Immer mehr Einwohner, weil es immer mehr Wohnbauprojekte gibt: Die Stadt Korntal-Münchingen wächst. Foto: Werner Kuhnle

Verwaltung und Gemeinderäte von Korntal-Münchingen machen sich Gedanken darüber, wie viele zusätzliche Einwohner die Stadt verkraften kann. So manches Bauprojekt könnte deshalb auf der Kippe stehen.

Korntal-Münchingen wächst, doch wie groß soll die Stadt werden? Aktuell sind es etwas mehr als 19 600 Menschen. Wie viele werden, sollen in Zukunft in den drei Stadtteilen leben? Welche Infrastruktur, Rahmenbedingungen braucht es dafür? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Stadtverwaltung und Gemeinderat seit geraumer Zeit – und mehr denn je, seitdem sie im vergangenen Jahr die Erstellung eines Stadtentwicklungskonzepts beschlossen haben sowie vor dem Hintergrund möglicher weiterer Wohnbauprojekte.

Entscheidung über neues Wohngebiet verschoben

Zurzeit steht vor allem die Zukunft des Areals Greutter-Aichelin im Stadtteil Korntal auf dem Tableau. Beziehungsweise: Der Tagesordnungspunkt fiel in der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend von der Agenda. Das Gremium sollte entscheiden, ob es die Stadtverwaltung beauftragt, ein Bebauungsplanverfahren für Wohn- und Gewerbenutzungen auf dem Gelände vorzubereiten.

Jetzt ist erst einmal eine Klausur geplant. Der Gemeinderat berät mit der Wüstenrot Haus- und Städtebau und der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung an der Seite über die kurz-, mittel- bis langfristige Umsetzung der geplanten und perspektivischen Wohnbauprojekte. Sowohl die WHS als auch die GMA sind an der Erstellung des Stadtentwicklungskonzepts beteiligt.

Bürgermeister: Grundsatzdiskussion über den richtigen Weg

Vorangegangen ist die Bevölkerungsprognose der GMA, die Stefanie Geßmann-Reichert in besagter Gemeinderatssitzung vorstellte. Die Bevölkerungsprognose dient dazu, künftige demografische Entwicklungen als Grundlage für die Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzepts einschätzen zu können. Stefanie Geßmann-Reichert nennt die Prognose einen „elementaren Baustein“ für das Konzept. Anhand der Zahlen kann die Stadt zum Beispiel die Bedarfsplanung für Kitas und Schulen erstellen oder absehen, wie viele Pflegeplätze nötig sind, weil planbarer ist, wie viele ältere Menschen einmal in der Stadt wohnen.

Stefanie Geßmann-Reichert hat die Zahl der Einwohner bis zum Jahr 2045 berechnet. So steigt sie bis zum Jahr 2025 auf 21 530, ehe sie auf 21 279 Menschen sinkt, wenn die Stadt nur aktuelle Wohnbauprojekte realisiert. Dazu gehört das Neubaugebiet Korntal-West mit 1079 Einwohnern als größtes Projekt. 21 000 Einwohner seien Fakt in den nächsten zehn Jahren, „gewünscht und gut so“, sagt der Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos). „Es gibt ein breites Spektrum, wie sich die Stadt entwickeln kann.“

Das habe Folgen für die Infrastruktur, die Höhe der Einnahmen wie Einkommensteuer oder die Kaufkraft. Die Diskussion über den richtigen Weg, sagt der Rathauschef, sei eine Grundsatzdiskussion. „Wir setzen um, was verträglich und sinnvoll ist“, betont Joachim Wolf und auch, die Stadtverwaltung sei dahingehend „völlig offen“.

26 000 Einwohner „nicht erstrebenswert“

Klar ist für die Stadtverwaltung aber auch, dass das sogenannte Maximalszenario „nicht erstrebenswert“ sei: Demnach leben in Korntal-Münchingen im Jahr 2030 etwa 24 000 Menschen und wenige Jahre später fast 26 000, wenn die Stadt alle perspektivischen Wohnbauprojekte angeht. Das erforderliche Mitwachsen der Infrastruktur dürfte sich selbst bei größten Anstrengungen kaum in dieser Geschwindigkeit bewerkstelligen lassen, auch nicht finanziell, argumentiert die Stadtverwaltung. Deshalb, sagt der Bürgermeister Wolf, müsse man mögliche Wohnbauentwicklungen priorisieren – und außerdem aufzeigen, welche Projekte man sein lässt, zumindest vorerst.

Für den Fraktionschef der CDU, Oliver Nauth, stellen sich neben der Frage nach dem Ausmaß des Bevölkerungswachstums noch andere Fragen: Wie viel zusätzliches Gewerbe nötig sei oder wie der Klima- und Naturschutz angemessen Berücksichtigung finde. Angesichts der vielen Krisen gebe es Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, lasse sich vieles nicht planen. Zudem befinde sich die Stadt in einem politischen Übergang, sagt Oliver Nauth mit Blick darauf, dass der Bürgermeister Wolf 2023 bei der Wahl nicht mehr kandidiert.

Chancen in Krisen

Harald Wagner (Grüne) sieht in den Krisen auch Chancen. Jetzt sei der Punkt, alles neu zu denken. „Das wichtigste Ziel ist der ökologische Umbau im Bestand“, findet Wagner, dessen Meinung nach weiteres Wachstum nicht zu Klimaneutralität führt. Marianne Neuffer macht darauf aufmerksam, dass in der Stadt jetzt schon Infrastruktur fehlt. Als Beispiel nennt die Chefin der Freien Wähler die ärztliche Versorgung und betont, auch sie finde das Maximalszenario nicht erstrebenswert. „Die Gretchenfrage ist, welche Projekte wir noch angehen.“

Ein Blick in die Zukunft der Stadt Korntal-Münchingen

Konzept
 Das Stadtentwicklungskonzept zeigt die mittel- bis langfristige räumliche Entwicklung Korntal-Münchingens perspektivisch auf. Es dreht sich alles um die Frage, wie die Stadt in Zukunft aussehen soll. Schwerpunkte des Konzepts sind die Themen Bevölkerungsentwicklung, Bildung, Betreuung, Wohnen und Verkehr. Die Stadt plant mit einer Dauer von zwei Jahren bis zur Fertigstellung des SEK. Die Verwaltung hatte angekündigt, die Bürgerinnen und Bürger aller Generationen durch unterschiedliche Beteiligungsformate aktiv in den Prozess einzubinden. Mehr Infos im Netz: https://www.stadtentwicklungsmanager-im-dialog.de.

Vorrang
Das Stadtentwicklungskonzept beschäftigt sich auch mit der Zukunft des Greutter-Aichelin-Areals im Stadtteil Korntal und den Folgen der Weiterentwicklung. Der Gemeinderat hatte beschlossen, dass das Areal vorrangig, gesondert und ausführlich betrachtet wird, damit er vorzeitig entscheiden kann, was mit dem Gebiet geschieht. Es geht um eine 3,4 Hektar große Fläche südlich der Bahngleise, die weit besser genutzt werden kann, als es jetzt der Fall ist. Der Investor, das Wiener Wohnungsbauunternehmen Vermehrt, bevorzugt für rund 1100 Menschen verdichtete Wohnbebauung mit mindestens 20 Prozent bezahlbarem Wohnraum und Kleingewerbe wie Bäcker und Ärzte zu schaffen. Die Alternative wäre, das mindergenutzte Gewerbegebiet neu zu ordnen.