Regelmäßig besucht die Frauengruppe den Diakonissengarten, gerne machen sie Picknick während die Kinder spielen. Foto:  

Ein grüner Treff im Stadtteil Oberesslingen – das ist der Diakonissengarten an der Hirschlandstraße.

Das kleine Schild an der Kreuzstraße neben Kahramans Feinkost weist auf einen Spielplatz hin, was man dort darf und was nicht und auf was man zu achten habe. Wer das liest und weitergeht, erwartet einen Platz mit einem Spielgerät und mit Bänken für die Eltern. Unvermittelt findet man sich jedoch auf einer parkähnlichen grünen Wiese wieder, mit dichtem Baumbestand, hellen, gekiesten Wegen und zum Teil hohem Gras, eine Bronzeplastik stellt einen Apfel mit Blatt dar – der Diakonissengarten zwischen Hirschlandstraße, Kreuzstraße und Diakonissenweg ist ein unvermuteter und deshalb besonders angenehmer Ort mitten in einem eher umtriebigen Umfeld.

 

Klettern, Kicken, Einrad fahren

Kinder hangeln sich auf dem Klettergerüst entlang, zwei Mädchen schaukeln um die Wette, wer höher schwingen kann. Zwei Frauen sitzen auf der Bank, eine hält ein Baby im Arm. Eine andere Frau übt Einradfahren mit ihrer Tochter. Ihr kleiner Sohn, mit Fußballdress und Ball unterwegs, langweilt sich ganz offensichtlich und quatscht eine ältere Frau auf einer Bank sitzend an: „Kannst du bisschen mit mir Fußball schießen?“ Die Angesprochene macht mit, stellt sich dabei nicht mal so schlecht an, für den jungen Kicker sind aber doch einige Erläuterungen unverzichtbar. „Du musst zuerst mit dem Fuß unter den Ball und dann erst hoch mit dem Bein.“ Ein paar Schritte weiter geht ein älteres Paar Hand in Hand den Weg entlang spazieren. „Das Gras müsste mal wieder geschnitten werden“, sagt er zu ihr, sie nickt: „Dass man auch keine Zecken abbekommt.“ In der Wiese haben sich Leute auf Decken gesetzt, an diesem Tag vorzugsweise im Schatten der großen alten Bäume.

Ein Ort zum Genießen

Das sind die Szenen, die Manfred Steinmann mag. Der Mann hat seinen Elektroroller, dessen Aufkleber ihn als eingefleischten Fan des VfB Stuttgart ausweisen, vor einer Bank geparkt. Dort hat er es sich bequem gemacht und liest in einem Buch. An diesem Tag ist es ein Reiseführer über den Gardasee, denn eine Urlaubsreise soll demnächst dorthin gehen. Er komme regelmäßig in den Diakonissengarten, berichtet er. „Wenn ich vom Einkaufen komme, und auf dem Weg nach Hause bin, dann sitze ich hier eine Weile“, erzählt er. Entweder habe er eine Zeitung oder ein Buch dabei. „Und manchmal, wenn ich mit einem Freund unterwegs bin, dann spielen wir hier Mühle“, sagt er weiter. Was ihm denn so gut gefalle am Diakonissengarten? Manfred Steinmann mag das Umtriebige der Kinder ebenso wie die Ruhe, die man trotz der Nähe zur Hirschlandstraße doch genießen könne. „Ich liebe die Natur, das viele Grün, dessen Wechsel und Wandel man so schön miterleben kann“, beschreibt er seine Vorlieben an diesem Ort.

Manfred Steinmann ist sozusagen Stammgast im Diakonissengarten. Foto: bs

Weiter Richtung Osten nahe einem alten Kirschbaum hat sich eine große Gruppe von Frauen niedergelassen. Auf der Tischtennisplatte haben sie ein Buffet aus warmen und kalten Speisen, Süßem und Salzigem aufgebaut. Aus einer Kanne mit Druckdeckel und Tülle zischt heißer türkischer Tee in mitgebrachte Becher – ein Picknick auf den Bänken und auf den Decken im Gras. „Wir treffen uns heute anlässlich des Opferfests“, erklärt eine der Frauen. Den Diakonissengarten als Treffpunkt haben sie aber schon vor einigen Jahren für sich entdeckt. „Es ist so schön hier, weil wir uns zu mehreren treffen können und weil es für die Kinder jeden Alters Spielmöglichkeiten gibt.“ Alle wohnen in Oberesslingen, manchmal kommen Freundinnen von außerhalb zu Besuch, wie die junge Frau aus Aichtal an diesem Nachmittag. „Es ist wirklich sehr schön hier“, findet auch sie.

Ein Stück lebendige Geschichte

Die Frauen berichten auch von der Neugier anderer, deutscher Parkbesucher, die sie schon einluden, sich dazuzugesellen und ihnen ihre Spezialitäten anboten. Das sei gut angekommen, so komme man miteinander ins Gespräch: „Willkommen sind alle Menschen, egal woher, wir sind ein internationaler Treff“, betonen sie.

Der Diakonissengarten ist weit mehr als nur ein hübscher Park. Er ist ein Stück lebendige Oberesslinger Geschichte und ein Symbol für lokale Identität und Engagement. Die Geschichte geht fast 600 Jahre zurück, als der Ort im Jahr 1442 als Besitz des Klosters Weil erstmals erwähnt wurde. Ab dem späten 18. Jahrhundert gehörte der Park dem Kammerherren der württembergischen Königin Olga, die im benachbarten Schlössle öfters ihren Kaffee nahm.

Schlössle wurde abgerissen

1880 kaufte die Evangelische Diakonissenanstalt Stuttgart das Anwesen. Die Klosterfrauen bewirtschafteten den Park bis noch in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Der Garten war der größte Grünraum Oberesslingens. Im Jahr 1978 kaufte die Stadt das Grundstück – Schlossgebäude und Diakonissen-Haus wurden abgerissen. 1984 entstand auf Initiative lokaler Bürger ein öffentlich zugänglicher Park mit Spielplatz, Tischtennis und Boulebahn. Heute ist das etwa 0,6 Hektar große Gelände eine grüne Oase, beliebt bei Familien, Jugendlichen und älteren Anwohnern und zugleich der viertgrößte Park in Esslingen.