Simon Licht unterstützt die Kampagne „Mit offenem Visier gegen Depressionen“. Auch der Schauspieler litt – in einer leichten Form – an der Krankheit,. Foto: Alexander Hörbe

Auf der Bühne bekam er Panikattacken. Simon Licht, der Star des Schwabenhits „Laible und Frisch“, wollte über seine überstandene Depression nie öffentlich sprechen. Jetzt, da es ihm wieder gut geht, tut er es, um anderen zu helfen.

Stuttgart - Wenn der Schauspieler Simon Licht, der zur ersten Garde des deutschen Fernsehens zählt, von seinen bisher schwersten Jahren spricht, fallen Worte wie „blanker Horror“ und „Albtraum“. Ohne Vorboten hatte ihn eine Panikattacke während eines Auftritts auf der Bühne gepackt. Im Gespräch mit unserer Zeitung beschreibt der 51-Jährige, was genau damals passiert ist: „Der Zustand der Panik überwältigt dich komplett. Ich stand auf der Bühne, volles Haus, und du verlierst vollständig die Kontrolle, der Puls rast, da ist völlige Hilflosigkeit, nur noch Angst.“ Er dachte gar, gleich sterben zu müssen

In der Pause fragte ein Kollege, ob er „einen Hänger“ gehabt habe. Fast ein Drittel des ersten Aktes hatte der TV- und Kinostar übersprungen, der in der Schwaben-Saga „Laible und Frisch“ grandios den fiesen Großbäcker spielt und außerdem in Stuttgart für die ZDF-Serie „Dr. Klein“ vor der Kamera steht. „Ich stand völlig neben mir“, erinnert er sich.

Das Schicksal eines Freundes hat ihn tief getroffen

Von diesem Tag an kamen die Angstzustände immer wieder, bereits auf dem Weg ins Theater zur Vorstellung. Diese Ängste führten bei ihm zu einer „leichten Depression“. Vor zehn Jahren sei es ihm aber „nicht ansatzweise“ so schlecht gegangen wie Menschen, für die er sich engagiert. Dies sage er „mit Respekt vor dieser ernsthaften Erkrankung“, die oft „als Schwäche oder Reaktion auf widrige Lebensumstände“ unterschätzt werde.

„Mit offenem Visier gegen Depressionen“ – so heißt die Kampagne, dessen prominentes Gesicht Licht ist. Seine Krankengeschichte sei im Grunde nichts für die Öffentlichkeit, meint er. Dass er über seine Panikattacken, seine überstandene Depression, seine Psychotherapie und über Medikamente, die er nahm, mit einem Journalisten spricht, hat persönliche Gründe. Das Schicksal eines Freundes bewegt ihn dazu. Dieser Freund hat seinen Sohn verloren. Der junge Mann litt an Depression, einer der häufigsten Todesursachen. Mit 23 Jahren nahm er sich das Leben. „Fünf bis zehn Prozent von Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren leiden an psychischen Erkrankungen“, sagt Licht, „mich hat diese Zahl schockiert.“

„Viele sagen lieber, sie hätten einen Burn-out“

Der Suizid des Torwarts Robert Enke im Herbst 2009 ist im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert. In Talkshows war danach oft Verständnis zu hören. Hat sich seitdem etwas geändert im Umgang mit Depressionen? Sind die Menschen offener bei diesem Thema geworden?

Simon Licht sieht es so: „Grundsätzlich hat sich etwas getan. Im Gegensatz zu den USA oder Kanada haben wir ein relativ gutes Netz an Auffangstationen und Ansprechpartnern. Die statistische Zunahme an Fällen ist nicht absolut, sondern liegt in der besseren Diagnostik begründet.“ Depressionen würden nun häufiger als solche erkannt. Psychische Erkrankungen stünden in der Fehltage-Statistik an der Spitze. „Die Betroffenen klagen nach wie vor, dass die Bewertung ihrer Krankheit in der Gesellschaft höchst negativ ist“, so Licht. Deshalb würden manche lieber sagen, sie hätten einen Burn-out. Dies klinge nach sehr viel Arbeit, nach etwas Positivem also, von der man sich erholen müsse. „Aber bei einer Depression ist es nicht damit getan, sich auszuruhen“, erklärt der einst selbst betroffene Schauspieler, „das ist eine Krankheit, die man als solche behandeln muss und bei der man professionelle Hilfe braucht.“

Heute geht es Simon Licht „hervorragend“

Der Wahlberliner mit häufigen Drehs in Stuttgart unterstützt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe, will aufklären und Spenden sammeln. Sein Beispiel soll Mut machen. Fast jeder kennt die Krankheit Depression entweder aus eigenem Erleben, von Freunden oder aus der Familie. Licht ist das beste Beispiel dafür, dass man aus dem schwarzen Loch herausfinden kann.

Der Schauspieler hatte sich dem Leiter einer Filmproduktion anvertraut. Über ihn fand er zu einem „sehr guten Psychotherapeuten“, den der Familienvater noch heute regelmäßig aufsucht. Medikamente, die er drei Jahre lang nahm, braucht er nicht mehr. In den Therapiesitzungen ist er dahintergekommen, was sein Problem sein könnte. Dies behält er freilich für sich.

Heute geht es ihm „hervorragend“, sagt er, er sei stark genug, helfen zu können. Eine Depression verändere einen Menschen. „Wenn dein Körper normale Reaktionen zeigt wie Aufregung oder Unruhe“, sagt er, „hast du Angst, dass die Attacken zurückkehren.“ Man müsse lernen, damit umzugehen. Das Positive an seiner Erkrankung sei gewesen, dass er nun „sensibler“ und „achtsamer“ sei. Depressionen könnten jeden treffen, da sie oft auch genetische Ursachen hätten. Der Mann mit offenem Visier macht es vor: Nach einer Erkrankung erkennt man umso intensiver, wie schön das Leben sein kann.

Informationen über die Krankheit und Hilfsmöglichkeiten

Was ist eine Depression? Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe stellt den Unterschied zu einer meist vorübergehenden Phase der Niedergeschlagenheit heraus: „Die Depression ist eine ernste Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen beeinflusst, mit Störungen von Körperfunktionen einhergeht und erhebliches Leiden verursacht.“ Menschen mit Depression könnten sich selten allein aus der Situation befreien und seien auf professionelle Unterstützung angewiesen. „Es gibt gute und effektive Möglichkeiten der medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlung“, heißt es auf der Internetseite der Organisation.


Wie die Stiftung Deutsche Depressionshilfe mitteilt, gehören Depressionen zu den „häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen“. In Deutschland seien 8,3 Prozent, also 5,3 Millionen der erwachsenen Menschen, im Laufe eines Jahres an einer unipolaren oder anhaltenden depressiven Störung erkrankt.


Grundsätzlich ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner für die Diagnostik und Behandlung von Depression. Bei Bedarf überweist er an einen Facharzt (Psychiater, Nervenarzt) beziehungsweise an einen psychologischen Psychotherapeuten. In Notfällen, etwa bei drängenden Suizidgedanken, sollte man sich an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112 wenden. Bei der Deutschen Depressionshilfe gibt es telefonische Hilfe und Beratung unter 0800 / 3 34 45 33.