Der Stalker akzeptiert seine Strafe, der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart ist schneller beendet als erwartet. Foto: Weingand / STZN

Ein Stalker aus Althütte zieht seine Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Schorndorf zurück und akzeptiert die Bewährungsstrafe. Seine Ex-Freundin leidet nach wie vor – ihr Leben war die Hölle.

Stuttgart/Welzheim - Es muss die Hölle gewesen sein. Eine 35-jährige Frau aus Welzheim ist von ihrem Ex-Freund viele Monate lang gestalkt worden. Der 42-jährige Mann aus Althütte, der sich jetzt vor dem Landgericht Stuttgart verantworten musste, hat die Frau im Jahr 2016 verfolgt und bedroht. Er hat das Haus, in dem sie wohnt, immer wieder mit seinem Sportwagen umkreist. Er hat einen GPS-Sender an dem Wagen der Ex befestigt und deshalb immer gewusst, wo sie sich befindet. Er hat ihr fremde Männer auf dem Hals gehetzt, die auf der Suche nach Sex waren.

Das Amtsgericht Schorndorf hatte den Mann, der in der KFZ-Branche arbeitet, bereits im November 2018 zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Doch er und sein Anwalt hatten Berufung eingelegt und einen Freispruch gefordert. Auch die Staatsanwaltschaft hatte Berufung eingelegt, ihre Forderung: eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung. Die im Vorjahr in Schorndorf präsentierten Beweise seien erdrückend.

Erdrückende Beweise

Am Dienstagvormittag also treffen sich die Kontrahenten wieder, diesmal wird vor der 36. Kammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt. Die meisten der am Verfahren beteiligten Personen haben sich auf einem langen Tag mit einer erneuten Befragung mehrerer Zeugen eingestellt. Doch es kommt anders.

Amtsgericht Schorndorf hatte „keinerlei Zweifel“

Der Richter Martin Friedrich liest zunächst gut eine halbe Stunde lang die Urteilsbegründung seiner Schorndorfer Kollegin vor, Petra Freier hatte erklärt, der Fall sei aus ihrer Sicht „glaskar“. Das Amtsgericht, so Friedrich, habe „keinerlei Zweifel“ gehabt: der 42-Jährige sei der Stalker. Friedrich erklärt, die Berufungsziele der beiden Parteien seien höchst unterschiedlich und gibt dem Angeklagten mit diesen Worten durch die Blume zu verstehen, dass er nach einer neuerlichen Verhandlung auch ein Strafe bekommen könnte, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sprich dass er in den Knast wandern könnte. Der Anwalt des 42-Jährigen sagt zwar noch: „Er war es nicht.“ Doch bereits vor der kurzen Verhandlungspause kündigt sich an, dass dieser Tag vor dem Gericht womöglich doch anders laufen könnte als erwarten.

Die 35-Jährige kämpft während einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung mit den Tränen, sie atmet tief durch und sagt dann: „Ich muss mich zusammenreißen, ein letzte Mal.“ Es sei schrecklich dem Mann gegenüber zu sitzen, mit dem sie mal zusammen war und der ihr so schlimme Dinge angetan habe. Bereits der Termin vor dem Amtsgericht Schorndorf sei „eine Tortur“ gewesen.

3500 Euro Schmerzensgeld

Als die Verhandlung dann wieder beginnt erklärt der Angeklagte mit leiser Stimme und zur Überraschung manchen Beobachter im Sitzungssaal: „Ich gebe es zu.“ Vermutlich hat er Bedenken bekommen, das Landgericht hätte ihn ja durchaus ins Gefängnis schicken können. Offenbar hatten sich der Waiblinger Rechtsanwalt Jens Rabe, der das Opfer vertritt, der Anwalt des Angeklagten und die Staatsanwältin während der Pause abgestimmt. Alle Beteiligten erklären, dass sie die Berufung zurücknehmen.

Der Stalker bekommt seine Bewährungsstrafe, ferner muss er seiner Ex-Freundin 3500 Euro Schmerzensgeld bezahlen und den Großteil der Kosten des Verfahrens tragen, laut Rabe sicherlich noch mal ein paar tausend Euro. Der Täter räumt damit ganz offenkundig auch ein, dass er der Frau zig Whatsapp-Nachrichten unter einem unbekannten Namen gesendet hat, dass er Kollegen der Frau belästigt hat und dass er ein Profil für sie bei einem Sex-Portal angelegt hat. Die üblen Nachstellungen hatten und haben bis heute schlimme Auswirkungen: Die 35-Jährige war zeitweise krankgeschrieben, sie musste ein Studium unterbrechen, litt unter Panikattacken, Nervosität und Schlaflosigkeit, sie hatte Verfolgungsängste. Sie traut sich mitunter noch heute nicht allein aus dem Haus und nicht in ihren Kellerraum.

Der Richter spricht nach dem Ende der Verhandlung von einer „vernünftigen Lösung“. Und Jens Rabe sagt, er habe sicherlich schon 40 oder 50 Frauen vor Gericht vertreten, die gestalkt wurden. Der Fall der Frau aus Welzheim sei einer der übeleren, aber nicht der schlimmste.