Der Weg zur lebenswerten Innenstadt ist komplex und langwierig, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Wie sehen die Städte der Zukunft aus? Diese Frage treibt Planer wie Politiker gleichermaßen um. Dabei gilt immer die Faustformel: Je größer die Stadt, desto größer die Probleme. Eine Erkenntnis übrigens, die durch unseren aktuell laufenden Heimat-Check unterstrichen wird. Während kleinere Kommunen wie Gerlingen von unseren Leserinnen und Lesern gute Noten bekommen, schneiden größere Städte - ob Leonberg, Böblingen oder Sindelfingen – schlechter ab. Handlungsbedarf ist also mehr als vorhanden.
Die Lage in Leonberg hat durchaus repräsentativen Charakter. Wie unter einem Brennglas sind hier die Attribute eines urbanen Zentrums, wie auch die Aspekte ländlicher Prägung, zu beobachten. Die Innenstadt besteht weitgehend aus Beton und ist auf die Bedürfnisse der Autofahrer ausgelegt. Doch bewegt man sich nur ein, zwei Kilometer weiter, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die Altstadt hat Charme und Aufenthaltsqualität. Eigenschaften jedoch, die sich erst vor gar nicht langer Zeit nach zähen Diskussionen eingestellt haben. Es gibt mehr Pflanzen, mehr Sitzgelegenheiten und mehr Außengastronomie. Ein Idealzustand ist indes noch nicht erreicht. Dafür müsste der Marktplatz komplett autofrei sein und seinem Namen gerecht werden: als stimmungsvolle Kulisse des Samstagsmarkts.
Idylle in der Altstadt und in Eltingen
Idyllisch ist es auch am anderen Ende der Kernstadt, in Eltingen. Die Carl-Schmincke-Straße gilt nicht umsonst als eine der schönsten Dorfstraßen in Württemberg. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es hier dörflich ruhig ist. Das Leben spielt sich dort ab, wo der Beton ist: in der Stadtmitte rund ums Leo-Center. Dass die überdachte Einkaufsmeile das Zentrum Leonbergs darstellt, gilt als unstrittig. Unstrittig vorhanden sind aber auch die damit einhergehenden Probleme. Neben der vorsichtig formuliert überschaubaren Aufenthaltsqualität in der Stadtmitte ist es vor allem der starke Verkehr, der keine Wohlfühlatmosphäre aufkommen lässt.
Nicht ohne Grund haben sich die Leonberger Grünen denn auch den verkehrsbelasteten Neuköllner Platz als Ort für das Sommergespräch mit unserer Zeitung ausgesucht. Wie immer in den großen Ferien laden wir die Fraktionen des Gemeinderats zu ausführlichen Interviews ein, für die sie die Gesprächsstätte selbst bestimmen können.
Zwar gibt auf dem Neuköllner Platz vis-à-vis des Leo-Centers mittlerweile großzügige Freiflächen mit Straßencafés, in denen es sich gut sitzen lässt. Der Ausblick und die Geräuschkulisse lassen indes zu wünschen übrig. Ist da das Ziel eines autofreien Neuköllner Platz nicht geradezu folgerichtig?
Eigentlich schon. Doch der Verkehr, das sagen selbst Bernd Murschel und Birgit Widmaier von der Grünen-Fraktionsführung, muss fließen können. In Leonberg gibt es keine Umgehungsstraße. Und mit einer Stadtbahn, die die Menschen schnell in die City bringt, ist in den nächsten Jahrzehnten kaum zu rechnen.
Es ist also nicht damit getan, den verkehrsreichsten Platz der Leonberger Innenstadt einfach dicht zu machen, um dort Bäume zu pflanzen und Bistrotische aufzustellen. Keine Frage: Diese Vision ist mehr als reizvoll. Doch um sie Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es ein Gesamtkonzept, das die Aufenthaltsqualität steigert, aber die Autos nicht verdrängt. Denn, auch das gehört zur Wahrheit, Luftlinie nur 500 Meter vom Leo-Center entfernt sind gleich vier große Märkte, in denen üblicherweise Großeinkäufe gemacht werden. Und für solche braucht es in der Regel immer noch ein Auto.