Im Dunkeln lässt sich besser verhandeln: Im E-Werk in Heilbronn haben sich Gründer und Investoren getroffen. Foto: Campus Founders/Joshua Damm

Heilbronn arbeitet seit Jahren systematisch an seiner Attraktivität für Gründer und Investoren. Im Hintergrund stehen die Milliarden des Lidl-Gründers Dieter Schwarz. Nun punktet man mit einer der international angesehensten Veranstaltungen für Gründer.

Die finnische Finsternis hat man in der abgedunkelten Halle des alten E-Werks in Heilbronn schon einmal gut nachempfunden. „Slush“ – also Schneematsch – heißt die alljährlich im finsteren nordischen Winter stattfindende Veranstaltung in Helsinki, die weltweit eines der wichtigsten und renommiertesten Treffen rund um das Thema Start-ups ist. Und finnische Winterfinsternis gehört zum Image dazu.

 

Aber wie kommt ein Ableger dieses Treffens nun ausgerechnet nach Heilbronn? Rund 90 Städte weltweit, darunter bekannte Großstädte und ein halbes Dutzend Mitbewerber allein aus Deutschland, haben hart darum gekämpft, den prestigeträchtigen lokalen Ableger des Events veranstalten zu dürfen. Denn wer unter der Überschrift „Slush“ Gründer und Investoren zusammenbringt, hat beim Thema Innovation für die einschlägigen Kreise gewissermaßen ein Gütesiegel erhalten.

Ehrgeizige Vision

Heilbronn habe mit seiner ehrgeizigen Vision überzeugt, sagt Sofi Laakso, die Teil des Auswahlkomitees der Finnen war: „Uns hat gefallen, dass man hier eine langfristige Vision hat.“ Da habe Heilbronn auch alle Konkurrenten aus Deutschland klar ausgestochen. Noch ist nämlich die Halle, in der das Event stattfindet, recht bescheiden. Doch bei „Slush“ geht es um das Potenzial. Mehr als 1000 Teilnehmer sind erst einmal gar nicht erwünscht. Corey Wright, der für die Heilbronner Start-up-Initiative Campus Founders das Event an Land gezogen hat, denkt schon ganz groß: „Wir wollen eines der wichtigsten Start-up-Treffen in Europa etablieren“, sagt der Amerikaner.

Was vor nicht allzu langer Zeit wohl noch als verrückt gegolten hätte, ist nach Jahren einer steilen Entwicklung zum Innovationsstandort nicht unrealistisch. Zumindest im Bereich der Gründungen, die sich an Geschäftskunden richten, ist in Heilbronn Schritt um Schritt ein sogenanntes Ökosystem entstanden, das etablierteren Zentren wie Karlsruhe Paroli zu bieten beginnt.

Wettbewerb mit Karlsruhe

In Karlsruhe wird beispielsweise an der Hochschule traditionell sehr viel rund ums Thema Künstliche Intelligenz geforscht und entwickelt. Doch als das Land Baden-Württemberg Ende des vergangenen Jahres den Startschuss für einen Innovationspark Künstliche Intelligenz (KI) gab, kam das Zentrum nach Heilbronn.

Und so wird beispielsweise das Karlsruher Start-up Semantha, das im E-Werk einen der für „Slush“ typischen kargen Stände hatte, einen Teil seiner Aktivitäten nach Heilbronn verlegen. Das Unternehmen hat sich auf Dokumentenanalyse mithilfe von KI spezialisiert, wie man sie zum Beispiel bei der juristischen Bewertung von Verträgen oder beim Vergleich von Lastenheften braucht. „In Heilbronn zählt weniger wie in Karlsruhe die wissenschaftliche Verknüpfung, sondern die Nähe zur Industrie“, sagt Thimo Illig, der in den Unternehmen für die Geschäftsentwicklung zuständig ist. Wenn es ums konkrete Geschäft geht, verfügt Heilbronn über alle Trümpfe .

Heimatverbundener Milliardär

Entscheidend für Heilbronns Aufstieg ist die Heimatverbundenheit des Lidl-Gründers und Milliardärs Dieter Schwarz. Mit praktisch unbegrenzten Ressourcen hat er Heilbronn systematisch auf die Landkarte gebracht. Ein von ihm lancierter Zukunftsfonds lockt mit seinen Investments Gründer in die Stadt; ein hochmoderner Hochschulcampus bringt die Infrastruktur. Auch eine Zweigstelle der für ihre Gründerkultur renommierten Technischen Universität München wurde nach Heilbronn gebracht. 20 Stiftungsprofessuren, davon 13 für Heilbronn, finanzierte die Dieter-Schwarz-Stiftung. Seit zwei Jahren besteht in Heilbronn eine Außenstelle der aus Frankreich stammenden und auf besonders innovative Ausbildungsmethoden setzenden Programmierschule Coding School 42 – ebenfalls gefördert von Stiftungsgeldern.

Nein, Geld oder Sponsoring hätten bei der Auswahl von Heilbronn für das aktuelle Event keine Rolle gespielt, sagt die „Slush“-Vertreterin aus Finnland. Doch ohne die Gelder der Dieter-Schwarz-Stiftung wäre nie das notwendige Umfeld entstanden. Und gleich 100 000 Euro, die auf dem Event in Heilbronn als Hauptpreis für ein Start-up ausgelobt wurden, sind auch nicht alltäglich.

Und so haben auch die Gründer des Start-ups Ecoro aus Würzburg erlebt, wie effizient in Heilbronn inzwischen Kontakte geknüpft werden können. Das Start-up will ein vollautomatisches Transportsystem anbieten, das in einem Tunnel unter der Autobahn verläuft und das nur doppelt so teuer sein soll wie der heutige Schotterunterbau. „Oben die Autos – unten der Gütertransport“, sagt Geschäftsführer Daniel Daum. Eine kühne Vision, die schon im Frühstadium Millionengelder fordert. Doch schon nach Minuten war in Heilbronn ein potenzieller Investor am Stand, der zuvor über die Veranstaltungs-App Kontakt aufgenommen hatte – und der sich konkret für das erste Pilotprojekt interessierte, das in Saudi-Arabien geplant ist.

Wie viel Geld hat der Lidl-Gründer?

Reichtum
 Laut der vom US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ aufgestellten Liste gehört der Lidl-Gründer Dieter Schwarz zu den reichsten Menschen der Welt. Laut der diesjährigen, auf das Jahr 2021 blickenden Liste ist er auf Platz 28 – und wäre im Vergleich zu 2020 um zehn Plätze aufgerückt.

Milliarden
 Demnach hätte er sein Vermögen allein von 2020 auf 2021 um knapp zehn Milliarden Euro vermehrt. Aktuell gibt „Forbes“ 47,1 Milliarden Dollar an. Das sind nach derzeitigem Kurs 47,6 Milliarden Euro.