IG Metall und Beschäftigte bereiten sich in Waiblingen auf einen Arbeitskampf vor und protestieren gegen die geplanten Stellenstreichungen. Der Autozulieferer Bosch will 13 000 weitere Stellen abbauen. Foto: Jason Tschepljakow/dpa

Bei einer hitzigen Betriebsversammlung lassen 400 Beschäftigte des Waiblinger Werks ihren Frust ab. Gefordert werden neue Produkt-Ideen – und ein Erhalt der bedrohten Arbeitsplätze.

Rote Schilder mit der Aufschrift „Nicht ohne Kampf“ und ein von den Vertrauensleuten am Standort an die Werksleitung vergebener „Oscar für die beste schauspielerische Leistung der vergangenen Jahre“ – bei einer Betriebsversammlung bei Bosch in Waiblingen haben die Beschäftigten des in die Krise gerutschten Automobilzulieferers am Mittwoch ihren angestauten Frust abgelassen.

 

„Wenn Sie auf der Seite der Kolleginnen und Kollegen stehen, müssen Sie mit uns eine Lösung für den Erhalt unserer Arbeitsplätze finden“, rief der Betriebsratsvorsitzende Stefano Mazzei den Standortverantwortlichen in der emotional aufgeheizten Sitzung zu.

Von einem personellen Kahlschlag wären mehr als 560 Beschäftigte betroffen

Vor knapp einer Woche hat die etwa 560 Mitarbeitenden des für die Produktion von Steckverbindungen zuständigen Bosch-Werks die Nachricht ereilt, dass der Konzern den Standort in Waiblingen schließen will. Spätestens im Jahr 2028 soll Schluss sein mit der Fertigung für den Automobilbau, in der Stauferstadt bleiben nur die für die Medizinsparte arbeitende Tochter Bosch-Healthcare und ein firmeninternes Start-up für innovativen 3D-Druck erhalten.

„Der Schock sitzt tief bei der Belegschaft“, sagt der Betriebsratschef über die Angst vor dem Verlust der sicher geglaubten Arbeitsplätze , sein Stellvertreter Luigi Bigotto spricht von Existenzangst. Die Schließung des Werks in Waiblingen ist ein Baustein des Sparprogramms, das sich der Bosch-Konzern für seine Automobilsparte verordnet hat. Bundesweit sollen 13 000 Stellen wegfallen, in der Region Stuttgart müssen auch die Standorte in Feuerbach und Schwieberdingen beim Personal gewaltig Federn lassen. Doch eingestellt werden soll die Arbeit nur in Waiblingen, nur das Werk in der Stauferstadt ist von einer Komplett-Schließung bedroht.

Von der Schließung bedroht: Das Bosch-Werk in Waiblingen. Foto: IMAGO/onw-images

„Bei diesem personellen Kahlschlag reden wir nicht nur über die Menschen, die ihren Job verlieren. Wir reden auch über das Risiko, dass eine ganze Region einen Schlag abbekommt, der das soziale Zusammenleben über Jahre erschüttern wird“, sagt Susanne Thomas, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Ludwigsburg / Waiblingen. Sie mahnt den Bosch-Konzern, seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden – und die Kosten für den geplanten Personalabbau lieber in die Entwicklung nachhaltig erfolgreicher Produkte und Geschäftsmodelle zu investieren.

Auch bei der hitzigen Betriebsversammlung in Waiblingen zeigt Susanne Thomas aus Sicht von Stefano Mazzei „einen sehr starken Auftritt und klare Kante“. Die Gewerkschafterin bietet an, gemeinsam mit der Werksleitung an echten Lösungen für den Erhalt des Standorts zu arbeiten. Mit dem Hinweis auf einen sozialverträglich gestalteten Personalabbau will sich die Belegschaft jedenfalls nicht abspeisen lassen. Mazzei macht unmissverständlich klar: „Sozialverträgliche Lösungen reichen nicht! Wir müssen über den Erhalt der Arbeitsplätze hier in Waiblingen verhandeln.“

Betriebsrat: Im Hintergrund liefen längst Pläne für die Schließung des Werks

Viele Beschäftigte sehen es ähnlich: Wer von „sozialverträglich“ spricht, plant im Hintergrund längst Stellenabbau und Schließung. Großen Applaus erhalten von den mehr als 400 anwesenden Kolleginnen und Kollegen erhalten die Vertrauensleute mit einer „Oscar“-Verleihung an die Werksleitung – für die beste Schauspielerei der vergangenen Jahre. „Während öffentlich mit dem Betriebsrat ein Zukunftsbild erstellt werden sollte, liefen im Hintergrund längst die Pläne für die mögliche Schließung“, beklagt Stefano Mazzei.

Der Waiblinger Betriebsratsvorsitzende hatte die Geschäftspolitik des Bosch-Konzerns schon im Vorfeld der Versammlung scharf kritisiert. Der Standort in der Region sei sehenden Auges abgewirtschaftet worden, statt im Ländle werde lieber in Fernost produziert. „Bei uns wurden notwendige Sanierungen und die Investition in moderne Maschinen verschleppt, während in Thailand Millionenbeträge investiert wurden und werden. Jetzt wirft man uns vor, dass wir nicht kosteneffizient genug sind“, sagt er.

Bei Bosch wird die Schließung des Standorts in Waiblingen mit dem verheerenden Preiskampf in der Automobilindustrie und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der vor Ort hergestellten Produkte begründet. Durch die Verlagerung des Markts in den asiatischen Raum hätten sich die Umsätze mit der etwa fürs Antiblockiersystem ABS oder den Anschluss von Airbags notwendigen Verbindungstechnik auf dem europäischen Markt in den vergangenen acht Jahren fast halbiert.

Der Konzern geht von einem weiteren Rückgang aus – zumal die Entwicklung neuer Produkte in Waiblingen gescheitert ist. Verschärft wird die Situation laut Firmenangaben, dass viele Stecker mehr kosten als sie wert sind – die Herstellungskosten am Standort liegen bei einigen Produkten offenbar deutlich über dem Marktpreis.

Bei den Beschäftigten im Rems-Murr-Kreis löst diese Sicht der Dinge großen Unmut aus, der Hinweis auf die Marktlage wird von der Belegschaft als fadenscheinige Ausrede gewertet. Verschiedene große und kleine Bosch-Standorte haben Material für ein Solidaritäts-Video nach Waiblingen geschickt, aus Nürnberg und Salzgitter, Bleichach und Bühl, aus Homburg, Bamberg und Eisenach, aber auch aus Murrhardt und Feuerbach kommen Botschaften an.

Auch von Stihl und Syntegon kommen Solidaritätsbotschaften

Auch die Betriebsräte und Vertrauensleute von Stihl und Syntegon in Waiblingen sichern den Bosch-Beschäftigten ihre Solidarität zu. Tatenlos zusehen, wie der Standort geschlossen wird, wollen die Mitarbeitenden nicht. „Wenn wir keine gemeinsame Lösung für den Erhalt der Arbeitsplätze finden, rufen wir zu Aktionen auf“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Stefano Mazzei kämpferisch.