Dort wo heute die Container der Flüchtlinge stehen, sollen 118 Wohnungen entstehen. Doch der Bau verzögert sich. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Eigentlich hätten die 175 Flüchtlinge, die derzeit auf dem ehemaligen Messeparkplatz auf dem Killesberg leben, die Unterkünfte im Oktober verlassen müssen. Doch jetzt bleiben sie bis zum Sommer 2019.

Stuttgart - Die Nachricht, die den Flüchtlings-Freundeskreis Killesberg jetzt erreicht hat, kommt durchaus überraschend. Denn eigentlich neigt sich die Zeit der Unterkünfte auf dem früheren Messeparkplatz neben der Brenzkirche ihrem Ende entgegen. Im Oktober hätten die derzeit 175 Geflüchteten dort ausziehen müssen. Um Platz zu schaffen für 118 neue Wohnungen. Doch jetzt kommt alles anders: Bis 30. Juni 2019 sollen die Systembauten weiterbetrieben werden. Eine Verlängerung um ein Dreivierteljahr.

Hintergrund der Verzögerung ist nach Recherchen unserer Zeitung, dass die Pläne der Architekten sich nicht so leicht in die Wirklichkeit umsetzen lassen wie gehofft. Im Jahr 2014 wurde ein Architektenwettbewerb ausgetragen. Mehrmals wurde getagt, zwei Büros wurden schlussendlich gebeten, die eigenen Entwürfe nachzubessern. Am Ende fiel die Wahl auf ein Büro aus Köln. Doch wie sich herausstellt, hat der viel gelobte Wettbewerbssieger die Einfahrt zur Tiefgarage für die neuen Wohnungen an den topografisch höchsten Punkt des Areals gelegt. Nun muss umgeplant werden.

Die Stadt stellt den Sachverhalt auf Anfrage unserer Zeitung so dar: Die Pläne des Wettbewerbssiegers würden „logisch weiterentwickelt“, sagt Stadtsprecher Sven Matis. Und: „Ein Punkt ist dabei die Verlegung der Zufahrt in die Tiefgarage oder auch der Zeitplan. Dieser wurde jetzt an die neuen Gegebenheiten angepasst.“ Will heißen: Es gibt mindestens eineinhalb Jahre Verzögerung bei einem der größten Wohnbaugebiete in der Landeshauptstadt.

Eigentlich sollte 2017 alles ertig werden – Nun wird 2019 erst mit dem Bau begonnen

Ursprünglich hatte man bei der Verwaltung gehofft, dass die dringend benötigten neuen Wohnungen bereits im Jahr 2017 fertiggestellt werden könnten – also zehn Jahre nach dem Umzug der Landesmesse auf die Fildern. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sprach davon, dass die Nachnutzung des alten Messeareals durch das Projekt Rote Wand „gekrönt“ werde. Die Stadt will auf dem Killesberg alles verwirklicht sehen, was derzeit im Wohnungsbau angesagt ist: einen hohen Anteil geförderter Wohnungen und viele private Baugemeinschaften. Zudem lege man großen Wert auf klimaneutrale Baustandards. Zitat aus dem Rathaus: „Es soll ein zukunftsweisendes Wohnviertel entstehen, das soziale, ökologische und architektonische Aspekte unter einen Hut bringt.“

Sozialbürgermeister Werner Wölfle nutzt die Situation allerdings gern. „Wenn die vorbereitenden Arbeiten für das Wohngebiet nicht vor Juni 2019 beginnen, wäre es unsinnig, die Plätze für die Flüchtlinge vorher abzubauen“, sagt er. Die Kapazitäten kann die Stadt auch gut gebrauchen. Zwar sind in den vergangenen Monaten nicht mehr allzu viele Flüchtlinge neu nach Stuttgart gekommen, doch aufgrund der schwierigen Lage am Wohnungsmarkt leeren sich die Systembauten überall in der Stadt nur langsam. Derzeit leben immer noch knapp 7200 Geflüchtete in 115 Unterkünften. Und neuerdings braucht die Stadt mehr Platz für sie. Statt 4,5 stehen jedem seit Jahresbeginn sieben Quadratmeter Fläche zu. Die ersten 2300 Menschen profitieren bereits von der größeren Fläche. Deshalb liegt die Belegungsquote derzeit bei 75 Prozent, Tendenz steigend. Die Stadt braucht also alle verfügbaren Unterkünfte und gibt derzeit auch keine angemieteten Wohnungen auf.

Befürchtungen der Stadt, dass es trotz des besseren Platzangebots wegen damit verbundener Umzüge auch Protest geben könnte, haben sich bisher nicht bestätigt. Bisher seien nur wenige Umzüge notwendig gewesen, weiß Marco-Oliver Luz vom Sozialamt. „Das wird sich im Laufe des Jahres steigern, jedoch wird jeder einzelne Umzug individuell bearbeitet, damit er so wenig belastend wie möglich gestaltet wird“, sagt der Leiter der Flüchtlingsabteilung. So versuche man zum Beispiel, Schulwechsel bei Kindern zu vermeiden. Bisher seien die Erfahrungen mit der Sieben-Quadratmeter-Regel gut: „Das Mehr an persönlicher Wohnfläche wirkt sich sehr positiv auf die gesamte Hausgemeinschaft und das Miteinander in der Unterkunft aus“, sagt Luz. Allerdings mit der Folge, dass alle Quartiere weiter gebraucht werden. Da kommen die Verzögerungen auf dem Killesberg fast wie gerufen.