Sie wollen die Viehweide voranbringen (von links): Karl Peter Hoffmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Sindelfingen, und der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer, unterstützt von Sascha Schwarzkopf, dem Büroleiter des Sindelfinger Rathauschefs. Foto: factum/Weise

Die Stadt hat das Gemeindehaus der katholischen Kirche auf der Viehweide gekauft. Dorthin soll die Bürgerinitative bald umziehen. Sie ist in einem Provisorium untergebracht.

Sindelfingen - Von weitem grüßt Papst Franziskus die Bewohner. „Barmherzigkeit verwandelt Euer Herz“, steht auf einem riesigen Banner, das an der Wand der katholischen Kirche im Sindelfinger Stadtteil Viehweide hängt. Die Stadt hat dieses Quartier als zweites dazu auserkoren, die Lebensqualität zu verbessern. Am bundesweiten Tag der Städtebauförderung machte vor allem die Bürgerinitiative auf sich aufmerksam, die weitere Helfer sucht, die gemeinsam die Attraktivität in dem Stadtviertel und das Miteinander fördern wollen. Am Hans-Thoma-Platz soll nun das katholische Gemeindehaus zu einem Bürgertreff umgebaut werden.

Wolkenkratzer wurden saniert

Der Stadtteil Eichholz war als erstes in das Sanierungsprogramm der Stadt aufgenommen worden. Dort ist bereits ein neuer Bürgertreff entstanden. Nun wartet die Viehweide darauf, dass nun auch die letzten baulichen Maßnahmen folgen. Denn begonnen wurde mit dem Entwicklungskonzept laut der Sindelfinger Baubürgermeisterin Corinna Clemens bereits im Jahr 2007.

Die Viehweide kennen die meisten aus dem Großraum Stuttgart vom Vorbeifahren: Die Hochhäuser entlang der Autobahn 81 sind charakteristisch. Etwa zehn Millionen Euro nahmen die Wohnstätten Sindelfingen – das kommunale Wohnungsbauunternehmen – in die Hand, um die in den 1960er und 1970er Jahren erbauten „Wolkenkratzer“ zu sanieren und die Außenanlagen neu zu gestalten. Die Stadt ließ einen Waldspielplatz bauen, legte einen Bolzplatz an, baute eine Kindertagesstätte um, die vor kurzem erweitert wurde, und weihte im Jahr 2014 den neu angelegten Hans-Thoma-Platz ein.

Förderprogramm läuft 2020 aus

Der Kauf des katholischen Gemeindezentrums ist das I-Tüpfelchen gewesen. Für eine halbe Million Euro erwarb die Stadt das Gebäude laut Clemens von der Kirche. Dorthin sollen die derzeit 43 Aktiven in den Arbeitskreisen der Bürgerinitiative umziehen, die seit zehn Jahren Stadtteilarbeit machen und zurzeit noch in einem Container untergebracht sind.

Insgesamt 3,2 Millionen investiert die Stadt in die städtebauliche Entwicklung auf der Viehweide, wo rund 2400 Menschen leben. 1,4 Millionen Euro davon kommen aus dem Fördertopf des Landes. Clemens hofft auf weitere Zuschüsse aus diesem Förderprogramm, das im Jahr 2020 ausläuft. Bis in zwei Jahren soll auch der Stadtteiltreff fertig sein, in dem auch Veranstaltungen, Kulturangebote und Kurse etwa zur Stärkung der Gesundheit geplant sind. Denn die älteren Menschen sind in der Viehweide in der Überzahl. Außerdem haben viele Einwohner einen Migrationshintergrund.

Gemeinschaftssinn fördern

„Das macht die gemeinsame Arbeit für mehr Lebensqualität umso wichtiger“, sagt die Quartiersmanagerin Beate Faust. Viele kämen aus der Türkei, Russland, Polen oder aus Kroatien. „Wir wollen versuchen, den Menschen ein Stück Heimat zu geben“, erklärte der Sindelfinger Rathauschef Bernd Vöhringer (CDU) am Samstag während seiner Ansprache auf dem Hans-Thoma-Platz zum Tag der Städtebauförderung. Und für Faust geht es darum, die Menschen auf der Viehweide noch besser miteinander zu vernetzen und den Gemeinschaftssinn zu stärken. Dazu gehört auch, dass die Interessen der Viehweiden-Bewohner deutlicher artikuliert werden.

Hildegard Eisenbacher ist eine davon. „Die Integration der Zugereisten ist nicht weit gediehen“, kritisiert die 78-Jährige. Sie wünscht sich ein besseres Miteinander und mehr Möglichkeiten, sich gegenseitig kennenzulernen. Im Aufzug des 15-stöckigen Wohnhauses, in dem sie lebe, treffe sie oft Leute, die sie noch niemals gesehen habe, und frage sie manchmal, ob sie auch ins Haus gehörten.

Schallschutzfenster für die Bewohner

Der 81 Jahre alte Peter Hollmann wiederum bemängelt den Lärm durch die Autobahn 81. Zwar soll es nach dem Ausbau der Fernstraße Schallschutzfenster für die Anwohner geben, bei denen die Lärmschutzgrenzwerte überschritten werden. Aber vor allem nachts könne man die Fenster kaum mehr öffnen, wenn man ruhig schlafen wolle. Zudem fehle ein Breitbandanschluss für ein schnelleres Internet.

Außerdem vermissen viele Einwohner einen Lebensmittelmarkt. Manche wünschen sich auch eine Metzgerei im Quartier. Immerhin können sie am Hans-Thoma-Platz Backwaren einkaufen, ein italienisches Restaurant besuchen und sich in einer internistischen Hausarztpraxis medizinisch versorgen lassen.

Das Eichholz

Projekt
: Der Stadtteil Eichholz galt als sozialer Brennpunkt. Die Stadtverwaltung und die Sindelfinger Wohnstätten, Eigentümer der fünf großen Wohnblocks, stellten einen Antrag, in das Bund-Land-Programm soziale Stadt aufgenommen zu werden. Zwischen den Jahren 2003 und 2011 flossen 15 Millionen Euro in das Quartier. Die Gebäude wurden renoviert, die Spielplätze und Außenflächen neu gestaltet, ein Treffpunkt für die Bewohner geschaffen.

Planung:
Die Stadt möchte weitere Stadtteile aufwerten. Noch in diesem Jahr soll sich der Gemeinderat damit befassen.