Lächeln hilft – auch beim Streiten über die Renten-Frage: Oliver Hildenbrand (Grüne), Hubert Seiter (Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) beim Stadtschreibtisch im Buchhaus Wittwer in Stuttgart Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Mit 67 in Rente gehen, und das ohne private Vorsorge – für ihn wird es unmöglich sein, glaubt der 28-jährige Landesvorsitzende der Jungen Union. Mit seinem Amtskollegen der Grünen und dem Chef der Deutschen Rentenversicherung im Land diskutierte er am Montagabend im Buchhaus Wittwer die Altersvorsorge für zukünftige Generationen.

Stuttgart - Die Rentner von morgen haben ein Problem. Zumindest darin waren sich die drei Experten einig.

Die Geburtenzahl geht zurück, die Menschen beziehen heute zehn Jahre länger Rente als noch vor 55 Jahren, und die Hüter der Alterskasse in Deutschland zahlen selbst keine Beiträge, weil sie Beamte sind. „Ich wollte in die Rentenkasse einzahlen, als ich das Amt angetreten habe“, sagt der Chef der Deutschen Rentenversicherung in Baden-Württemberg, Hubert Seiter, bei der Diskussion im Buchhaus. Aber das Gesetz habe es ihm nicht gestattet.

Not macht erfinderisch: In der Rentendebatte zeigt sich, wie viel Wahres in dieser Plattitüde steckt. Während der Diskussion mit StN-Wirtschaftsredakteurin Sabine Marquard benannten der Landesvorsitzende der Grünen, Oliver Hildenbrand (27), sein Amtskollege der Jungen Union, Nikolas Löbel (28), und der Erste Direktor der Deutschen Rentenversicherung des Landes, Hubert Seiter (64), Alternativen und Ergänzungen zum derzeitigen Rentensystem.

„Vorsorgekonto“: privat Geld für den Ruhestand sparen

Eine davon heißt „Vorsorgekonto“. Die Idee dahinter: Auf einem Vorsorgekonto, das direkt bei der Rentenversicherung angelegt ist, sollen Arbeitnehmer privat Geld für den Ruhestand sparen können, wenn sie wollen. Gehen sie früher als gesetzlich vorgesehen in Rente, können die Ersparnisse Abschläge ausgleichen. Ansonsten erhöhen sie die gesetzliche Rente.

Was im ersten Moment wie klassische private Altersvorsorge klingt, soll laut Seiter besser funktionieren: „Wir sind extrem kostengünstig“, sagt Seiter über sein Haus, die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, „weil wir im Gegensatz zu privaten Versicherungen keine Vertreter zu den Leuten schicken.“ Zur Rentenversicherung kommen die Beitragszahler per Gesetz.

Deshalb könne die Institution private Ersparnisse kosteneffektiv und transparent anlegen. Für das Vorsorgekonto will die Rentenversicherung wenige, aber sichere Anlagealternativen anbieten. Die Leute müssten sich nichts mehr von kommerziellen Anbietern „über Produkte erzählen lassen, die sie nicht verstehen“, sagt Seiter. Er hofft, dass das Modell auch Versicherungen und Banken zu mehr Transparenz zwingen könnte.

Die Grünen haben ein ähnliches Produkt entwickelt

Ging beim Stichwort Riester-Rente noch ein kritisches Raunen durch den Raum, nickt zumindest Oliver Hildenbrand von den Grünen zustimmend, als Seiter dem Publikum sein Steckenpferd schmackhaft machen will. „Die Grünen haben ein ähnliches Produkt entwickelt“, sagt Hildenbrand über das Vorsorgekonto.

Zufriedengeben will er sich allein damit aber nicht. Die Grünen, so Hildenbrand, forderten eine grundlegende Reform des Rentensystems: eine Bürgerversicherung, bei der alle – auch Beamte – in denselben Topf einzahlen.

„Dann könnte man auch darüber diskutieren, welche Einkommensarten beim Errechnen der Beitragshöhe berücksichtigt werden“, sagt Hildebrand. „Ich finde, auch Kapitalerträge sollten dazu gehören.“ Wer mit Geldanlagen zusätzlich zum regulären Einkommen verdient, würden nach Hildebrands Vorstellung mehr für die Gemeinschaft bezahlen als diejenigen ohne Zusatzverdienst.

„Nur wer gut verdient, kann privat vorsorgen"

Geringverdiener gegen Menschen mit gutem Einkommen – dieser Gegensatz biete das größere Konfliktpotenzial als die Auseinandersetzung von Alt und Jung, so Hildenbrand. „Denn wer gut verdient, kann privat vorsorgen, Geringverdiener aber nicht.“ Seine Erklärungen zur Bürgerversicherung scheinen dem Publikum zu gefallen – dem Landesvorsitzenden der Jungen Union, Nikolas Löbel, dagegen weniger.

„Die Bürgerversicherung schert alle über einen Kamm“, sagt Löbel. „Das ist nicht das Modell, für das ich stehe.“ Stattdessen brauche die Gesellschaft eine grundlegendere Debatte darüber, was das Wort „Rente“ überhaupt bedeute.

„Nur 50 Prozent von der gesetzlichen Rente gedeckt“

„In Zukunft werden vielleicht nur noch 50 Prozent meiner Ausgaben von der gesetzlichen Rente gedeckt werden können“, sagt Löbel. „Dann muss ich bereit sein, die andere Hälfte von woanders her zu bekommen.“ Zum Beispiel aus der Flexi-Rente, für die der 28-Jährige an diesem Abend wirbt.

Wer über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, soll bei der Flexi-Rente freiwillig weiter Beiträge bezahlen und dadurch seine Ansprüche steigern können. „Viele junge CDU-Abgeordnete haben dem Rentenpaket der Großen Koalition nur zugestimmt, weil im Gegenzug die Flexi-Rente versprochen wurde“, sagt Löbel. Jetzt gehe es damit aber viel zu langsam voran.

Zumindest ein Kritikpunkt des 28-Jährigen scheint am Montag im Buchhaus Wittwer bestätigt: Seine Generation interessiere sich zu wenig für die Rente, so Löbel. Wer ganz hinten im Publikum sitzt, sieht an diesem Abend vor allem: Grau.

Info: Fakten zur Rente

Info: Fakten zur Rente

1960 haben die Menschen knapp zehn Jahre Rente bezogen, 2005 waren es etwas mehr als 17 Jahre. Wer heute in Rente geht, hat im Schnitt noch 20 Jahre zu leben, Männer etwas weniger, Frauen etwas mehr. Tendenz steigend.

Von 2020 an beginnen die Babyboomer – die geburtenstarken Jahrgänge –, in Rente zu gehen. Problem: Immer weniger Erwerbstätige müssen dann immer mehr Rentner finanzieren.

36,8 Prozent der Neurentner gingen 2013 vorzeitig – also mit Abschlägen – in Rente.

Durch die Einführung der Rente mit 67 werden die Abschläge auf künftig bis zu 14,4 Prozent ansteigen.

Die Rentner des Jahres 2030, 2040 werden eine Rente haben, die sicher und auch auskömmlich ist, um Altersarmut zu vermeiden, sagt der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen. „Aber sie wird nicht den Lebensstandard sichern.“