Manuel Andrack zu Gast beim Stadtschreibtisch Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Reisen bildet. Dafür muss man nicht mal fortfahren. Beim Reiseaktionstag unserer Zeitung im Buchhaus Wittwer lernten die Besucher, dass die Alb so exotisch ist wie der Iran, Sandalen der alten Römer haltbarer sind als solche aus Pakistan, und Panama nur ein Ziel für Geld, nicht aber für Touristen ist.

Stuttgart - Ein Witz. Natürlich muss der Nachmittag mit einem Witz beginnen, wenn Manuel Andrack zu Gast ist. Jahrelang war der Kölner Stichwortgeber für Harald Schmidt, nun ist er der Guru der deutschen Wandersleute. Also, Bühne frei. Warum hat Moses das Volk Israel 40 Jahre lang durch die Wüste geführt? Andrack: „Weil er ein Mann ist und nicht nach dem Weg fragt.“

Angekommen ist er dennoch. Und Andrack wandelt in seinem neuen Buch „Schritt für Schritt – Wanderungen durch die Weltgeschichte“ in seinen Spuren. Im Heiligen Land war er unterwegs, aber auch auf den Wegen des Volkskreuzzugs im Jahre 1096 oder im Neandertal. Dort wollte er sich ernähren wie die Urmenschen, weil er aber bloß Brennnesseln fand und die Rehe sich nicht fangen lassen wollten, gab’s Heidelbeeren bei Rewe. Damit er beim Wittwer nicht darben musste, hatte ihm Redakteurin Gabriele Kiunke extra Beeren mitgebracht. Und eine Sandale, made in Pakistan. Zwei solche trug Andrack bei seinem Marsch über eine alte Römerstraße zwischen Bingen und Trier. Wobei eine davon sich schnell auflöste; alles andere war der Ausrüstung der Römer nachempfunden, doch genagelte Sandalen ließen sich nicht auftreiben. 91 Kilo Andrack plus 36 Kilo Kettenhemd, Helm, Schild und Gepäck waren zu viel, nach einigen Kilometern „war ich rechts barfuß unterwegs“. Doch er hielt durch – ein Römer kennt eben keinen Schmerz.

Im Iran war er nicht unterwegs. Dort hat sich der Journalist Stephan Orth umgeschaut. Surfend war er unterwegs, von Sofa zu Sofa. „Couchsurfing im Iran“ heißt sein Buch, das er über seine Reise geschrieben hat. Zwölf Millionen Menschen auf der ganzen Welt laden Gäste ein, kostenlos auf ihrer Couch zu schlafen. 60 Länder hat Orth so bereist, „man kommt so wunderbar in Kontakt zu Menschen“. Auch in einem Land wie dem Iran, dass bei uns als finster und rückständig gilt. „Dieses Klischee stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein“, sagt Orth, „die Menschen sind freundlich und großzügige Gastgeber.“ Und durchaus geübt in der Kunst des Verstellens. „In der Öffentlichkeit ist man zurückhaltend“, sagt Orth, „aber privat werden Partys gefeiert, Alkohol getrunken und über den Islam gelästert.“ Und sie hungern nach Neuigkeiten und Geschichten aus der westlichen Welt. Deshalb laden sie auch Couchsurfer ein, obwohl es eigentlich verboten ist. Auch auf dem Sofa von Mohamed (53) hat Orth geschlafen. „Funman“, so nennt Mohamed sich selbst, Spaßvogel. Er nahm Orth mit zu seiner Snackbar und einer Hochzeit. Dort sah Ort „gewagt kurze Röcke“ und hörte Altbekanntes. „Die Iraner sind verrückt nach Modern Talking.“

Wie die Musikvorlieben auf der Alb so sind, hat Bertram Schwarz nicht beschrieben. Dafür hat der SWR-Journalist entdeckt, dass es dort mindestens so exotisch zugeht wie im Iran. Und die Verständigung mitunter schwieriger ist. Der Unterfranke lebt seit 30 Jahren in Tübingen, seine Frau ist Oberschwäbin, „Ich verstehe fast jeden schwäbischen Dialekt“, aber zwischen Aalen und Hechingen war er des öfteren verloren. „Ich musste manchmal Schulkinder fragen, ob sie übersetzen.“ Für sein Buch „Allein über die Alb“ ist er sommers wie winters vornehmlich getrampt. Und hat aufgeschrieben, was die Leute ihm erzählt haben. So wie die Worte jener Frau, die er in einem winzigen Dorf auf der Münsinger Alb getroffen hat. Seit sie von der Ortsmitte an den Rand gezogen sei, sei sie leider weg vom Schuss, klagte sie. Dafür kann sie jetzt auf den Friedhof sehen. „Mein Mann liegt dort seit drei Jahren, jetzt ist er endlich leise!“

Nun mag die Alb von Stuttgart aus wie eine fremde Welt erscheinen, längere Urlaube verbringen die meisten lieber in anderen Gefilden. Nämlich in „Kuba, Iran, Südafrika und Namibia“. Woher Stephanie Mair-Huydts das weiß? Nun, sie ist Geschäftsführerin bei Mairdumont, die Hälfte aller deutschen Reiseführer kommt aus ihrem Verlag. Und so weiß man in Ostfildern ziemlich genau, wohin es die Deutschen zieht. Mallorca und Berlin, die Bücher verkaufen sich immer gut, sagte sie Redakteurin Susanne Hamann. Mit der Reihe Marco Polo hat sich der Verlag vor 25 Jahren ein jüngeres Publikum erschlossen, nun vernetze man Online und Papier über Touren-Apps und Update-Service. Das Internet sei nicht der Feind des Buches. Im Gegenteil. „Wir verkaufen heute ein Drittel mehr Reiseführer als vor zehn Jahren“, sagt sie. Nur über Panama habe man keines im Angebot. Wer da Näheres wissen will, kann ja Janosch fragen – oder den freundlichen Bankberater von nebenan.