Passanten erkennen die Plakate in den Schaufenstern schon von Weitem: „Totaler Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht dort sowie „Alles ½ Preis.“ Foto: Patricia Sigerist

Die Filiale der Bäckerei Grau ist schon seit einem Monat leer, nun gibt auch das „Stoffwerk“ auf. Der Inhaber Dieter Kreis nennt vor allem Altersgründe – beklagt aber auch mangelnde Unterstützung von der Stadt Fellbach.

Fellbach - Richtig rosig sollen die Aussichten sein: Fürs Quartier nördlich des Rathauses und der Lutherkirche peilen die Verantwortlichen in der Fellbacher Stadtverwaltung einen veritablen „Wohlfühlcharakter“ an. Die Bürger dürften sich freuen auf eine „Verbesserung der Aufenthaltsqualität“. Es geht um ein attraktives Ambiente für die Geschäftsinhaber, das auch die bisherigen Kunden zufriedenstellt beziehungsweise neue anlockt. Frische Bäume werden gepflanzt und erhalten mehr Freiraum zum Wachsen als ihre Vorgänger.

Den Auftakt macht, nach dem kommenden Maikäferfest, im Frühjahr 2020 der Bereich Cannstatter Straße und Gerhart-Hauptmann-Straße bis zu den Tiefgaragen

Auch für die Menschen wird es viel Platz geben – nicht nur Jüngere können dann bummeln oder in einem gemütlichen Café „chillen“ und ihren Cappuccino schlürfen. Senioren ruhen sich auf Sitzgelegenheiten aus, während sie ihre prall gefüllten Einkaufstaschen in „urbanen Schließfächern“ verstauen – neudeutsch von den Experten offenkundig Sharing-Regale genannt. Vorgesehen sind auch Abstell- und Ausleihmöglichkeiten für Lasten- und Fahrräder, für die Kinder werden ausgetüftelte Spielgeräte errichtet. Kurzum: Die anvisierte „Aufwertung des öffentlichen Raums“ rund um die Wohncity und ums Wüst-Areal ist kaum mehr aufzuhalten. Den Auftakt macht, nach dem kommenden Maikäferfest, im Frühjahr 2020 der Bereich Cannstatter Straße und Gerhart-Hauptmann-Straße bis zu den Tiefgaragen. Ein Jahr später folgt die Neugestaltung der Bahnhofstraße vor Edeka bis hoch zur Seestraße.

Soweit die bunte Zukunft. Die Gegenwart allerdings hat für manche einen mausgrauen Charakter samt November-Blues parat. Zwei Geschäfte in der Wohncity werden vom baldigen Wohlfühlambiente nicht mehr profitieren. Da ist zum einen die Filiale der Bäckerei Grau in der Cannstatter Straße, untergebracht im Erdgeschoss des schmalen Glasgebäudes zwischen den beiden Treppen hoch zum Berliner Platz mit der Stadtbücherei. Die Filiale hat Ende Oktober geschlossen.

Die Immobilie wird nun von einem Makler angeboten, der Besitzer des Ladengeschäftes hat vor Kurzem gewechselt

Und nun folgt auf der nordwestlichen Seite des Gebäudekomplexes die nächste Schließung. An diesem Samstag ist im „Stoffwerk“ in der Bahnhofstraße der letzte Tag, danach bleibt der Laden von Dieter und Heike Kreis für immer zu. Passanten erkennen die Plakate in den Schaufenstern schon von Weitem: „Totaler Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht dort sowie „Alles ½ Preis.“

Der Grund: Dieter Kreis hat das Rentenalter erreicht und hört deshalb auf. 36 Jahre lang hat er modische Bekleidung in Fellbach verkauft. Seine Frau Heike hatte bis vor ein paar Jahren noch ein eigenes Geschäft, bevor sie es mit dem ihres Mannes zusammengelegt hat. Die beiden freuen sich auf die Zeit, die sie nun besser selbst bestimmen können. Dennoch dreht Dieter Kreis am Samstag auch mit Wehmut zum letzten Mal den Schlüssel in der Ladentür. „Ich bin seit vielen Jahren Mitglied im Stadtmarketing, kein Mensch von dort hat je bei uns hereingeschaut und nachgefragt, warum wir aufhören oder ob es einen Nachfolger gibt“, ist Kreis mehr als enttäuscht, vor allem auch von der städtischen Wirtschaftsförderung. „Ein bisschen mehr Unterstützung“ hätte er sich schon gewünscht, sagt er. Die Immobilie wird nun von einem Makler angeboten, der Besitzer des Ladengeschäftes hat vor Kurzem gewechselt. Aber das sei nicht der Grund, weshalb Kreisens aufhören. Es sei definitiv das Erreichen des Rentenalters.

Anders bei der Bäckerei Grau. Die Geschäftsführerin Ines Grau beobachtet, dass es in Fellbach „sehr viele Bäckereien“ gibt – und wenig Personal. Ihr Augenmerk richtete sie in den letzten Monaten verstärkt auf kleine Ladengeschäfte in Stuttgarter Wohngebieten, im Bezirk West der Landeshauptstadt gibt es schon zwei Grau-Filialen, in Bad Cannstatt und Steinhaldenfeld jeweils eine.