Alle auf einmal auf die Kugel: Kinder bewegen sich gerne – auch bei der Sommerfreizeit. Auf dem Schulhof der Breitwiesenschule gibt es viele Möglichkeiten zum Toben. Foto: factum/Bach

Ob Sommerfreizeit oder Stadtranderholung – beide Begriffe meinen dasselbe: Knapp 300 Kinder treffen sich in diesem Jahr in 21 Gruppen. Sie dürfen sich bewegen, kreativ sein – und Spaß haben.

Gerlingen - Michaela Höhn-Bea hat keine drei ruhige Minuten am Stück, wenn sie sich im Foyer der Breitwiesenschule mit einem Besucher unterhält. Drei Mädchen kommen angestürmt. „Von wem ist der ‚Stara’-Song?“ Antwort: Deniz. Das ist einer der 80 Betreuer und Helfer. Die Sozialpädagogin und Leiterin des Gerlinger Jugendhauses ist auch die Teamchefin der Stadtranderholung, der Stara, wie alle sagen. Sie hat einen dicken Ordner mit Listen, Daten, Telefonnummern; das meiste aber ist im Kopf gespeichert. Amelie, Doreen und Katja rennen herum und suchen die Antworten für ihr Geländespiel an diesem Vormittag zusammen. Die Sommerfreizeit, auch Stadtranderholung genannt, findet seit 1969 statt. Vieles hat sich verändert, vieles ist aber auch gleich geblieben – wie die zwei Wochen Dauer.

Zu den Veränderungen gehört, dass die Stara gewachsen ist: Mit 64 Kindern ging es 1969 los, heute sind es jedes Jahr rund 300. Jede der 21 Gruppen wird von drei jungen Leuten betreut; einer ist mindestens 18, die beiden anderen etwas jünger. Die meisten haben Erfahrung als Teilnehmer, als Helfer in der Küche haben viele ihre Mitarbeiterkarriere angefangen. Und die Eltern vieler Kinder waren auch schon hier, als Teilnehmer oder Betreuer. Zum Beispiel die Gruppe 18: Der ältere Betreuer ist Hendrik Laicher (18), seine Kolleginnen Nina und Eva sind 16. Zwölf ihrer „Kinder“ stehen gerade in einer Reihe vor einer Wäscheleine. Sie hängen kleine Leinentaschen auf, die am Anfang noch weiß waren und jetzt blau oder rot sind und Streifen haben. Batik ist also nicht Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre hängen geblieben, sondern immer noch aktuell. Mitsamt Essiggeruch.

Handys bleiben im Rucksack

Gleich nach dem Mittagessen (Fischstäbchen mit Gemüsereis), wechselt das Programm: Da wird die Gruppe 18 zu den Riesenbauklötzen am anderen Ende des Schulhofes stürmen. Inklusive der achtjährigen Hannah. Höhn-Bea kennt auch Hannahs Mutter – aus deren Stara-Zeit.

Auf Mütter und Väter lässt Michaela Höhn-Bea nichts kommen. Gibt es Helikoptereltern? Sie schüttelt energisch den Kopf. „Viele erlauben schon den Achtjährigen, alleine hierher zu kommen oder nachmittags nach Hause zu gehen.“ Gleichwohl gebe es jeden Tag etliche Mütter oder Väter, die beim Tagesschluss dabei seien und ihren Nachwuchs abholen. Elterntaxis bis zur Schultür hat die Freizeitleiterin aber ebenso wenig wahrgenommen wie überbehütete Kinder, die ständig Kontakt zu Vater oder Mutter halten. „Handys sind im Rucksack“ ist eine der Regeln.

Stara-Atmosphäre als Abwechslung

Jetzt kommen Linus, Philipp und Lauren angerannt. „Micha, was machen die Betreuer von Gruppe Vier, wenn keine Stara ist?“ Sie studieren. Wie Johannes Lux (26). Der Ehemalige braucht für zwei Tage die Stara-Atmosphäre als Abwechslung zu seinen Prüfungen zum Lehramt an Grundschulen. Die hat Barbara Günther schon hinter sich. Obwohl Ferien sind, geht die Lehrerin in die Schule – und leitet an fünf Tagen die Holzwerkstatt. Da entsteht Tolles: Simon mit der Säge will bis zum Abend ein Flugzeug bauen. Der Rumpf ist schon kurz vor Mittag fertig. Anna hat einen Smiley ausgesägt und Lilith einen Würfel aus Holz entstehen lassen. Marius hämmert an einem Brett und vier Stäben herum, die einen Stuhl ergeben.

Leah, die Betreuerin, hält alles zusammen. Sie will einen Beruf mit Kindern ergreifen. Bei der Stara ist sie zum ersten Mal dabei – nach den Ferien beginnt ihr Freiwilliges soziales Jahr im Jugendhaus. Michaela Höhn-Bea hat vor 23 Jahren ihre erste Stara-Erfahrung gemacht. Was war da anders? „Ich war jünger und hatte nicht die Leitung.“ Waren die Kinder anders? Sie überlegt lange. „Nee.“ Sie seien genauso „bewegungs- und bastelfreudig“ gewesen wie die Kinder heute. Spaß wollten alle haben, nicht nur beim Geländespiel. Es gibt Dinge, die sind ein Dauerbrenner. Schieben Eltern ihre Kinder in die Stara ab? „Überhaupt nicht. Dieses Gefühl hatte ich nie“, sagt Höhn-Bea. „Gestern hat eine Mutter angerufen und sich bedankt.“