Stalking mit Todesfolge: Das Opfer hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Foto: dpa

In dem Aufsehen erregenden Stalking-Prozess hat ein Opfer des 48-jährigen Angeklagten vor dem Landgericht Stuttgart seine Leidenszeit geschildert. Eine andere Frau hatte sich das Leben genommen.

Stuttgart/Filderstadt - „Das hat mir große Angst gemacht“, sagt die Frau im Zeugenstand vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Die Facharbeiterin aus dem Rems-Murr-Kreis berichtet über die wenig erquickliche Zeit, die sie mit dem inzwischen 48-jährigen Angeklagten verbracht hat. Der Personalreferent soll die Frau mit Drohungen überzogen und erpresst haben. Der Mann, wegen dessen Nachstellungen sich eine 43-jährige Frau aus Filderstadt umgebracht haben soll, hat bereits ein Teilgeständnis abgelegt.

Die Frau hatte den Angeklagten Anfang August 2015 übers Internet kennengelernt. Es entwickelte sich eine Beziehung, man verbrachte gar eine Woche Urlaub auf Mallorca. Ende Oktober jedoch machte die Frau Schluss. „Es hatte Spannungen gegeben, es hat einfach nicht gepasst“, so die Zeugin. Fortan schickte der 48-Jährige der Frau ungezählte Textnachrichten, die sich in ihrer negativen Intensität steigerten. Er sei ein guter Mensch, sie ein schlechter. Er werde dafür sorgen, dass sie ihre Arbeit verliere. Das gehe ganz einfach – so „von Personalreferent zu Personalreferent“. Er werde sie bei ihrem Vermieter, bei den Nachbarn, bei ihren Freunden schlechtmachen. Schließlich verlangte er 500 Euro von der Frau. Diese Summe sei ihm entgangen, weil er wegen ihr einen Gerichtstermin als Schöffe verpasst habe. Der 48-Jährige war nie Schöffe.

Opfer erkennt die Stimme des Stalkers

Die Frau ging zur Polizei, die Drohungen gingen weiter. Sie habe doch ein schönes Auto – seine Leute würden vorbeikommen, um ihr eine Lektion zu erteilen. Am 11. November vorigen Jahres soll er am Telefon gedroht haben: „Du bist tot, wenn du nicht bezahlst.“ Sie habe ihn an seiner Stimme erkannt, so die Zeugin. Danach war Ruhe – nicht zuletzt, weil die Anzeige gegen ihn wegen Nachstellung und Erpressung wohl Wirkung zeigte und er wenige Wochen später festgenommen worden war.

Der Hauptvorwurf gegen den ehemaligen Zeitsoldaten lautet Nachstellung, also Stalking, mit Todesfolge. Einen solchen Prozess hat es bis jetzt noch nicht gegeben. Höchststrafe: zehn Jahre. Der Angeklagte hatte seine Ex-Freundin aus Filderstadt nach ihrer halbjährigen Beziehung mit Drohungen, Beleidigungen, mit Telefon- und Textnachrichtenterror und Verfolgungen gepeinigt. Er zerstach die Reifen an ihrem Auto, am Auto ihres Vaters, am Auto ihrer Kollegin.

Suizidversuch in der Badewanne

Die 43-Jährige war offenbar so verzweifelt, dass sie Anfang März 2015 versucht haben soll, sich in der Badewanne mit einem Stromschlag das Leben zu nehmen. Der letzte Kontakt fand am 5. März statt. Danach war der geständige Stalker mit dem Opfer aus dem Rems-Murr-Kreis beschäftigt.

Im Juli hatte die 43-Jährige einen Abschiedsbrief verfasst, den ein Kollege zufällig im firmeneigenen Drucker fand. Es tue ihr leid, ihre Eltern zurückzulassen, sie könne aber nicht mehr, stand da zu lesen. Das sei nicht ernst gemeint gewesen, so die Frau zu dem Kollegen. Am 9. November 2015 fanden die Eltern ihre Tochter im Keller ihres Hauses. Die 43-Jährige hatte sich an einem Abwasserrohr erhängt. Das soll laut Anklage die Folge der Nachstellungen des Angeklagten gewesen sein – was dessen Verteidiger in Zweifel zieht. Die 43-Jährige habe schon vorher an psychischen Problemen gelitten. Der Prozess wird fortgesetzt.