Einst bot sich von hier eine königliche Aussicht auf eine schnurgerade Planie zur Königstraße hin. Das hat sich längst geändert, und die B 14 vor dem Haus ist seit langem eine große Verkehrsschneise. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das einstige königliche Wohnhaus ist mit großem Aufwand umgebaut. Davor erstreckt sich immer noch die Verkehrswüste. Die ehemalige Wegachse und die Sichtbezüge zwischen dem Denkmal und der Königstraße scheinen verloren.

Stuttgart - Für fast 41 Millionen statt der ursprünglich vorgesehenen 31 Millionen Euro hat die Stadt das Wilhelmspalais umbauen lassen. Als Stadtmuseum wird es zwar erst von Frühjahr 2018 an bespielt, doch das neue Gebäude in alter Fassade dürfen die Stuttgarter nach drei Jahren Bauzeit nun wieder besuchen. Im Umfeld bleibt viel zu tun: um die üppigen Verkehrsschneisen vor dem einstigen Wohnhaus von König Wilhelm II. zurückzubauen und die gekappte Weg- und Sichtachse zum Kleinen Schlossplatz wieder herzustellen. Das Denkmal aus dem städtebaulichen Abseits zu holen, in das es vor mehr als 50 Jahren geraten ist, könnte noch ein Jahrzehnt beanspruchen. Die Bemühungen kommen aber besser in Fahrt.

Als der König vom Balkon des 1840 fertiggestellten Gebäudes blickte, verlief die Planie schnurgerade zwischen seinem Haus und dem Kronprinzenpalais. Als OB Fritz Kuhn (Grüne) jetzt vom Balkon schaute, sah er zwar das Kunstmuseum, das 2005 den Platz des 1963 abgerissenen Kronprinzenpalais’ eingenommen hat, aber auch viel Korrekturbedarf. Denn die klaren Bezüge zwischen den Endpunkten der Planie sind verloren. Die einst gerade Verbindungsachse wurde in den 1960er Jahren um der Autofahrer Willen verschwenkt. Nicht nur Kuhn denkt über eine Korrektur nach. Die Architektin Jórunn Ragnarsdóttir, die mit Arno Lederer und Kollegen den Palais-Umbau plante und den Haupteingang wieder in Richtung Stadtzentrum legte, stellte fest: „Für die Planie ist ein neues Konzept notwendig.“ Wieland Backes von der Bürgerinitiative Aufbruch Stuttgart, zu der auch Lederer zählt, sieht es ähnlich: „Die Wiederherstellung der Achse wäre ein hoher Zugewinn an städtebaulicher Qualität.“

Planie würde weiter zum Akademiegarten rücken

Bei einem nichtöffentlichen Meinungsaustausch zwischen Kuhn sowie Vertretern der Bürgerinitiative, der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) und der Architektenkammer nahm man sich vor den Sommerferien vor: Die Zukunft der Achse soll in einem städtebaulichen Wettbewerb untersucht werden – zusammen mit der Verkehrsschneise B 14 und ihren Kreuzungen.

Im Rathaus gibt es seit Jahren Ideen. Wollte man die Planie begradigen, sagt Verkehrsplaner Stephan Oehler, würde die Fahrbahn im Bereich des Abgangs zur Stadtbahnstation am Rand des Akademiegartens verlaufen. Dafür würde vor dem Alten Waisenhaus Straßenfläche frei für einen Platz in Dreieckform. Die Rampe von und zur Unterfahrung des Kunstmuseums werde wohl fortbestehen, die Linke im Rathaus allerdings stellt auch sie zur Disposition. Auf dem Charlottenplatz würde nach den städtischen Überlegungen und nach DASL-Ideen eine Art ovaler Kreisverkehr entstehen. Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) will frühe Festlegungen aber vermeiden. Der Wettbewerb soll alle Ideen noch mal auf den Prüfstand bringen und die bestmögliche Kombination hervorbringen. Ursprünglich wollte man ihn bis Ende 2017 über die Bühne bringen.

Rolle der Tunnelvariante im Wettbewerb noch nicht geklärt

Ausgerechnet das Aufleben der Aufbruch-Bürgerinitiative, die anstelle von PS-Meilen menschengerechte Stadträume fordert, trug zu Verzögerungen bei. Der Wettbewerb, in einen Ideenteil und eine Machbarkeitsuntersuchung unterteilt, werde nun 2018 stattfinden, sagt Pätzold. Man habe die Anregungen der Initiative und die Chance einer großen Bürgerbeteiligung nützen wollen. Die Umsetzung der Ideen wird dauern. Erst müssten einmal die Opernsanierung und Stuttgart 21 fertig werden, hat Kuhn angemerkt.

Ungeklärt ist, ob man im Wettbewerb auch den Vorschlag eines Tunnels unter der Konrad-Adenauer-Straße zulässt, wozu die Bauverwaltung bisher neigte, oder ob man nur Ideen für einen Cityboulevard sucht. Letzteres bedeutet, dass man stellenweise acht Fahrspuren der B14 enger zusammenlegt und an den Rändern Platz für Fußgänger und Grün gewinnt, oder man einen breiteren Mittelbereich gestaltet.

Beim Meinungsaustausch im Rathaus dominierte der Rat, vorab über den Tunnelbau zu entscheiden. Besonders die Experten der DASL haben nichts mit einem großen durchgehenden Tunnel im Sinn: 60 Prozent des Verkehrs würde wegen Autofahrern, die auf die B 14 ein- und ausfahren, ohnehin oben bleiben. Man würde mit dem Tunnel aber Platz für Umgestaltungen verschenken. Ohne diese Variante wären komplizierte verkehrstechnische Berechnungen hinfällig, die den Wettbewerb komplexer, langwieriger und teurer machen, sagt die Diplomingenieurin Petra Zeese.

SPD mahnt Bau der Freitreppe an

Während die DASL ihre Ideen unabhängig von Verkehrsmengen umsetzen möchte, hält die Aufbruch-Bürgerinitiative erst das Verringern des Autoverkehrs durch kombinierte Restriktionen und Anreize zum Umsteigen für nötig. Auch Wieland Backes forderte im Rathaus eine schnelle Entscheidung über den Tunnel. Dieser Zeitung sagte er jetzt auch, man müsse genauer als bisher durchspielen, was die Varianten im Sinne einer Verkehrsreduzierung bringen.

Die SPD im Rathaus nahm am Freitag zunächst einmal eine drängendere Sache ins Visier: dass die Freitreppe vom Museumsgrundstück zur Straße bald gebaut wird. Die kostet laut SPD sechs Millionen Euro. Und die müsse der OB jetzt in den nächsten Haushaltsentwurf einstellen. Die CDU drängt auch, weil die Treppe eine schöne Abrundung für das Museumsprojekt sei. In den 6,022 Millionen Euro, sagt Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD), seien auch Kosten für den Umbau des angrenzenden Straßenbereichs enthalten. Das Referat habe den Posten für die Wunschliste zum Haushalt 2018/2019 angemeldet.