Ein aus einem Stück gewebtes Korsett ohne Naht ist eines der zahlreichen Ausstellungsstücke. Foto: Ines Rudel

Die Industrie-Abteilung im Stadtmuseum Nürtingen präsentiert sich in einem neuen Gewand. So wird die Entwicklung der „Stadt der Strickwaren“ hin zum Maschinenbau-Standort greifbarer.

Nürtingen - Eine gestrickte Herrenunterhose aus der ehemaligen Textilfabrik Hauber ist nicht nur das Lieblingsobjekt der Nürtinger Stadtmuseumsleiterin Angela Wagner-Gnan in der runderneuerten Industrie-Abteilung. Sie ist gleichzeitig auch ein Symbol für den Zweig, der in Nürtingen den Einstieg in die Industrialisierung bedeutete. Der Textilbranche verdankte die „Stadt der Strickwaren“, wie Nürtingen auch genannt wurde, von Beginn des 20. Jahrhunderts an ihren Wohlstand. „Ab 1905 ist Nürtingen Industriestadt. Mehr als 1000 Industriearbeiter sind in 15 Betrieben beschäftigt“, erfährt der Besucher.

Gesundheitswäsche war ein Markenzeichen Nürtingens

Neu ist diese und eine Fülle von weiteren Informationen natürlich nicht. Doch werden die zahlreichen Fakten der Nürtinger Industriegeschichte in der neu gestalteten Abteilung jetzt in einer ansprechenden, zeitgemäßen Form inszeniert. Der Bogen der Ausstellung spannt sich vom frühen 19. Jahrhundert, in dem vielen Nürtingern wegen der eingeschränkten Gewerbefreiheit der gesellschaftliche Abstieg und Armut drohten, bis zur Gegenwart.

Im größten von drei Räumen in der Abteilung sind Maschinen als Leitobjekte platziert, erklärt Ursula Dvorák vom Büro Museo Consult, die das Konzept für die Modernisierung des Stadtmuseums ausgearbeitet hat. Drei Werkbänke stehen für die Hauptbranchen, die Nürtingens Entwicklung geprägt haben: die Metall-, die Textil- und die Möbelindustrie. Die Werkbank Metall illustriert den langsamen Untergang des Schmiedehandwerks und den Aufstieg der mechanischen Werkstätten, aus denen sich bedeutende Maschinenfabriken wie Heller oder Metabo entwickelt haben, die bis heute die großen Arbeitgeber in Nürtingen sind. An der Werkbank Textil ist unter anderem die Gesundheitswäsche ein Thema, die einmal das Markenzeichen Nürtingens war. Wer seine Hand in ein Kästchen steckt, geht auf Tuchfühlung mit verschiedenen Werkstoffen, die es zu ertasten und zu erraten gilt.

Früher geplante Modernisierung scheiterte am Geld

Für Angela Wagner-Gnan gibt die Industriegeschichte auch Hinweise für Kommendes. „Auch in naher Zukunft werden technische Revolutionen die Arbeitswelt verändern. Wahrscheinlich mehr als das, nämlich unseren kompletten Alltag. Das löst Ängste aus. Hier ist ein Blick in die Vergangenheit ungemein wertvoll, denn auch die Menschen früherer Generationen mussten dramatische Veränderungen bewältigen“, sagt die Museumsleiterin.

Die industriegeschichtliche Abteilung sollte ursprünglich als „Spielfabrik Nürtingen“ für rund 200 000 Euro modernisiert werden. Die vor sechs Jahren vorgestellten Pläne fielen allerdings der Haushaltskonsolidierung zum Opfer. Für die jetzt erfolgte Modernisierung musste die Einrichtung mit deutlich weniger auskommen. Möglich machte den Schritt der Förderverein des Museums mit einer Summe von 15 000 Euro. Noch einmal denselben Betrag finanziert das Museum selbst durch Kosteneinsparungen und die Verschiebung einer Sonderausstellung um ein Jahr. Feierlich eröffnet wird die neue Industrieabteilung am Donnerstag, 17. Mai, um 19 Uhr.

Das Museum zeigt Stadtansichten von Nürtingen

Ausstellung
Das Stadtmuseum Nürtingen zeigt derzeit seinen Gemäldeschatz. Die Bilder mit Nürtinger Motiven spiegeln die städtebauliche Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts wider. Die Sonderausstellung dauert bis zum 14. Oktober.

Öffnungszeiten
Das Stadtmuseum ist in der Sommersaison dienstags, mittwochs und samstags von 14.30 bis 17 Uhr geöffnet. Termine für Gruppen und Schulklassen können unter der Telefonnummer 0 70 22/3 63 34 vereinbart werden.

Zuspruch
Mehr als 14 000 Besucher pro Jahr hat das Museum zuletzt gezählt. Es ist als „vorbildliches Heimatmuseum“ anerkannt worden.