Die Region Stuttgart reagiert verärgert auf die überraschende Ankündigung der Bahn, die Stammstrecke der S-Bahn auch 2027 zu sperren. Die Bahn soll sich nun erklären.
Die Deutsche Bahn steht nach ihrer Ankündigung, die S-Bahn-Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen auch im Jahr 2027 nochmals zu sperren, in der Kritik. Der Schienenkonzern hat dies in dieser Woche in einer nicht-öffentlichen Aufsichtsratssitzung des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) bekannt gegeben. Beim Verband Region Stuttgart, in dessen Auftrag die DB die S-Bahn Stuttgart betreibt und der den Verkehr finanziert, kommt dieses Gebaren überhaupt nicht gut an.
Region: Bahn solle Kommunikationspraktiken überdenken
„Vor zwei Wochen wurde uns von Vertretern der Bahn im öffentlichen Verkehrsausschuss die anstehenden Baustellen und Sperrungen mitgeteilt. Dabei wurde die Sperrung 2027 mit keinem Wort erwähnt“, sagt Regionaldirektor Alexander Lahl . Dass die Bahn nun „en passant eine weitere Sperrung der Stammstrecke für 2027 ankündigt, geht gar nicht“. Es brauche „endlich Verbindlichkeit statt ständiger neuer Überraschungen“. Lahl fordert von der Bahn zu prüfen, ob die Sperrung tatsächlich unumgänglich ist. „Zudem sollte sie ihre generelle Baustellenplanung und Kommunikationspraktiken überdenken. Die Grenze des Zumutbaren ist erreicht!“
Gelegenheit zur Erklärung könnte die DB schon bald bekommen. Die SPD-Regionalfraktion will die Bahn in den regionalen Verkehrsausschuss zitieren lassen. Das fordert sie in einem am Mittwoch gestellten Dringlichkeitsantrag. Für die Mai-Sitzung dürfte das zu knapp sein, so dass es dem Vernehmen nach auf die Zusammenkunft Anfang Juni rausläuft. Er sei von der Ankündigung der Bahn „ziemlich überrascht“, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Leipnitz, der wie Lahl an den jüngsten Auftritt von Bahnvertretern vor den Regionalräten erinnert. „So verspielt die Bahn weiteres Vertrauen und das schadet am Ende dem Projekt, aber vor allem ihr selbst“. In der Begründung des Antrags heißt es, es sei „völlig unverständlich, dass die Information über Sperrungen nach dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme erst jetzt öffentlich wird“.
Die Fraktion „Linke, Piraten, SÖS“ bemängelt ein „Versteckspiel um die Stammstreckensperrung 2027“. Philip Köngeter, Sprecher der Fraktion im Verkehrsausschuss und Mitglied der Piratenpartei, erinnert an die Rollenverteilung bei der S-Bahn. „Wir sind nicht Zaungäste, sondern gesetzlich beauftragter Aufgabenträger für den S-Bahn-Verkehr. Wer uns zentrale Informationen vorenthält, missachtet unser Mandat – und damit auch die Fahrgäste, die wir vertreten“. Köngeter kommt zum Schluss: „Es reicht. Wenn
über eine erneute Stammstreckensperrung 2027 nur intern gesprochen wird, während selbst wir Regionalrätinnen und Regionalräte nichts davon erfahren, wird demokratische Kontrolle systematisch untergraben. Die Bahn betreibt Informationspolitik nach Gutsherrenart – und das ist nicht akzeptabel.“
Unklare Pläne zur S-Bahn-Sperrung 2027
Die Deutsche Bahn hatte auf Anfrage nichts zum Zeitpunkt und zur Dauer der Sperrung gesagt. Ein Sprecher teilte lediglich mit: „Über konkrete Zeiträume und Auswirkungen der 2027 notwendigen Sperrung werden wir selbstverständlich rechtzeitig informieren“. Bahnexperten, die das Verhalten der DB in Stuttgart schon länger kritisch beobachten, weisen daraufhin, dass eine Stammstreckensperrung 2027 und damit nach der bisher von der Bahn für Ende 2026 vorausgesagten Eröffnung von Stuttgart21 nicht so ablaufen könne, wie die seit 2021 im Jahresrhythmus wiederkehrende sommerliche Unterbrechung des zentralen S-Bahnabschnitts. Bisher fahren die S-Bahnen in dieser Zeit den oberirdischen Kopfbahnhof an, was nach bisherigen Aussagen der Bahn mit der Inbetriebnahme von Stuttgart21 nicht mehr möglich sein soll. Zudem sollen die S-Bahnen einen Großteil der Fahrgäste aufnehmen, die in Stuttgart-Vaihingen aus der dann gekappten Gäubahn aussteigen, was im Falle einer Stammstreckensperrung so nicht funktioniert.