Der Architekt Tankred Eckert (rechts) zeigt alte Pläne des Kursaals. Foto: Heinz Heiss

Eine „kritische Stadtführung“ der Architektenkammer zeigt, warum in Bad Cannstatt kein zusammenhängendes Kurgebiet entstanden ist.

Bad Cannstatt - Auch nachdem jetzt wieder öffentlich darüber nachgedacht wird, was nach Sanierung und Umbau mit dem Kursaal in Bad Cannstatt passiert, ist rund um die jahrhundertealten Gebäude immer noch Baustellenatmosphäre. Erst 2013 soll, wie berichtet, die Renovierung abgeschlossen sein. Über die endgültige Nutzung – ob als Bürgerzentrum oder Veranstaltungsort und Konzert- und Festraum – ist noch nicht entschieden worden.

Eine „kritische Stadtführung“ der Architektenkammer hat sich jetzt mit der Geschichte des Cannstatter Kurgebiets befasst. Wo heute in der Tiefe eine Parkgarage gebaut wird, gedieh einst eine grüne Wiese vor den prunkvollen Fassaden des Kursaals. Trotz all dieser Bemühungen wurde aus dem Gelände rund um den Kursaal nie ein zusammenhängendes, vornehmes Kurgebiet – wie etwa in Wiesbaden. Woran lag das? Die Stadtführung sollte dieser Frage auf den Grund gehen.

Alles fing mit einer kleinen Ölmühle am heutigen Standort des Kursaals zu Beginn des 19. Jahrhunderts an. Die wurde mit dem Wasser der Mineralquelle betrieben. Und weil das Wasser 18 Grad Celsius gehabt habe, habe die Mühle so auch im Winter betrieben werden können, erklärte der Architekt Tankred Eckert.

Kursaal soll wirtschaftlicher nutzbar werden

Doch schon 1821 gründete sich ein Brunnenverein, der nach und nach mit der Erschließung der Brunnenanlage begann. „Der Große Kursaal wurde von 1825 bis 1841 im Stil des Klassizismus nach Plänen von Nikolaus von Thouret vom Brunnenverein Cannstatt und mit Unterstützung König Wilhelms I. erbaut“, sagte Boris Schikora vom Hochbauamt. Lange Zeit hat der Große Kursaal als Badeanstalt gedient, in der Ende des 19. Jahrhunderts auch Königinnen und Könige kurten – doch er war schon immer auch Ausstellungshalle für landwirtschaftliche Maschinen, für fortschrittliche Geräte, vor allem während des Cannstatter Volksfestes. 1943 brannte der Kursaal aus, 1949 wurde er wiederaufgebaut. 1907 begannen die Arbeiten zur Errichtung des Kleinen Kursaals, der von Albert Eitel erbaut wurde.

Etwas oberhalb der Säle steht ein kleines Gewächshaus, in dem alte Maschinen zu besichtigen sind. Es ist die erste Werkstatt von Gottlieb Daimler, in der dieser von 1882 an gearbeitet hat. Das war für die Besucher der Stadtführung dann auch ein wichtiger Hinweis, was die Entwicklungen im Kurpark über die Jahrhunderte hinweg angeht. Der Architekt Thomas Herrmann erklärte: „Die industrielle Entwicklung, die hier kurz nach der Kurentwicklung aufkam, hat im Prinzip verhindert, dass sich ein vornehmes Kurgebiet entwickeln konnte. Die industrielle Entwicklung hat hier alles andere überlagert, die Bahnlinien haben sich ins Gelände reingeschoben.“

In Wiesbaden beispielsweise sei dies anders: Das Kurgebiet dort grenze auf der einen Seite direkt an die Innenstadt, auf der anderen an Nobelwohngebiete. „Wir haben hier aber keine Nobelwohngebiete – und die städtischen Strukturen haben sich über die Jahre hinweg immer mehr aus Cannstatt hinaus in die Stuttgarter Innenstadt verlagert“, meint Thomas Herrmann. Trotzdem habe Cannstatt „enormes Potenzial“.

Mit der Renovierung des Kursaals wolle man jetzt auch erreichen, dass dieser künftig wirtschaftlicher nutzbar werde, meinte der Architekt Tankred Eckert. Gedacht sei dabei an Firmenkongresse und Familienfeiern, aber auch an Bürgervereine. Damit der Saal vielseitig genutzt werden kann, soll er jetzt durch variable Trennwände in drei Segmente unterteilt werden.