Was unternahm der Queen-Sänger nach seinen Konzerten? Wo hat Harald Glööckler Jeans verkauft? Warum galt Königin Olga als „einziger Mann am Hof“? Eine neue Tour führt in die schwul-lesbische Vergangenheit einer bunten Stadt.
Stuttgart - An Mätressen mangelt es in der Geschichte der Monarchie nicht. Was aber ist, wenn der König neben der Königin sein Leben nicht mit einer Frau versüßt, sondern mit einem Geliebten? Wie nennt man das männliche Pedant zur Mätresse? „Günstling“, sagt die Historikerin Linda Prier, „offiziell gab’s am Hof damals natürlich keine schwule Affäre.“
Charles Woodcock war ein „Günstling“. Königin Olga hatte ihn als Vorleser ins Schloss geholt. Prompt verliebte sich der Gatte, König Karl, unsterblich in den 27 Jahre jüngeren Amerikaner. Darüber wird Linda Prier erzählen, wenn sie bei der Rainbow-Tour des Erfolgsblogs Unnützes Stuttgartwissen (USW) an Orte zieht, die für eine bunte Stadt stehen. Los geht’s im Rahmen des Christopher Street Days am 26. Juli um 18 Uhr auf dem Schillerplatz. Aber auch danach wird es die Zeitreise in die schwul-lesbische Vergangenheit von Stuttgart immer wieder geben.
Harald Glööckler führte sein Modegeschäft von 1987 bis 1997
Anekdotenreich soll’s bei dem etwa zweistündigen Stadtspaziergang werden. Linda Prier hat mit USW-Gründer Patrick Mikolaj wochenlang recherchiert, mit Zeitzeugen gesprochen, in Archiven geblättert, um „unnützes Wissen“ auszugraben, das in der Regenbogen-Community noch nicht so bekannt ist. Befragt wurde unter anderem der Modedesigner Harald Glööckler, der von 1987 bis 1997 in der City ein Modegeschäft mit seinem Partner Dieter Schroth führte. „Wir waren neben dem Hegelhaus in dem Laden, der sowohl einen Eingang an der Eberhardstraße als auch in der rückwärtigen Straße hat“, sagt der Modestar, der heute in der Pfalz lebt.
Gewöhnlich beginnen Märchen mit den Worten „Es war einmal“. Glööckler, dessen Kopf bereits eine Marke ist, wie dies sonst nur Udo Lindenberg und Heino gelungen ist, trat in Stuttgart mit „Es wird einmal“ an. Es wird ihm einmal gelingen, so wusste er als Chef seines Ladens Jeans Garden beim Tagblatt-Turm, dass die Nation wegen seiner Mode über ihn spricht. An allen Ecken und Ende hatte man ihm in Stuttgart Steine in den Weg gelegt. Mittlerweile ist er froh darüber: „Aus den Steinen, die man nach mir geworfen hat, habe ich mein Schloss gebaut.“ Den Text, den das Unnütze Stuttgartwissen über ihn geschrieben hat, findet er „cool so“, teilte der 54-Jährige unserer Zeitung mit.
„Freddie Mercury sah gut aus, war ruhig, zurückhaltend“
Schon immer an ihren Harald geglaubt hat die Gastro-Legende und Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit, deren Kings Club (KC) und Tom’s Bars zu den 21 Stationen der Rainbow-Tour zählen. Die „Schwulenmutti“ hat in ihrem roten Keller so manchen Promi gesehen, ob er nun mal einer werden sollte oder bereits schon einer war. Wenn etwa Freddie Mercury in Stuttgart gastierte, besuchte er fast immer das KC. Die Wirtin erinnert sich: „Freddie sah gut aus, war ruhig, etwas unsicher, zurückhaltend, als er noch nicht ganz so berühmt war. Viele meiner Gäste haben sich in ihn verliebt. Einmal kam er mit Barbara Valentin. Zum Glück gab’s damals keine Handys. Hätte man damals sofort Fotos bei Instagram oder Facebook gepostet, Freddie hätte keine Ruhe mehr gehabt. Er wollte tanzen, trinken, Sex haben, also einer wie viele andere sein.“
Es gab Zeiten, da drohte Gefängnis bei Sex unter Männern. Die Verfolgung Schwuler ist vom Hotel Silber aus, der einstigen Gestapo-Zentrale, selbst nach dem Krieg noch betrieben worden. Die Tour führt dorthin, wie auch an das Opernhaus. Dass sich in Stuttgart früher als andernorts liberales Denken durchgesetzt hat, war ein Verdienst des 1973 verstorbenen Intendanten John Cranko. Die Stadt liebte den charismatischen, experimentierfreudigen und offen schwul lebenden Vater eines Ballettwunders. Weitere Stationen sind der Goldene Heinrich, mit über 100 Jahren die wohl älteste Schwulenbar Deutschlands im Leonhardsviertel, das Hotel Marquardt, in dessen Café sich in den 1920ern selbstbewusst „Homoeroten“ trafen, der Palast der Republik, der ein Klohäuschen war, in dem sich Schwule zur Kontaktaufnahme trafen, und viele mehr.
„Königin Olga war der einzige Mann am Hof“
Die Tour endet mit einem Drink im Rubens am Hans-im-Glück-Brunnen. „Heute versteckt sich die LGBTTIQ-Community nicht mehr – sie ist mittendrin“, sagt Patrick Mikolaj. Übrigens hatte der Großvater von König Karl, König Friedrich I., heimlich einen Mann verehrt, den Grafen Carl von Zeppelin, dem er gar ein Denkmal im alten Friedhof in Ludwigsburg bauen ließ. Reichskanzler Bismarck war später dann ein großer Fan von Olga. Er nannte sie „den einzigen Mann am württembergischen Hof“.
Karten für die Rainbow-Tour gibt es unter www.Stuttgart-Entdeckungstouren.de. Sie findet erstmals am 26. Juli, 18 Uhr, statt und wird danach regelmäßig angeboten. Die Macher des Unnützen Stuttgartwissen bieten auch andere Stadtführungen an, etwa die Besserwisser-Tour und die Go-Wescht-Tour.