Patrick Gmür ist der maßgebliche Kopf im Gestaltungsbeirat, der die Stadt jetzt seit rund einem Jahr beim Beurteilten von Bauprojekten berät. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Vor einem Jahr hat der städtische Gestaltungsbeirat seine Arbeit aufgenommen. Baubürgermeister Peter Pätzold meint, das Gremium sei ein großer Gewinn für Stuttgart. Das liegt nicht nur, aber doch zu einem großen Teil an einem Mann.

Stuttgart - Patrick Gmür ist ein Mann, der klar formuliert. „Man kann es bei der Architektur immer noch etwas besser machen“, sagt der Chef des Gestaltungsbeirats, der die Stadt berät, damit sie Bauvorhaben der öffentlichen Hand oder von Privatinvestoren auf die richtige Schiene bringt. Man wolle Stärken der Entwürfe loben, Schwächen beseitigen. Und am Ende gehe es immer darum, das Bauen zu fördern und nicht zu hemmen, stellt der frühere Städtebauamtsdirektor von Zürich klar. Mittlerweile hat das Gremium ein Jahr hinter sich. Zeit also für eine Zwischenbilanz.

Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) erkennt einen „großen Gewinn für Stuttgart“. Schon jetzt sei klar, wie wertvoll der Blick von außen auf die Stadt sei, denn die sieben Mitglieder des Beirats müssen von auswärts sein und dürfen nicht in Bauprojekte in Stuttgart involviert sein. Pätzold lobte vor einigen Tagen das hohe Niveau der „erfrischenden Diskussionen“. Das Gremium trage Wertvolles zur „Architekturvermittlung“ bei. Gmür betonte, es sei toll, als Außenstehender eine Stadt beraten zu dürfen. Dass man nicht wisse, was im Hintergrund laufe, sei manchmal „sehr gut“. Stuttgart und Zürich, Deutschland und die Schweiz ließen sich nicht vergleichen. Hier am Neckar erkennt Gmür aber „vielleicht die mutigeren Projekte“. Denn die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie habe eine Konsensgesellschaft – „und die wirkt ein bisschen wie ein Dimmer“.

Der SWSG-Chef hat dem Gremium die Stirn geboten

Mit einigen Beispielen versuchten Pätzold und Gmür zu belegen, dass der Beirat Dinge zum Besseren wendete. Beim Projekt Moxy-Hotel in Feuerbach habe man für eine bessere Einfahrt gesorgt. Oder wie Gmür es sagt: die Planer daran erinnert, dass man beim Kratzen an der Wange direkt hinfassen und nicht um den Kopf herumgreifen muss. Bei einem Sanierungsprojekt der Landesbaugenossenschaft in Bergheim, sagte Pätzold, habe der Beirat bewirkt, dass mit einer Nachverdichtung im Wohnviertel mehr Wohnungen entstehen als geplant war. Nicht zur Sprache kommt eine Diskussion über ein Projekt der städtischen Tochter SWSG, das den Beirat sofort Anfang 2017 beschäftigt hatte. Damals widersprach er vehement dem Ansinnen, das Haus Jakobstraße 4 im Rotlichtbezirk abzureißen. Helmuth Caesar, Technischer Geschäftsführer, bot dem Gremium die Stirn. Später, nach Vorlage eines Gutachtens, räumte der Beirat ein: „Das Haus muss abgerissen werden.“ Zu viel Schimmel, Fäule und zersetzte Balken.

Die Beteiligten sollen mehr zur Wort kommen

Patrick Gmür behauptet aber gar nicht, dass der Beirat schon auf dem Zenit seines Könnens und seiner Wirksamkeit wäre. Auf die Frage, was der Beirat selbst noch für verbesserungsfähig halte, sagte er: Man sei entschlossen, mehr Aufmerksamkeit auf die Anhörung der Beteiligten zu verwenden, ehe man urteilt. Mittelfristig müsse man sich um systematische Qualitätskontrolle kümmern, also darum, dass Anregungen positive Folgen haben. Sicher ist bereits, dass künftig ein Beiratsmitglied in Preisgerichten für Architektenwettbewerbe sitzt. Bei der Ausschreibung der Planungsleistungen für die Umgestaltung des Marktplatzes sollen zwei Mitglieder mithelfen.

Dass man gegenüber Architekten mit großen Namen nachsichtiger wäre, etwa beim Projekt eines begrünten Neubaus an der Calwer Straße mit Christoph Ingenhoven, verwies Gmür ins Reich der Legende: „Wir sind im Umgang mit großen Stars erprobt.“ Ingenhoven habe sich und seinen Entwurf eben „gut präsentiert“. Manchmal hätten Architekten Probleme, ihre Aufgabe und ihren Entwurf auf den Punkt zu bringen.

Das Nachjustieren wird an Gmür also nicht scheitern. Dann wird es auch um die Aufgabenteilung zwischen dem Gestaltungsbeirat und dem Städtebauausschuss gehen, in dem Experten mit dem Blick von innen auf Stuttgarts städtebauliche Entwicklung schauen. Es sei gut, beide Gremien zu haben, sagte Pätzold. Man sammle jetzt Erfahrungen, wie man die Themen auf Beirat und Ausschuss verteile.

Der Präsident der Architektenkammer ist angetan

Genau darauf richtet auch Markus Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, das Augenmerk: „Man muss das sauber auseinander halten.“ Will heißen: Der Beirat kümmert sich um Einzelobjekte, der Ausschuss um die langen Linien der Stadtentwicklung wie Umgestaltung der B 14. Den Städtebauausschuss könne man nicht aufgeben. Den Gestaltungsbeirat einzurichten, woran die Kammer nicht ganz unbeteiligt war, hat sich nach Müllers Urteil auch als richtig erwiesen. Anfängliche Sorgen, dass das Gremium nicht akzeptiert werden könnte, sieht Müller als zerstreut an. Das führt er auch auf Patrick Gmür zurück: „Er ist der richtige Mann am richtigen Platz.“ Er könne nicht nur Bauvorhaben gut beurteilen, sondern „auch souverän in politische Gremien hineinwirken“. Dieser kluge Kopf mit „maximaler Demokratie-Erfahrung“ aus Zürich habe dem Beirat eine „dialogische Akzeptanz“ erbracht: dass die Direktiven nicht sklavisch befolgt werden müssen, aber auf das Gremium gehört wird.

Und die gute Nachricht ist: Gmür will mit seinen Kollegen „noch präziser“ werden.