dass er einen befreundeten Dorfbürgermeister anrief und sich den AfD-Erfolg erklären ließ. Nun fordert Tillich von der Bundespartei einen Rechtsschwenk. Mit der Aufgabe, das Land zusammenzuhalten, scheint er überfordert zu sein. Auch der farblose Reiner Haseloff (CDU), Regierungschef in Sachsen-Anhalt, kann die eigene Wählerklientel offenbar nicht mehr an sich binden.

Kaum ein Ministerpräsident spielt noch eine gewichtige bundespolitische Rolle. Winfried Kretschmann ist ein weithin anerkannter Landesvater und hat das Ohr von Angela Merkel. Doch schon die Bundes-Grünen sorgen dafür, dass er nicht zu stark wird. So bleibt allein Horst Seehofer – er hat der Kanzlerin gerade so etwas wie eine Obergrenze abgerungen. Der CSU-Chef steht in der Tradition starker bayerischer Politlöwen wie Franz-Josef Strauß, auch wenn er es mit dessen Autorität nicht aufnehmen kann.

Merkel hat alle Möchtegern-Kanzler überstanden

Vergleichbaren Widerstandsgeist in der CDU hat Angela Merkel erfolgreich unterdrückt. Die Riege der Länderchefs um Roland Koch, Christian Wulff und Jürgen Rüttgers war die letzte, die der Bundesregierung noch etwas entgegensetzen wollte. Merkel hat sämtliche Möchtegern-Kanzler überstanden – sie alle hatten nicht die Statur wie einst Helmut Kohl, der mit großem Machtbewusstsein von Mainz nach Bonn strebte. Auch die SPD hat über Jahrzehnte aus den Ländern heraus zur Stärke gefunden – die Mehrheit der Parteivorsitzenden hatte zuvor ein Bundesland regiert. Dem Niedersachsen Gerhard Schröder gelang der Sprung ins Kanzleramt. Heute herrscht Tristesse: Hannelore Kraft oder Thorsten Albig haben mit schwacher Amtsführung in Düsseldorf und Kiel den Niedergang der Sozialdemokraten dramatisch forciert.

Der Verlust an charismatischen Politikern in den Landeshauptstädten befördert die Berliner Dominanz. Konsequenz ist eine zunehmend zentralisierte Politik: „Nach den jüngsten Bund-Länder-Verhandlungen sind Ministerpräsidenten bessere Verwaltungsbeamte ihres Landes geworden“, urteilt Martin Florack, Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen. „Wenn sie nicht bundespolitisch mitmischen, sind sie quasi Regierungspräsidenten – es bleibt für die Länder nichts mehr übrig.“ Bald würden sie auch noch ihre finanzpolitischen Möglichkeiten aus der Hand geben, wenn die Kommunen vom Bund quersubventioniert würden.

Bei Bildung und Sicherheit greift der Bund ein

Gemeint ist die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 und das Aufbrechen des Kooperationsverbots, wonach der Bund künftig mit einem Schulsanierungsprogramm in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in die Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen investieren darf. Merkel bekräftigte am Donnerstag in Hannover, dass der Bund bei der Digitalisierung der Schulen und der Lehrerqualifizierung stärker eingreifen wolle. Die SPD hält das Kooperationsverbot im Grundgesetz ohnehin schon für Geschichte.

Ähnlich übergriffig wird der Bund auf dem Feld der Sicherheit – auch dort versucht er insbesondere bei der Polizeiarbeit die Schwächen der Länder durch verstärkte eigene Anstrengungen auszugleichen.

Hinzu kommt, dass die einst klaren Fronten der Parteienvielfalt in den Landesregierungen gewichen sind: Vorbei sind die Zeiten, in denen die SPD-geführten A-Länder oder die unionsregierten B-Länder im Bundesrat eine wirksame Blockade gegen die jeweilige Bundesregierung aufbauen konnten. In der Länderkammer sind Koalitionen mit zehn Farbkombinationen und noch mehr Interessenlagen vertreten. Früher konnte die Opposition im Bundestag darauf hoffen, dass das Pendel bei Wahlen in den Ländern zurückschlägt. Heute müssen mühsam neue Allianzen geschmiedet werden. Die Kanzlerin wird es freuen.