Lukas aus der Kita Brunnenwiesenstraße zeigt stolz Fotos, die seine Arbeit dokumentieren. Foto: Stefanie Schlecht

Der Verein kids@kita feiert die zehnte Ausstellung mit Werken Sindelfinger Kindern in der städtischen Galerie. 3200 Kitakinder haben in den vergangene Jahren mitgemacht. Erzieherinnen und Künstler haben sich zu Reggio-Pädagogik-Experten weitergebildet.

Sindelfingen - Kunstmuseen und Galerien sind zumeist sehr elitäre Orte, an die sich nur wenige Menschen mit einem entsprechenden Background trauen. In Sindelfingen ist das anderes. Die städtische Galerie ist ein Anziehungspunkt für Menschen verschiedener Schichten und mit unterschiedlichem Bildungshintergrund. Beliebt ist die Galerie auch bei Familien mit Kindern, die sonst solche Kunsttempel eher meiden. Das liegt nicht nur daran, dass der Eintritt frei ist.

Vor allem ist dies ein Verdienst des früheren Galerieleiters Otto Pannewitz, der die „Kunst für alle“ etablierte. Die Kinder früh an Kunst heranzuführen, war ihm ein Herzensanliegen. Da kam ihm der 2009 gegründete Verein kids@kita gerade recht.

Reggio-Pädagogik steht im Mittelpunkt

Engagierte Eltern wie Michael und Birgit Strauß sowie engagierte Erzieherinnen wie Doris Hirsch, damals Leiterin der Kita am Goldberg, hoben den Verein aus der Taufe. Ziel war, alle 40 Kindertagesstätten in Sindelfingen – städtische wie private – zu unterstützen, zusätzliche besondere Projekte zu finanzieren, alles, was über den normalen Bildungsauftrag von Kitas hinausgeht. Schwerpunkt dabei: die Reggio-Pädagogik, die die langjährige Leiterin des Amts für Kindertagesstätten, Ursula Fujike, einst nach Sindelfingen gebracht hatte. Deren Ansatz: Kinder sollen durch eigenes Erleben die Welt erkunden und dadurch in ihrer Kreativität angeregt werden.

Dieses wollte der neue Förderverein kids@kita mit dem Projekt Kunststoff unterstützen. Künstler aus der Region besuchen die Kitas und erarbeiten in Workshops zu von den Kindern ausgewählten Themen verschiedene Objekte: Bilder, Skulpturen, Bücher, Webarbeiten, Filme, Theaterszenen und Fotos. Die Ergebnisse werden jährlich in einer großen mehrwöchigen Werkschau in der Sindelfinger Galerie gezeigt. Es sind stets die bestbesuchtesten Ausstellungen in der Galerie. Als Michael Strauß und Doris Hirsch vor mehr als zehn Jahren mit der Arbeit begonnen haben, konnten sie nicht ahnen, welche Dimensionen das Projekt annehmen wird. „Mittlerweile haben 3200 Sindelfinger Kinder an unseren Kunstprojekten teilgenommen, mit 260 000 Euro wurde dies gefördert“, berichtet Strauß. Das Besondere daran: das gesamte Geld stammt von Sponsoren wie den Sindelfinger Stadtwerken, der Firma Bitzer, der Volksbank, der Kreissparkasse und anderen Unternehmen und Organisationen.

3200 Kinder haben in zehn Jahren mitgemacht

An diesem Samstag ist es wieder soweit: Die neueste Werkschau der Sindelfinger Kitakinder wird in der Galerie eröffnet. Und der Verein feiert das zehnjährige Bestehen des Projekts Kunststoff. 2011 gab es die erste Ausstellung. Pandemiebedingt war die Beteiligung dieses Mal etwas geringer. Trotzdem haben 200 Kinder aus 22 Gruppen und neun Kitas mitgemacht. Passend zur Sindelfinger Biennale stand das Projekt unter dem Großthema „Märchen“. Über drei Stockwerke ziehen sich die bunten Kunstwerke der Kinder: Wilde Monster gibt es zu sehen, reich verzierte Prinzessinnenstühle und Landschaften aus Papier und Stoff, bevölkert von Zwergen und Feen.

Längst sind die Kinder von Michael Strauß dem Kindergartenalter entwachsen und Doris Hirsch ging vor zwei Jahren in den Ruhestand. Trotzdem treiben diese beiden unermüdlich weiter den Motor von kids@kita an. Der neueste Coup war die Professionalisierung: Durch Kontakte zur Hochschule für Sozialpädagogik in Esslingen konnte Hirsch den Professor Axel Jansa, einen Experte für die Reggio-Pädagogik gewinnen. „Er beobachtet seit Jahren unsere Arbeit und hat auch jährlich die Ausstellung in der Galerie besucht“, sagt Hirsch. Und er schicke regelmäßig seine Studenten in Sindelfinger Kitas, damit sie sich vor Ort anschauen, wie die Reggio-Pädagogik (erfunden in den 1970er-Jahren in der oberitalienischen Stadt Reggio), in der Praxis aussieht. Jansa organisierte im vergangen Jahr eine Fortbildung für Erzieherinnen und Künstler zu sogenannten Atelieristas – das sind Werkstattleiterinnen in der Reggio-Pädagogik.

Endlich wieder kreative Freiheiten nach coronabedingten Einschränkungen

„Wir wollen das Niveau anheben. Das ist besonders wichtig nach der Zeit der Beschränkungen für die Kinder durch die Coronabestimmungen“, sagt Hirsch. „Die ganze Zeit mussten sie fragen, was sie dürfen. Selbstständigkeit war nicht erwünscht. Das widerspricht dem Prinzip der Reggio-Pädagogik.“ Zehn Tandem-Teams – jeweils ein Künstler und eine Erzieherin – haben die mehrmonatige Fortbildung absolviert. „Diese geben jetzt als Multiplikatoren ihr Wissen an die Kollegen weiter“, sagt Hirsch. Neben dem Projekt Kunststoff unterstützt der Verein kids@kita die Einrichtungen bei der Ausstattung mit speziellen Möbeln und Spielgeräten der Reggio-Pädagogik. Dafür veranstaltet der Verein jährlich einen Flohmarkt, auf dem Eltern gespendete Sachen verkaufen. Sponsoren verdreifachen den Erlös. Jede Kita erhält einen Einkaufsgutschein. Für 85 000 Euro wurde bisher eingekauft.

Die Kunststoff-Ausstellung in der städtischen Galerie wird am 3. Juli um 11 Uhr eröffnet – coronabedingt auf dem Rathausvorplatz. Die Schau ist bis Ende August zu sehen. Die Galerie öffnet montags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr, Eintritt frei.