Bürgermeisterin Susanne Widmaier (Zweite von rechts) erklärt Ministerin Nicole Razavi das Wohnprojekt auf dem ehemaligen Bosch-Areal. Landrat Roland Bernhard, Energieberater Berthold Hanfstein und der Erste Beigeordnete Martin Killinger (von links) hören zu. Foto: Jürgen Bach

Nicole Razavi (CDU), zuständig für Landesentwicklung und Wohnen, besucht Rutesheim und macht sich ein Bild vom geplanten Quartier auf dem ehemaligen Bosch-Areal.

Am Ende war die Rutesheimer Bürgermeisterin nicht nur stolz, sondern auch richtig froh darüber, dass Nicole Razavi, die baden-württembergische CDU-Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, der 11 000 Einwohner großen Stadt am Freitagmorgen einen Besuch abstattete und sich mit ihr und dem Ersten Beigeordneten Martin Killinger vor dem ehemaligen, etwa 2,7 Hektar großen Bosch-Areal traf.

An der Ecke Robert-Bosch-Straße/Bahnhofstraße soll in naher Zukunft ein neues Quartier mit etwa 250 Wohnungen entstehen. Mit dem Besuch knüpfte Susanne Widmaier neue und, wie sie hofft, auch einflussreiche Kontakte an oberster Stelle. „Ich wünsche mir, dass die Ministerin bei den entsprechenden Stellen ein gutes Wort für uns einlegt und uns bei der Energiewende einen Schritt weiter bringt.“ Aktuell geht es um den Rutesheimer Plan, nach dem Motto „Energie von hier, für hier“ auf der Südfläche des Lärmschutzwalls an der Autobahn 8 eine Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlage zu errichten.

Die Bürgermeisterin lässt sich nicht entmutigen

Den Genehmigungswunsch hatte Widmaier bei der Autobahn GmbH des Bundes, die wiederum dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist, schon vor einem Jahr eingereicht. Die Absage für dieses Projekt – wegen der „nicht eindeutig zuzuordnenden Verantwortlichkeit im Rahmen der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht“ – kam in diesem Sommer. Damit gibt sich die enttäuschte Widmaier keineswegs zufrieden und setzte bereits alle Hebel in Bewegung, um den Solarpark – ein kleines Mosaikteilchen beim Aufbaus eines Nahwärmenetzes – doch noch verwirklichen zu können.

Unterstützung bekommt sie nun von der Ministerin. „Ich werde das Thema aufgreifen und an den Bund schicken“, versprach Razavi, die, seit sie ihr Ministeramt Anfang 2021 antrat, das erste Mal den Landkreis Böblingen besuchte und sich nach dem Stopp in Rutesheim auch in Gärtringen ein Bild von der Planung der neuen Ortsmitte machte, das ebenfalls von Förderprogrammen des Landes profitiert.

Nahwärmekonzept mit Vorbildcharakter

Eingeladen hatte die Ministerin der Böblinger Landrat Roland Bernhard, für den das Rutesheimer Energiekonzept Vorbildcharakter hat. Für den geplanten Wohnungsbau auf dem früheren Bosch-Areal soll mit dem angrenzenden Schulzentrum, der Schwimmhalle und den Sporthallen ein energetisches Quartierskonzept, das aus Bundesmitteln gefördert wird, von einem Ingenieurbüro erstellt werden. Das gesamte Gebiet soll an ein Nahwärmenetz angeschlossen werden.

Damit Rutesheim unabhängig die möglichst erneuerbaren Energiequellen bestimmen kann, hat die Stadt erst kürzlich den Eigenbetrieb Stadtwerke Rutesheim gegründet. „Wir hatten mehrere Interessenten, die das Netz gerne betreiben würden, doch wir haben gemerkt, dass bei ihnen das Monetäre im Vordergrund steht“, sagt Susanne Widmaier. Jetzt stehe es der Kommune frei, woher die Wärme künftig kommt. Etwa aus der Abwärme von städtischen Gewerbebetrieben, von Wärmepumpen oder von Holzabfällen aus dem Gemeindewald. Auch das Potenzial der Kläranlage soll genutzt werden. In diesem Zusammenhang wurde ein kommunaler Wärmeplan in Auftrag gegeben.

Innovatives Energiekonzept

Vom Rutesheimer Wohnungsbau-Projekt auf dem ehemaligen Bosch-Areal inklusive des innovativen Energiekonzeptes war die Ministerin Nicole Razavi sichtlich begeistert. „Jede Kommune wäre dankbar, wenn sie solch eine Fläche hätte.“ Sie verdeutlichte auch, „dass wir zahlreiche Förderprogramme haben, um Wohnraum zu schaffen“. Interessiert ist die Ministerin vor allem an bezahlbarem Wohnraum. Rutesheim hat hierfür auf dem ehemaligen Bosch-Areal eine 30-Prozent-Quote vorgesehen. „Wir wollen nicht, dass gute Fachkräfte Baden-Württemberg verlassen.“ Doch in der Zwischenzeit sei auch schon der Mittelstand von der Misere betroffen. „Es kann doch nicht sein, dass Handwerker, Pflegekräfte oder Polizisten sich keine bezahlbare Wohnung mehr leisten können“, sagte die Ministerin.

Das Land Baden-Württemberg sei wirtschaftlich höchst attraktiv. „Und der Druck auf dem Wohnungsmarkt wird immer größer.“ Hier sei die Politik mehr denn je gefordert. „Wir müssen die Kommunen entlasten, bürokratische Vorgänge beschleunigen und wir müssen Anreize schaffen.“ Widmaier weiß allerdings aus Erfahrung, dass sich die Regeln fürs Bauen in den vergangenen Jahren eher verschärft haben.

Entwicklung des Bosch-Areals in Rutesheim

Bosch
 Der Automobilzulieferer hatte 2019 seinen Standort zwischen der Robert-Bosch-Straße und der Römerstraße geschlossen. Einst waren dort 750 Mitarbeiter beschäftigt. Anfang 2022 unterschrieb Rutesheim den Kaufvertrag. Seitdem gehören weite Teile des Geländes der Stadt.

Wohnquartier
 Geplant ist auf den 2,7 Hektar Fläche ein neues Wohngebiet in Form eines Hof-Konzeptes mit einem zentralen Quartiersplatz. Vorgesehen ist hauptsächlich Geschosswohnbau. Momentan arbeitet die Verwaltung an den letzten Feinheiten des Bebauungsplans, der im nächsten Jahr beschlossen werden soll. Geplant ist auch eine Kindertagesstätte.