Das nervt: Wenn der Nachbar obendrüber dauernd Lärm, hilft nur der Besen Foto: Fotolia

Leute, die im Haus ständig lärmen, nerven – ein Leidensbericht von einem, der mit feierfreudigen Nachbarn gestraft ist.

Stuttgart - Es gibt Nächte, die vergisst man nicht. Zum Beispiel eine Mainacht vergangenen Jahres. Irgendwann um halb zwei Uhr in der Früh steht man vor Nachbars Tür und schlägt mit der Faust gegen das Holz. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern gefühlte Hundertmal. Mit der freien Hand versucht man mittels Sturmklingeln auf sich aufmerksam zu machen. Niemand öffnet. Stattdessen? Dumpfes Wummern. Infernalische Bässe. Gejohle. Sirrende Wände. Kollerndes Glas. In einem Mietshaus in der Stadt. Der Puls? Knapp unter 200. Wahnsinn.

Eine Ewigkeit später öffnet der junge Mann mit Kapuze über dem Kopf, völlig zugedröhnt – „Yo, man!“ Was denn los sei? Krass sei dieses Hämmern, beschwert er sich. Zimmerlautstärke? Was? Echt? Es sei eine Überraschungsparty zum Geburtstag, lallt der Mittzwanziger, der seit einigen Monaten im Hause wohnt. Einige Kumpel seien spontan gekommen, die Freundin habe sie heimlich eingeladen. Wo das Problem liege?

Schlimme Dinge, die man vor Gericht bereuen könnte

Nur so am Rande: Man kann einander im Flur kaum verstehen. Zwei Straßen weiter könnte ein Flugzeug abstürzen, man würde es nicht mitbekommen. Doch der junge Herr mit den glasigen Augen ist sich keiner Schuld bewusst. Von einer Hausordnung wisse er nix. Die Partyveranstalterin hätte die Nachbarn doch vorher informieren können, um Nachsicht bitten können, oder? Achselzucken.

In solchen Augenblicken könnte vieles geschehen. Schlimme Dinge, die man später vor Gericht bereuen würde. Dieses Mal vergreift man sich im Ton, nur das. Droht, ballt die Faust. Das Testosteron ist schuld. Gerade bei jugendlichen Mitbewohnern mit Hörschaden, Kapuzenpulli, Bassboxen und mindestens sechs Bierkästen auf dem Balkon hilft nur die selbstbewusste Tour, auch wenn man danach als Blockwart gilt. Nicht dulden, nicht leiden! Beschweren! Die Polizei werde man anrufen, brüllt man, sich beim Vermieter des Partymenschen beschweren, eine Umfrage im Haus durchführen. Es wirkt. Eine halbe Stunde später ist die Party zu Ende, eine Traube Jungvolk torkelt lachend aus dem hellhörigen Altbau in die stille Nacht.

Musik ist Opium fürs Volk

Wladimir Iljitsch Lenin hat einmal gesagt, Religion sei Opium fürs Volk. Nein, es ist die Musik. Indie, Rock, Dance, Techno, Hip-Hop, Speed-Metal – völlig egal: Ohne Dauerbeschallung geht heute nix mehr. Von der Shopping-Mall über das Restaurant bis hin zur eigenen Behausung, andauernd dudelt und dröhnt es aus den Boxen. Opium für Volkes Ohr. Andererseits: Wer jung ist, muss wummern. Sich an Flaschen festhalten. Unmengen von Pizza vertilgen. Mit anderen Dödeln Spaß haben. Das ist okay so.

Was nicht okay ist: die trendige Unsitte, nicht nur im Club oder auf öffentlichen Plätzen Krach zu machen, sondern zuhaus’ zwischen müden Familien, zartbesaiteten Pendlern und schreckhaften Senioren. Die Generation Y wirkt auf den Betrachter nicht nur unterhaltungstechnisch hochgerüstet, sondern kostenbewusst beim Feiern. Man spart. Und wenn man sich schon gemeinsam betrinkt, dann bitte richtig. Das wiederum verursacht Kosten, die man im Privaten bei guter Planung minimieren kann. Ein Cocktail in einer Bar kostet deutlich mehr als eine Kiste Bier im Supermarkt. Wen wundert’s da, dass gerade bei jungen Semestern der früher als Spießergruft verschriene Hobbykeller wieder schwer in Mode ist.

Heute geht beim Feiern alles durcheinander

Auch deswegen sind die Nachmieter des Kapuzenmanns – eine studentische Wohngemeinschaft – bei der Erstellung ihres Party-Stundenplans äußerst penibel. Die Anlässe für Besäufnisse sind so vielfältig wie banal, im Grunde nicht feierwürdig. Trotzdem: Man freut sich kindisch über den neuen „Tatort“, schaut im Rudel die Champions-League und darf auf keinen Fall den Weihnachtsmarkt versäumen. Echte Rock’n’Roller halt. Man gibt sich volksnah, schleppt Tiefkühl-Pizza und Gerstensaft spazieren wie die hart schuftenden Jungs vom Bau. Eine beliebte Akademiker-Pose ist das, die lediglich eine schlechte Imitation und eine Verhöhnung des Proletariers darstellt.

Früher, in klassenbewussteren Zeiten, kippte der Arbeiter im Schweiße seines Angesichts die Bierflasche, der feine Bürger hingegen süffelte aus dem Glas. Heute geht alles durcheinander beim Feiern, verhält sich jeder gepuderte Halbgebildete derber als ein Kutscher. Und oft wird daheim gruppenweise vorgeglüht, also vorgebechert, um hernach mit stattlichem Pegel die Reststadt akustisch zu beglücken. Leider weiß man nie, wie lange so eine Vorglühzeit dauert. Bei alten Dieselaggregaten konnten das Minuten sein, bei den Studenten im ersten Stock vergehen auch mal zwei Stunden. Es ist zum Ausziehen laut. Nur wohin? Überall wird vorgeglüht. Das Umweltbundesamt hat ermittelt, dass der Deutsche in Sachen Lärm sich am meisten über den Straßenverkehr ärgert, gleich danach folgt der tönende Nachbarn.Flüchten? Zwecklos!

Genau deshalb fielen kürzlich im Hausflur wieder deutliche Worte. Übrigens: Die jungen Menschen sind auch lärmempfindlich. Letztens wurde einer von den Krachmachern mit gigantischen Kopfhörern vor der Haustür gesichtet. Wahnsinn.

Info: Was tun bei ständigem Krach?

Info: Was tun bei ständigem Krach?

Zimmerlautstärke: Generell gilt für Mehrfamilienhäuser ohne besondere Schallschutzmaßnahmen, dass außerhalb einer Wohnung Partymusik oder Fernsehgeräusche nicht mehr oder zumindest kaum noch zu hören sein dürfen. Besonders geschützt ist die Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr. Dafür gibt es neben der Hausordnung Immissionsschutzgesetze der Länder, in denen laute Partymusik verboten wird. Das gilt nicht für Babygeschrei oder Geräusche alter oder kranker Menschen.

Falls der Lärm das erträgliche Maß überschreitet, sollte man das besonnene Gespräch suchen. Ist der Lärmende uneinsichtig, sollte man ihn auf die Hausordnung hinweisen. Wird es nicht besser, beschwert man sich schriftlich beim eigenen und beim Vermieter der Gegenpartei, am besten per Einschreiben. In dringenden Fällen: die Polizei benachrichtigen.

Rücksichtslosen Störern droht nach Angaben des Mieterbunds ein Bußgeld bis zu 5000 Euro. Man kann auf Unterlassung klagen, Mieter können eine Mietminderung gegen den eigenen Vermieter geltend machen.