Noch eine Baustelle: das Stadtmuseum im Wilhelmspalais Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Hat das Stuttgarter Stadtmuseum in seinen Magazinen Objekte, die in der Zeit des Dritten Reiches geraubt oder deren Besitzer enteignet worden waren? Die Sammlung wird nun dahingehend überprüft.

Stuttgart - Für die Museen im Bereich bildende Kunst ist das Thema schon alt, jetzt erfasst es aber auch die stadtgeschichtlichen Sammlungsstücke. Die Stadt Stuttgart will sie jetzt auf ihre Herkunft untersuchen lassen und langfristig die ehemaligen Eigentümer ausfindig machen, falls die Objekte von den Nationalsozialisten geraubt oder verfolgten Menschen entzogen worden waren.

Zu diesem Zweck soll es von Juni 2016 an im Planungsstab für das künftige Stadtmuseum eine Personalstelle geben, die zwölf Monate zur Verfügung steht. Diese Stelle für die sogenannte Provenienzforschung, also für die Herkunftsforschung, werde mit Fördermitteln des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste finanziert, teilte der Planungsstab mit.

1401 Gegenstände im Fokus

In der Pressemitteilung heißt es, vorrangiges Ziel dieses Mitarbeiters werde es sein, Objekte zu identifizieren, die „unter den Verdacht von NS-verfolgungsbedingtem Entzug fallen“. Sprich: Der Mitarbeiter soll herausfinden, ob sich von den insgesamt rund 10 000 Objekten in der stadtgeschichtlichen Sammlung auch solche befinden, die die Nationalsozialisten und ihre Schergen verfolgten Menschen geraubt oder auf andere Weise entzogen haben. Herkunft und Umstände des Erwerbs sollten „möglichst lückenlos geklärt werden“. Langfristig wolle man die ehemaligen Eigentümer ausfindig machen.

Grundsätzlich geht es bei der Überprüfung um die komplette Sammlung. Besonders im Blick hat man aber 1401 der rund 10 000 Gegenstände, die in der NS-Zeit, also in den Jahren von 1933 bis Frühjahr 1945, erworben wurden.

Abschlussbericht geplant

Darunter sind unter anderen Silberobjekte und Produkte des Kunsthandwerks, aber auch einfache Haushaltsgegenstände, Möbelstücke und Musikinstrumente. Schwerpunktmäßig kümmere man sich zunächst um Judaika, also Objekte aus dem Bereich Judentum und aus ehemals jüdischem Privatbesitz, sagte die stellvertretende Leiterin des Planungsstabs, Edith Neumann. Manche Gegenstände dieser Art seien unter den Nationalsozialisten enteignet und später bei Auktionen versteigert worden. Man sei zuversichtlich, dass in den zwölf Monaten ein Gutteil der Objekte überprüft werden könne, bei denen es in besonderem Maß geboten sei.

Die Forschungsergebnisse sollen in einen Abschlussbericht münden, den man der Öffentlichkeit zugänglich machen will. Außerdem will man sie in der Dauerausstellung des Stadtmuseums, das im Herbst 2017 im historischen Wilhelmspalais eröffnet werden soll, bei den jeweiligen Sammlungsstücken kenntlich machen.

Für viele Kunstmuseen sei NS-Geschichte von Kunstwerken seit Jahren ein Thema, und auch im Landesmuseum im Alten Schloss in Stuttgart kümmere man sich um Provenienzforschung, sagte Neumann. Im Bereich Stadtmuseen sei Stuttgart aber bei der Vorhut, wenn es jetzt die Sammlungsgeschichte im Nationalsozialismus aufarbeite.