Die Holzoper in Genf: Ein ähnliches Provisorium könnte auch in Stuttgart Oper und Ballett eine vorübergehende Heimstatt bieten. Foto: KEYSTONE

Oper und Ballett sollen entweder bei den Wagenhallen oder aber auf dem Messegelände vorübergehend Unterschlupf finden. Das ist die Empfehlung der mit der Standortsuche beauftragte Taskforce unter Leitung des Rathauschefs Fritz Kuhn. Der OB selbst hat dabei einen klaren Favoriten.

Stuttgart - Fünf Monate nach dem überraschenden Aus für die Interimsoper im Paketpostamt am Rosensteinpark hat die städtische Taskforce unter Leitung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ihre Suche nach geeigneten Arealen für den Bau einer provisorischen Spielstätte für Oper und Ballett abgeschlossen. Aus einer Fülle von überprüften Grundstücken für eine Interimsquartier während der Dauer der Sanierung des historischen Littmann-Baus kristallisieren sich dabei zwei Optionen heraus: der Bau eines Provisoriums auf dem Areal der Landesmesse – oder ein wieder verwendbarer Modulbau gegenüber dem Kulturzentrum Wagenhallen im Stuttgarter Norden auf städtischem Grund und Boden. „Letzteres wäre mein klarer Favorit“, sagte OB Kuhn am Montag auf Anfrage unserer Zeitung.

Ausgangspunkt aller Überlegungen waren der Flächenbedarf für eine Interimsoper: Dabei geht die Stadt von 9000 Quadratmeter für Bühne und Zuschauersaal sowie von 13 500 Quadratmeter für die angeschlossenen Produktionsstätten aus. Aber auch die Erreichbarkeit des Standorts sowie die zeitliche Verfügbarkeit und stadtklimatologische Aspekte spielten bei der Präferenz der Areale eine Rolle. Grundstücke wie jenes an der Ecke Willy-Brandt/Schillerstraße, aber auch der Akademiegarten am Charlottenplatz, das Kohlelager der EnBW am Neckar oder der Innenhof des Finanzamts am Rotebühlplatz fielen durchs Raster.

Hybridbau für Oper und Konzerte laut Gutachten „nicht zielführend“

Auch der zunächst vom Gemeinderat favorisierte Bau eines Mehrzweckhauses mit vorübergehender Nutzung durch die Oper und anschließendem Umbau zur Philharmonie wurde aufgrund der Ergebnisse eines externen Gutachtens nicht weiter verfolgt. „Da bekämen wir für sehr viel Geld ein mittelmäßiges Konzerthaus“, so Kuhn. Im Gutachten heißt es etwas vornehmer: „Der hybride Ansatz eines Operninterim mit Nachnutzung Philharmonie erscheint nicht zielführend.“ Für den ebenfalls seit langem geforderten philharmonischen Saal schlägt die Taskforce entweder die früheren SWR-Studios nahe der Villa Berg oder ein Grundstück gegenüber dem Linden-Museum vor.

Die Vorteile des Standorts bei den Wagenhallen aus Sicht des OB: Das Gelände, auf dem zurzeit noch Künstler-Container stehen, wäre nach deren Wiedereinzug in die Wagenhallen vom kommenden Jahr an verfügbar. Ein zu bauendes Verwaltungsgebäude könnte nach der auf fünf bis sieben Jahre geschätzten Interimsphase zudem stehen bleiben und anderweitig genutzt werden, da an dieser Stelle ohnehin ein Riegelbau als Lärmschutz für das geplante Rosensteinquartier vorgesehen ist.

Die Spielstätte selbst setzt sich den Plänen zufolge aus einzelnen Gebäuden (Bühne mit 35 Meter hohem Bühnenturm und Zuschauerraum, Werkstätten und Umkleiden, Produktion und Kulissen et cetera). zusammen, die danach wieder abgebaut und weiterverkauft werden könnten. Als Vorbild dient dabei die Pariser Holzoper, die später nach Genf verkauft und dort als Interimsspielstätte wieder aufgebaut wurde. Anders als bei der Standortvariante Messe würden somit keine Kosten für den Umbau und die Nutzung des Paketpostamts als Werkstatt- und Lagerflächen und auch keine lange Transportwege mit aufwendiger Logistik anfallen.

Kuhn: „Könnten am Nordbahnhof ein neues Kulturquartier kreieren“

Ersten Berechnungen des städtischen Hochbauamts zufolge lägen die Kosten für diese Variante einschließlich einer Baupreissteigerung von 16 Prozent und abzüglich des angesetzten Wiederverkaufswerts der Modulbauten (24 Millionen Euro) bei knapp 90 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Standort Messe ohne angeschlossene Produktionsstätten wird von der Stadt mit rund 105 Millionen Euro veranschlagt. Kuhn hob auf die Vorteile der Variante bei den Wagenhallen ab: „Wir könnten dort ein neues Kulturquartier kreieren.“ Die Vorschläge müssten nun in den zuständigen Gremien von Stadt, Land und mit der Intendanz diskutiert und bewertet werden. Am 5. November tagt erneut der Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater. Sollte das Gremium Kuhns Vorschlag folgen und Gemeinderat und Landtag mitziehen, könnten die Planungen bald beginnen.

Die erneute Standortesuche war notwendig geworden, nachdem der OB im Frühsommer das Aus für die geplante Interimsoper am Rosensteinpark verkündet hatte. Ein Kostengutachten hatte für den Umbau des nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 laut Gemeinderatsbeschluss zum Abriss vorgesehenen Paketpostamts mindestens 116 Millionen veranschlagt. Diese Investition erschien Oberbürgermeister Kuhn und der Ratsmehrheit damals aber zu hoch.