Bernd Möbs und Sergio Vesely führen durch den Norden. Foto: Martin Bernklau

Das musikalische Literaten-Duo Bernd Möbs und Sergio Vesely führt durch den Norden: Vom Bismarckturm bis zur Mönchhalde.

S-Nord - Man trifft sich bei wolkigem Wetter am vielleicht schönsten Aussichtspunkt Stuttgarts. Vom Bismarckturm geht die literarische Führung von Bernd Möbs und seinem chilenischen Musikerfreund Sergio Vesely dann in launigen Schleifen hinunter bis in die Weinberge an der Mönchhalde, wo der Samstagnachmittag endet, wie er begonnen hat: mit einem guten heimischen Tropfen. Ein stattliches Grüppchen spaziert bis dahin mit dem Duo über die Feuerbacher Heide und den Killesberg unter dem Motto „Oh Täler weit, o Stuttgarts Höhen!“

Bei Stuttgarter Riesling brut begrüßt Bernd Möbs seine Gäste mit der Einschätzung, von nirgendwo aus sehe man die Stadt in dieser Pracht vor sich liegen, wie von dem 1904 im nationalen Überschwang auf studentische Initiative hin errichteten Turm. Mit dem Musiker, Künstler, Poeten und Pinochet-Flüchtling Sergio Vesely stimmt er auf Melodien von Udo Jürgens oder den Ärzten ein paar Parodien auf den Reichsgründer und Eisernen Kanzler Otto von Bismarck und seinen Turm an. Nach der Wiedervereinigung sei ja wohl jetzt der Appell angebracht, „Baut Kohl-Türme, Studenten!“, befindet er.

Hymnenzwist zwischen Adenauer und Heuss

Am Bonatzweg bringt Möbs beim Blick Richtung Heuchelberg eines der schönsten deutschen Herbstlieder ins Gedächtnis, das eigentlich ein Weinlese-Lied sei: „Bunt sind schon die Wälder“. Der Text stammt allerdings von einem Schweizer Freiherrn namens Johann Gaudenz von Salis-Seewis. Von Hermann Lenz, dem 1913 geborenen „Schriftsteller des Killesbergs“, hat Vesely das Gedicht „Der Einzelgänger“ vertont und singt auch eine Version der „Forelle“. Diese hatte der politische Häftling Christian Daniel Schubart als Allegorie auf die Freiheit auf dem Hohenasperg gedichtet.

An der kleinen Villa von Theodor Heuss erinnert Bernd Möbs an den skurrilen Hymnenzwist zwischen dem ersten Präsidenten der Bundesrepublik und Konrad Adenauer, dem Gründungskanzler. Heuss hatte auf den etwas frömmlerischen Text „Land des Glaubens“ des Kirchenlied-Poeten Rudolf Alexander Schröder gesetzt. Adenauer aber setzte sich mit der heute gültigen Haydn-Hymne zur dritten Fallersleben-Strophe durch, nachdem jahrelang alles Mögliche mangels Hymne hatte herhalten müssen: von „Heidewitzka“ beim Adenauer-Staatsbesuch in Chicago bis zu den „Eingeborenen von Trizonesien“ bei einem Länderspiel in Belgien. Im Osten setzte sich Johannes Becher durch, obwohl Bert Brecht mit „Anmut sparet nicht und Mühe“ der DDR einen weniger pathetischen Text auf die Eisler-Melodie offeriert hatte. Den tragen Möbs und Vesely vor.

„Der Killesberg isch mei Paradies“

Neben dem noblen Tennis-Court des TC Weißenhof witzelt das Duo ein wenig über Hermann Löns’ „Grün ist die Heide“ und die einschlägigen Heimatfilme, über den Schwulst-Poeten Johann Georg Fischer („Die ganze ungelöschte Glut“) aus dem Umkreis der Schwäbischen Dichterschule, erzählt aber auch vom „Tazzelwurm“, dem Ausflugslokal auf der einst so einsamen Feuerbacher Heide. Heute heißt das Höhenpark-Bähnle so. Der Wurm geht aber auf das alpine Fabeltier zurück, das der Dichter Victor von Scheffel besungen hat.

Auf der neuen Plattform oberhalb der Roten Wand sind der siebenbürgische Naturschwärmer Gusto Gräser, Vorbild Hermann Hesses und Mitgründer der Kommune vom Monte Veritá, und der Killesberger Vagabunden-Kongress von 1928 die Themen, aber auch der 1984 gestorbene Feuerbacher Humorist Erich Hermann, das „Rundfunk-Fritzle“ mit „Der Killesberg isch mei Paradies“.

Der völkische Naturlyriker Georg von der Vring lebte ab 1930 zeitenweise am Weißenhof. Auch hier sorgt Sergio Vesely zu venezolanischer und klassischer Gitarre oder mit dem Akkordeon für Abwechslung mit Liedern und Gedichten aus seiner chilenischen Heimat, darunter Tangos, etwa dem vom verlassenen Liebhaber. Weiter unten inspiriert der Blick auf die neue Bibliothek Möbs und Vesely zum Song „Blaubücherwürfel“ auf den Guantanemera-Ohrwurm, bevor zum Abschluss – wieder Udo Jürgens – in der Weinberg-Hütte an der Mönchhalde das Loblied auf den „Stuttgarter Wein“ angestimmt wird.