Chic in Schale (v.l.): Kulturamts-Duo Astrid Paul und Markus Nau mit Sarah Kupke, Claus Ganzhorn, 1. Bürgermeister Christian Gangl, Illja Widmann und Michaela Bautz. Foto: B. Knoblauch

Eine auf 15 Orte verteilte Ausstellung zeichnet die bewegte Geschichte der Daimlerstadt zwischen den Jahren 1918 und 1932 nach.

Was heute das Internet ist, war damals das Radio, und was heute der moderne Industriestandort Sindelfingen ist, war einst ein schwäbisches Dorf mit rund 5400 Einwohnern. Spätestens seit Volker Kutschers Gereon-Rath-Krimis und der darauf basierenden TV-Serie „Babylon Berlin“ erleben die 1920er- und die frühen 1930er-Jahre einen enormen Hype.

Passend dazu präsentiert die Stadt Sindelfingen eine Ausstellung, die sich unter dem Motto „Eine neue Zeit ist angebrochen“ mit der Phase vom Kriegsende 1918 bis zum Ende der Amtszeit von Bürgermeister Wilhelm Hörmann im Juni 1932 beschäftigt.

Dezentrales Konzept mit 15 Ausstellungsorten

„Sindelfingens Weg in die Moderne“ lautet der Begleittitel des Projekts, das diesen Weg in einem außergewöhnlichen dezentralen Konzept nachzeichnet. Neben dem Stadtmuseum und dem Webereimuseum ist die Ausstellung auf mehr als ein Dutzend weitere Orte verteilt – darunter der Marktplatz, das Rathaus, die Stadtbibliothek, der Alte Friedhof und die Schnödenecksiedlung, wo Stelen über Geschichte und lokale Begebenheiten informieren. Eigens erstellte Soundcollagen vermitteln hier einen akustischen Eindruck der Vergangenheit.

Gemeinsam mit der Historikerin Michaela Bautz hat Stadtmuseumsleiterin Illja Widmann bei der Ausstellungskonzeption den Fokus auf die Stadtgeschichte gelegt. Es geht darum, wie der damalige Stadtchef Hörmann in dieser entbehrungsvollen und politisch aufgeheizten Zeit nach dem Ersten Weltkrieg die Not leidende Bevölkerung in eine bessere Zukunft führen wollte. Seine Hoffnung setzte er auf „den Daimler“. Der lockte mit der Aussicht auf Arbeit schon bald Menschen aus ganz Deutschland nach Sindelfingen. Ein weiterer Ausstellungsstandort befindet sich deshalb auch im Mercedes-Benz-Kundencenter. Die Bevölkerung wuchs kräftig an und die „Neigschmeckten“ brachten ebenso wie die modernen Medien Kino und Radio neue Ideen und Trends aus den Großstädten auch in die „schwäbische Provinz“.

Die Ausstellung wird in den Museen noch ergänzt um historische Filme, zum Beispiel über das Kinderfest 1928. Wer mag, kann sich mit einem kleinen Charleston-Kurs in das damalige Lebensgefühl hineintanzen. Ergänzt wird die Schau um ein umfangreiches Begleitprogramm – darunter ein von Illja Widmann geführter Stadtspaziergang am 20. Juli im Rahmen der Biennale.

Vorbereitungen über Jahre hinweg

Wie groß das Interesse an dieser Ausstellung ist, zeigte sich schon bei der Eröffnung am Freitag, als rund 80 Gäste sich vor der Grabkapelle auf dem Alten Friedhof einfanden und den Charleston-Klängen von Igor Petrov-Schell (Akkordeon) und Musikschulchefin Maria Wunder (Klarinette) lauschten. Passend zum Anlass haben sich einige Beteiligte als stadthistorische Persönlichkeiten verkleidet, darunter die Lokalgrößen Claus Ganzhorn als Wilhelm Hörmann und Sarah Kupke als Mina Moscherosch.

Die Vorbereitungen zu der von Stadtrat Andreas Knapp angeregten Ausstellung hatten längere Zeit in Anspruch genommen. Über mehrere Jahre hinweg haben Ilja Widmann und die Historikerin Michaela Bautz in den städtischen Beständen Unmengen von Material gesichtet, sortiert und ausgewertet. Zusätzlich waren von vielen Sindelfinger Familien Leihgaben oder Schenkungen eingegangen. „Die größte Herausforderung war es, zu entscheiden, was wir weglassen“ sind sich die beiden Kuratorinnen einig.

Die Schau „1918-1932: Eine neue Zeit ist angebrochen – Sindelfingens Weg in die Moderne“ läuft bis zum 26. November. Dazu gibt es auch einen Digiwalk, einen app-unterstützten Spaziergang. Mehr dazu unter www.sindelfingen.de