Der Bosch-Standort in Waiblingen steht vor einer ungewissen Zukunft. Foto: IMAGO/onw-images

Betriebsräte aus Waiblingen laufen Sturm gegen das geplante Aus für die Steckerproduktion. Vorgeworfen wird der Konzernspitze, den Standort abgewirtschaftet zu haben.

Auf ihren Arbeitgeber hätten die Bosch-Beschäftigten auch in Waiblingen lange Jahre nichts kommen lassen. Der Vertrag bei der schwäbischen Weltfirma war für viele nicht nur ein Job. Gesicherte Verhältnisse von der Lehre bis zur Rente, eine Lebensaufgabe mit Arbeitsplatzgarantie und im Branchenvergleich üppiger Bezahlung. Der Stolz, wie der Vater und der Großvater auch „beim Bosch“ zu sein, gehörte in vielen Fällen quasi zur Familientradition.

 

Jetzt, nach Bekanntwerden der Schließungspläne, ist die Wut auf die Konzernspitze deshalb umso größer. Das angekündigte Aus für den Standort Waiblingen lässt den eigenen Lebensentwurf platzen, ein großer Teil der Belegschaft in der Mobilitätssparte fühlt sich vom Management verraten und verkauft. 2028 soll Schluss sein mit der Produktion von Steckverbindern, etwa 560 Beschäftigte verlieren ihren Job. Schluss, aus, vorbei.

Der Betriebsrat beklagt, dass Investitionen verschleppt worden seien

Am Werkstor ist am Freitagmorgen von einem „Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter“ die Rede, die Krise in der Automobilindustrie wird als vorgeschobene Ausrede für den Stellenabbau gewertet. „Ihre sozialverträglichen Lösungen können sie sich sonstwohin stecken“, sagt einer über die Ankündigungen des bislang hochgeschätzten Arbeitgebers.

Stefano Mazzei, Betriebsratsvorsitzender in Waiblingen, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Weltkonzern. Bosch habe den Standort in der Region sehenden Auges abgewirtschaftet, statt im Ländle werde lieber in Fernost produziert. „Bei uns wurden notwendige Sanierungen und die Investition in moderne Maschinen verschleppt, während in Thailand Millionenbeträge investiert wurden und werden. Jetzt wirft man uns vor, dass wir nicht kosteneffizient genug sind“, sagt er über die vermeintlich verfehlte Geschäftspolitik seines Arbeitgebers.

Die Schließung des Standorts in Waiblingen wird mit dem verheerenden Preiskampf in der Automobilindustrie und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der vor Ort hergestellten Produkte begründet. Sitzen lassen wollen die Beschäftigten den Vorwurf, zu teuer zu sein und zu schlecht zu arbeiten, auf sich allerdings nicht. Ähnlich wie beim Nachbarn Stihl, der verkündet hat, die Mähroboter-Sparte nach China zu verlagern und lieber auf fernöstliche Ingenieurskunst als auf schwäbische Tüftler zu vertrauen, nagt die Entscheidung auch am Selbstwertgefühl.

„Wir nehmen die Schließung nicht hin. Und unsere Botschaft an die Konzernführung ist eindeutig: Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“, kündigt Stefano Mazzei eine harte Auseinandersetzung um die Waiblinger Jobs an.

„Gewinne maximieren und Menschen auf die Straße setzen“

Dass die Firma sich in aktuellen Werbekampagnen mit dem Slogan „Like a Bosch“ als innovative Qualitätsmarke darstellt, löst bei dem Arbeitnehmervertreter mit Blick auf die Nachricht von der geplanten Schließung bittere Ironie aus. „‚Like a Bosch‘ heißt offenbar: Standorte verlagern, Gewinne maximieren und Menschen in Baden-Württemberg auf die Straße setzen. Das werden wir öffentlich anprangern, laut, sichtbar und solange es sein muss“, sagt Stefano Mazzei.

Schon bei der Verkündung des massiven Personalabbaus in der Region Stuttgart hatte der für die Mobilitätssparte zuständige Betriebsratschef Frank Sell versprochen, keinen Standort im Regen stehenzulassen. „Wir werden kämpfen wie die Löwen“, sagte er am Donnerstag.

Der Arbeitnehmervertreter schilderte in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, dass sich die Belegschaft auch an den Standorten Feuerbach und Schwieberdingen wie in einem Schockzustand befindet. Mit einem erneuten Abbauprogramm von bundesweit 13.000 Stellen ist der Automobilzulieferer aus Sicht von Sell „jetzt in einer Liga angekommen, die jenseits von gut und böse ist“.

Betriebsratschef für die Mobilitätssparte: Frank Sell Foto: AFP

Das gilt auch für den Standort Waiblingen, wo nach der Einstellung der Fertigung für den Automobilbereich nur noch ein Start-up für innovativen 3D-Druck und die mit Lösungen für eine bessere Diagnostik in der Medizinbranche aktive Bosch Healthcare verbleiben sollen. Beim Geschäftsbereich Power Solutions, zu dem das auf der Kippe stehende Waiblinger Werk gehört, geht es vor allem um die Produktion von Steckverbindern auf Basis von Thermoplast und Silikonkautschuk für die weltweite Automobilindustrie.

Das Problem von Bosch: Durch die zunehmende Verlagerung des Markts in den asiatischen Raum und den steigenden Preisdruck haben sich die Umsätze mit der Verbindungstechnik auf dem europäischen Markt in den vergangenen acht Jahren fast halbiert. Der Konzern geht von einem weiteren Rückgang aus – zumal die Entwicklung neuer Produkte in Waiblingen gescheitert ist. Verschärft wird die Situation laut Firmenangaben, dass viele Stecker mehr kosten als sie wert sind – die Herstellungskosten am Standort liegen bei einigen Produkten offenbar deutlich über dem Marktpreis.

Das bedeutete schon in der Vergangenheit einen Schrumpfkurs beim Personal. Als Luigi Bigotto, ebenfalls im Betriebsrat aktiv, vor knapp vier Jahrzehnten seine Lehre bei Bosch begann, waren in Waiblingen noch gut 2300 Menschen beschäftigt. Inzwischen sind es noch etwa 560. „Das war der absolute Hype, Kunststoff war das große Ding“, erinnert er sich an die Hochzeit der Kunststoff-Formgebung.

Das erfolgreich umgesetzte Ziel, bei der Fahrzeugproduktion durch leichtere Bauteile auch Gewicht einzusparen, sicherte dem Autozulieferer glänzende Geschäfte. Jetzt geht in der Belegschaft die Existenzangst um. Dass das Waiblinger Werk ausgerechnet im kommenden Jahr sein 70-jähriges Bestehen feiern könnte, löst unter den um ihren Arbeitsplatz bangenden Kollegen keine Freude mehr aus. Denn schon bald nach der Jubiläumsfeier sollen bei Bosch in Waiblingen die Lichter ausgehen.