Saniert oder nicht? Dazu gibt es auch nach 15 Jahren formaler Sanierung zwei Meinungen. Foto: Heinz Heiss

Das Leonhardsviertel ist zwar noch längst nicht saniert, aber amtlich nicht mehr Sanierungsgebiet. Damit beginnt das nächste Kapitel der Jahrzehnte währenden Diskussion um den Rotlichtbezirk.

S-Mitte - Jede andere „Aufhebung der Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets“ taugte gewiss als Beispiel, warum Zuhörerreihen in kommunalpolitischen Sitzungen leer bleiben. Diese nicht. Freie Plätze sind rar im Saal, in dem der Bezirksbeirat Mitte an diesem Abend tagt. Das Publikum ist so vielfältig wie das Großstadtleben: Die Vertreter der Kirche sind da, als letzter schaltet der Abgesandete der Hells Angels – standesgemäß in Klubkutte – sein Mobiltelefon aus. Der Intendant der Philharmoniker ist zu Gast und der eine oder andere, der in jedem anderen Viertel ein gewöhnlicher Hausbesitzer wäre, in diesem ist er eine Kuriosität.

Es geht ums Leonhardsviertel, den Rotlichtbezirk. Der ist seit 15 Jahren offizielles Sanierungsgebiet. Hausbesitzer, die modernisieren, hatten ein Recht auf Zuschüsse. Damit ist faktisch längst Schluss, denn der Etat ist verbraucht. Damit soll bald auch amtsoffiziell Schluss sein. Das ist der formale Anlass der Sitzung. Ob die Ziele des Förderprogramms erreicht sind, ist umstritten. Aus Sicht der Stadtverwaltung sind sie erreicht, sagt Werner Geilsdörfer vom Stadtplanungsamt. Er zählt die Häuser auf, die saniert wurden.

Denkmalgeschützte Häuser verfaulen

Anders herum gesehen wäre eine Liste der Häuser, die nicht saniert wurden, deutlich länger. Diese Häuser „stammen aus der Zeit, in der Goethe seinen Werther schrieb“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle. Und diese Häuser verfaulen. Etwas freundlicher ausgedrückt: Der Zustand des gesamten Viertels ist auch nach 15 Jahren formaler Sanierung „bei weitem nicht gut“. So sagt es die Grünen-Bezirksbeirätin Annegret Breitenbücher. Abseits von Formalien und förmlichen Festlegungen ist eben dies die scheinbar ewige Frage: Warum gelingt es der Stadt nicht, auch im Rotlichtbezirk ihre Interessen, geschweige denn das Gesetz durchzusetzen?

Denn niemand bestreitet, dass nur ein Teil der Bordelle im Bezirk legal betrieben wird. Vor 41 Jahren hat der Gemeinderat eine Vorschrift beschlossen, mit der Besitzer denkmalgeschützter Bauten zur Sanierung gezwungen werden können. Angewandt wurde sie nie. Vor 28 Jahren entschieden die Stadtpolitiker, dass eine Ausbreitung des Rotlichtbezirks zu verhindern sei. In jüngster Vergangenheit mehren sich wieder die Klagen, dass die Damen des Straßenstrichs ihre Dienste standardmäßig an der Olgastraße anbieten.

Zumindest, wer von der Stadt ein denkmalgeschütztes Haus gekauft hat, müsste doch „zum Erhalt des Denkmals gezwungen werden können“, meint Breitenbücher. Der Karl-Stephan Quad (SPD) will wissen, ob die einschlägigen Häuser auf die Vorschriften des jüngst wieder verschärften Brandschutzes und der Energiesparverordnung überprüft würden. Geilsdörfer, der Stadtplaner, zuckt die Schultern und verspricht, die Antwort nachzureichen.

Die rechtliche Lage sei eben verzwickt, sagt er. Das beginnt beim Grundsätzlichen, im Bundesgesetz, seit Rot-Grün zwar das Dirnengewerbe legalisiert hat, aber der Versuch, das legale Gewerbe zu fördern, strafbar blieb. Jener grundsätzliche Widerspruch schlägt durch bis in die Winkel der Gesetzbarkeit, auch bis ins Baurecht. „Das ist der Grund, warum die alte Bausubstanz nicht saniert wurde“, sagt Geilsdörfer. Zumindest ist es einer der Gründe, warum nach 15 Jahren Sanierung die Liste der unsanierten Häuser länger ist, als die der sanierten: Hausbesitzer, die im Sanierungsgebiet modernisieren, haben grundsätzliches Recht auf Zuschüsse. Es sei denn, in ihren Häusern werden Bordelle betrieben. Dann darf in sie kein Euro Steuergeld fließen, Denkmal oder nicht.