Vom Problem-Center zum Anziehungspunkt geworden: das Ludwigsburger Marstall. Foto: Simon Granville

Zwölf Jahre Sanierung rund ums Ludwigsburger Marstall-Center, dreistellige Millionen-Investitionen: Ein Rückblick auf ein Mammutprojekt, das aus einem Stadtgebiet mit zweifelhaftem Ruf ein vitales Quartier machte.

Eigentlich müsse man jetzt eine Flasche Sekt köpfen, findet Baubürgermeisterin Andrea Schwarz. Schließlich gibt nichts weniger zu feiern als die Verwandlung einer Schmuddelecke zu einem pulsierenden und an vielen Stellen schmucken Quartier: Das Sanierungsgebiet Untere Stadt, das unter anderem das Marstall-Center und den Walckerpark umschließt – beide sind, betrachtet man Bilder von früher, kaum wiederzuerkennen – , ist nach zwölf Jahren abgeschlossen und abgerechnet. Den Sanierungsschub, den das Projekt auslöste, beurteilt die Stadt als eine der „städtebaulich herausragendsten und fiskalisch gewichtigsten Maßnahmen“ in Ludwigsburg.

 

Weil es aber noch mitten am Tag ist und man sich in einer öffentlichen Bauausschuss-Sitzung befindet, gibt es statt Sekt Sprudel, Apfelsaft und jede Menge Genugtuung. „Das hat unsere Verwaltung geschafft. Und das mit unserem schrecklichen Gremium, das immer was zu meckern hat“, sagt Grünen-Stadträtin Christine Knoß in einem ein Anflug von Selbstkritik.

Was war früher?

Die Untere Stadt, einer der ältesten Bereiche Ludwigsburgs zwischen Stuttgarter, Heilbronner, Marien-/Abel- und Lindenstraße, war zunehmend von der City abgekoppelt. „Die Tiefgarage des Marstall-Centers war als Drogenumschlagplatz bekannt“, sagt Jochen Eisele (FDP); Bernhard Remmele (FW) erinnert sich an den „Negativ-Touch, den das Täle hatte – in die Unterstadt ist man nicht gegangen“. An der Substanz vieler Gebäude nagte der Zahn der Zeit, der Stadtteil war im Abwärtsstrudel: Billigshops, Spielhallen oder Internetcafés drohten überhand zu nehmen.

Wie sah der Plan fürs Bessermachen aus?

Mit Hilfe des Städtebauförderprogramms „Aktive Stadt und Ortsteilzentren“, mit dem Bund und Länder vor allem die Stärkung zentraler Versorgungsbereiche finanziell unterstützte, die mit Funktionsverlusten und Leerständen zu kämpfen hatten, wollte die Stadt Ludwigsburg Impulse geben und Abhilfe schaffen. Zu den Zielen gehörten die Revitalisierung des Marstalls und die Neuordnung und Aufwertung der Plätze, öffentlichen Räume und Straßenzüge in der Umgebung des Centers. Zudem auf der Agenda: die Neuordnung der Eberhardstraße und des Umfelds der katholischen Kirche, des Straßenraums der Linden- und Körnerstraße, des Walckerparks und seiner Umgebung und die Unterstützung von Privateigentümern, die ihre Gebäude modernisieren wollten.

Was wurde ausgegeben?

Das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ wurde mehrfach aufgestockt und, als es 2019 auslief, in das Nachfolgeprogramm „Lebendige Zentren“ überführt. Elf Millionen Euro Fördergeld flossen in einem Dutzend Jahre in bauliche Vorhaben in der Unteren Stadt, „und für mindestens 195 Millionen Euro haben die öffentliche und die private Hand dort saniert“, sagt Frank Lehmpfuhl vom Referat Stadtentwicklung, Klima und Internationales. „Ich mache seit 30 Jahren Sanierungsbetreuung. Das war eine der größten Stadtreparaturen bisher.“ So umfangreich sei in der Stadt noch nie saniert worden. Gebäude, die sonst dem Verfall preisgegeben gewesen wären, seien wieder instandgesetzt worden – und das äußerst wirtschaftlich. Bund, Land, Stadt, Privatleute und Wirtschaftsförderung hätten enorm erfolgreich zusammengearbeitet.

Welche harten Nüsse waren zu knacken?

Dem zum Schluss alles andere als einladenden Marstall wieder neues Leben einzuhauchen, war nicht zuletzt wegen der vormals schwierigen Eigentumsverhältnisse bei den Gewerbeeinheiten eine der größten Herausforderungen. Der Investor ECE nahm sie zusammen mit der Stadt an und modernisierte den Verkaufskomplex aus den 1970er Jahren. Heute ist die Shopping-Mall trotz einiger Wechsel bei den Geschäften ein viel besuchtes Einkaufszentrum, dessen Außengelände – vor allem der aufgehübschte Reithausplatz und die Sitzstufen bei den Brunnenanlagen – bei schönem Wetter gerne als Aufenthaltsort genutzt wird. Die Marstall-Revitalisierung ist aus Sicht der Stadtverwaltung eine „Versöhnung des maßstablosen Baukomplexes mit seiner Umgebung“.

Was hat sich noch verändert?

Stadtreparatur im großen Stil gab’s in der Charlotten- und Bauhofstraße, die zuvor zwar autogerecht waren, aber null Aufenthaltsqualität boten. Mitten in den Straße ragte eine Stützmauer hoch – eine regelrechte Barriere für Fußgänger und Radler. Der Straßenzug wurde umgebaut, die Mauer kam weg. Ebenfalls eine Problemzone: das Areal der einstigen Gewerbebrache der Orgelbaufabrik Walcker entlang der B-27-Kurve. Dort entstand ein Gebäudekomplex mit Pflegeheim und Studentenwohnungen – wofür es kein Fördergeld gab, dafür aber für die Sanierung des Umfeldes. Und im Walckerpark daneben wurden die Autos in ein neues Parkdeck verlegt. So entstand Platz für neuen Freiraum mit Grün, Spiel- und Sportflächen. Ohne die Fördermittel von Bund und Land hätte die Stadt die rund drei Millionen Euro dafür nicht aufbringen können.

Und die alten Häuser?

Charakteristische Bauten aus der Barock- und Rokokozeit wie der Grafen- und der Gesandtenbau am Kaffeeberg, deren Renovierung den Investor 6,5 Millionen Euro kostete, strahlen in neuem Glanz. „Dieses Sanierungsgebiet hat einen erstaunlichen Wandel gebracht. Es war ein Glücksfall für die Stadt“, so das Fazit von CDU-Rat Maik Braumann. Adelheid Kainz (Lubu-Liste) findet dafür ein eigenes Bild: „Wir haben das Täle wie auf ein Podest gestellt.“

Impulse für neue Stadtqualität

Gegen den Niedergang
Mit dem Städtebauförderungsprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ unterstützten Bund und Länder zwischen 2009 und 2019 Kommunen bei der Bewältigung struktureller Schwierigkeiten in zentralen Stadt- und Ortsbereichen. Im Mittelpunkt stand die Stärkung zentraler Versorgungsbereiche mit Funktionsverlusten und Leerständen. In mehr als einem Jahrzehnt wurden 868 Vorhaben in 750 Städten und Gemeinden gefördert. Seit 2020 werden die Ziele im Programm „Lebendige Zentren“ weiterverfolgt.

Für viel Mehrwert
Rund 30 Gebäude in privater Hand wurden mit Hilfe der Städtebaufördermittel umfassend saniert. In einem denkmalgeschützten Haus in der Bietigheimer Straße 17 zum Beispiel entstand bezahlbares Wohnen für sieben Familien mit 23 Kindern.