Spricht Carl-Gustav Kalbfell bald vor Reutlinger Bürgern? Foto: Günter E. Bergmann - Photograph

Der Bürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, Carl-Gustav Kalbfell, möchte am 3. Februar in Reutlingen zum Oberbürgermeister gewählt werden. Wir vergleichen die beiden Städte und wagen einen Ausblick, was nach der Wahl passieren könnte.

Leinfelden/Echterdingen - Jetzt will er schon weg: So lauteten Reaktionen im Netz, als sich Carl-Gustav Kalbfell im Frühjahr 2018 für die Stelle als Sozial-, Bildungs- und Sportbürgermeister in Pforzheim beworben hat. Damals hatte er keinen Erfolg. Nun probiert es der 41-Jährige innerhalb nur eines Jahres erneut. Diesmal versucht er sein Glück in Reutlingen – seiner Heimatstadt. Dort stehen am Sonntag, 3. Februar, die Oberbürgermeisterwahlen an. Und diesmal hat Kalbfell einen persönlichen Bezug zu der Stadt.

Kalbfell ist in Reutlingen aufgewachsen und zur Schule gegangen. Man kennt ihn dort auch als politischen Entscheidungsträger. Vor seiner Zeit in Leinfelden-Echterdingen saß er mehrere Jahre für die FDP im Gemeinderat und im Kreistag. Zudem soll er der Wunschkandidat der Reutlinger FDP für den OB-Posten sein.

Reutlingen hatte schon einmal einen OB mit dem Name Kalbfell

Entsprechend engagiert geht er seinen Wahlkampf an. Vor mehreren Wochen hat Kalbfell die Seite www.kalbfell.net ins Netz gestellt, auf der er über sich selbst und seine Ziele in Reutlingen informiert. So erfährt man dort beispielsweise auch, dass er die Imkerei zu seinen Hobbys zählt. Kalbfell versucht, mit Frechheit zu punkten. Seine Plakate, die in Reutlingen hängen, heben sich von jenen der Konkurrenz sichtlich ab. Sein Konterfei ist darauf nur halb zu sehen.

Übrigens: Die Stadt Reutlingen hatte schon einmal einen Oberbürgermeister, der den Nachnamen Kalbfell trug: Oskar Kalbfell (SPD) hat von 1945 bis 1973 die Geschicke der Stadt gelenkt. Auch dazu informiert Carl-Gustav Kalbfell im Netz: „Nein, ich bin nicht der Enkel von Oskar Kalbfell“, heißt es dort. „Ich kann auch keinen Handstand auf der Rathaustreppe.“ Dass Ingrid Savary, die Tochter seines berühmten Namensvetters, neben der er beim Mutscheln in der Weinstube Achalm saß, ihm den Oberbürgermeister aber zuzutrauen scheint, lasse ihn hoffen.

Welche Stadt ist größer?

Die Große Kreisstadt Leinfelden-Echterdingen liegt im Landkreis Esslingen, eingebettet zwischen dem Schönbuch und den angrenzenden Gemeinden Filderstadt, Steinenbronn, Waldenbuch sowie den südlichen Bezirken Stuttgarts. L.-E. hat 40 100 Einwohner sowie vier Stadtteile.

Unterdessen ist die Reutlingen Kreisstadt des Landkreises Reutlingen. Die Stadt als solche gliedert sich auf in die Kernstadt und zwölf Stadtbezirke. Sie hat 116 500 Einwohner, also mehr als doppelt so viele wie L.-E..

Wo wird dem Bürgermeister mehr geboten?

In Leinfelden-Echterdingen verdient Kalbfell als Bürgermeister rund 8066 Euro im Monat. Das ist die Besoldungsgruppe B3 für Beamte. Das Amtszimmer ist 43 Quadratmeter groß.

In Reutlingen hätte Kalbfell einen halben Quadratmeter weniger Platz; das Amtszimmer ist 42,5 Quadratmeter groß. Aktuell liegt die Besoldung bei 13 228 Euro monatlich, das ist die Besoldungsgruppe B10 für Beamte. Die hängt ab von der Einwohnerzahl. In Städten bis 200 000 Einwohner liege die Spanne bei B9/B10, gibt das Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Reutlingen zur Auskunft. In der zweiten Amtszeit sei es auf jeden Fall die höhere Besoldung, in der ersten entscheide der Gemeinderat.

Was sind die Dauerthemen?

Die Bürger von Leinfelden-Echterdingen müssen immer wieder mit verstopften Straßen und von Auswärtigen zugestellten Parkplätzen leben. Die Stadt geht ihre Verkehrsprobleme mit einem Mobilitätskonzept an, setzt aber auch auf eine Zusammenarbeit mit den Nachbarkommunen. Oberbürgermeister Roland Klenk hat hierfür auch eine Seilbahn-Lösung ins Spiel gebracht. Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell ist aber zunächst einmal für andere drängende Probleme zuständig, wie beispielsweise die Sanierung der örtlichen Schulen und den Ausbau der Kinderbetreuung.

Die Klagen über den Verkehr in Reutlingen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen in Leinfelden-Echterdingen. In Reutlingen ist auf lange Sicht eine Stadtbahn der besonderen Art geplant. Eine Regionalstadtbahn, die beispielsweise von Reutlingen aus direkt zu den Kliniken in Tübingen pendeln soll. Zudem ist Reutlingen eine der Städte, die als Versuchskaninchen für einen kostenlosen Busverkehr ins Gespräch gebracht worden sind.

Was sind die Sehenswürdigkeiten?

Immer mehr Hotels schießen in Leinfelden-Echterdingen wie Pilze aus dem Boden. Die Stadt hat auch einiges zu bieten: die Schönheit des nahe gelegenen Siebenmühlentales oder den kulturellen Schatz der Spielkarten im gleichnamigen Museum. Oder sehenswerte Ausstellungen im Echterdinger Heimatmuseum oder im Leinfelder Haus.

Reutlingen kann mit einem kleinen großen Rekord aufwarten. Wer will, kann dort die kleinste Straße der Welt besichtigen. Seit 2007 gilt die Spreuerhofstraße im Guinnessbuch der Rekorde als engste Straße der Welt. Wobei von Straße kaum die Rede sein kann. Die Spreuerhofstraße ist an ihrer engsten Stelle gerade einmal 31 Zentimeter breit. „Die Gasse entstand nach dem Stadtbrand von 1726, der Reutlingen weitgehend zerstörte“, ist auf der Internetseite der Stadt zu lesen. „Der Spreuerhof war ursprünglich ein Getreidelager für das Reutlinger Spital. In diesem reizvollen Winkel ist die Vergangenheit der mittelalterlichen Stadt noch lebendig.“

Welche Lage ist besser?

Der Stuttgarter Flughafen trägt diesen Namen zu Unrecht, denn er liegt im Stadtgebiet von Leinfelden-Echterdingen, genauso wie die Landesmesse. L.-E. grenzt an die Autobahn und die Schnellstraße B 27. In die Landeshauptstadt und auch nach Tübingen ist es nicht weit. Jedenfalls, wenn gerade kein Stau ist.

Reutlingen gilt als Tor zur Schwäbischen Alb. Die Steigen hoch ist es von Reutlingen aus ein Katzensprung, und trotzdem hat man unten Stadtgefühl. Wer Reutlingen noch nie gehört hat, kennt aber vielleicht Willy Betz. Die Spedition gehört zur Stadt wie die Echaz. Und wem nach einem raschen Tapetenwechsel ist, der fährt in zehn Zugminuten ins weltbekannte Outlet-City Metzingen und kauft sich einen neuen Schlips.

Welche Traditionen gibt es?

Zu Leinfelden-Echterdingen gehört das Filderkraut. Höhepunkt ist seit mehr als 40 Jahren das Krautfest, das jeweils am dritten Oktober-Wochenende steigt. Mehr als 50 000 Besucher kommen dafür nach Leinfelden-Echterdingen. Dann wird wettgehobelt, Kuchen verspeist – kurz: dem Spitzkraut gehuldigt. Es gibt sogar eine eigene App fürs Smartphone zum Filderkrautfest.

Die Mutschel ist das Reutlinger Traditionsgebäck. Sie besteht aus einem mürben Hefeteig mit acht Zacken. Die Mutschel dürfte es seit dem 13. Jahrhundert geben; das Wort meint so etwas wie missratener Brotlaib. Wenn die Reutlinger mutscheln, bedeutet dies, dass sie um das Kultgebäck würfeln.

Was passiert, wenn Kalbfell in Reutlingen zum OB gewählt wird?

Die amtierende Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch verlässt ihren Posten zum 2. April. Idealerweise sollte Kalbfell dann am 3. April übernehmen. L.-E. hätte also ab 3. April keinen Bürgermeister mehr. Kalbfell ist 2015 gewählt worden, seine reguläre Amtszeit würde erst 2023 enden. Scheidet ein Bürgermeister vor Ablauf der Amtszeit aus, muss spätestens drei Monate nach Freiwerden der Stelle ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Solange übernehmen der Oberbürgermeister Roland Klenk und die Erste Bürgermeisterin Eva Noller die Vertretung.

Was passiert, wenn Kalbfell in Reutlingen nicht zum OB gewählt wird?

Dann wird er am 12. Februar wohl wieder im Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschuss im Leinfelder Rathaus sitzen, als sei nichts geschehen. Ob es ihn noch lange in L.-E. halten wird? Vielleicht wird er auch bald wieder die Fühler nach einem anderen Chefposten ausstrecken. In Ellwangen, Feldberg im Schwarzwald und Nürtingen stehen in den kommenden Monaten auch noch Bürgermeisterwahlen an.